Mit ihrem Buch Putins Netz ist der ehemaligen Moskau Korrespondentin und Kreml-Expertin Catherine Belton ein faszinierend wie furchtloses Sachbuch gelungen, das als die fundierteste Zusammenfassung von Putin und seinem Machtnetzwerk gelten darf. Ein erkenntnisreicher Lesegenuss, trotz des wuchtigen Themas.
Die besseren Filme zu den Büchern
Was haben Nomadland (2020), Moonlight (2016), Spotlight (2015) No Country for Old Men (2007) und viele weitere, mit dem Oscar für den besten Film ausgezeichnete Filme gemeinsam?
Sie basieren oftmals auf ebenfalls ausgezeichneten Büchern, die sich einem bestimmten Thema verschrieben haben und erkenntnisreiche Einblicke liefern. Egal ob als Roman oder als Sachbuch. Auch Filmklassiker wie die Unbestechlichen (1976) und andere, basieren auf journalistisch investigativen Erkenntnissen, die zuerst als Text, in Artikelform oder als Sachbuch erschienen sind.
Viele dieser Bücher haben jedoch oft den (erzählerischen) Nachteil, dass sie extrem faktenbasiert und trocken geschrieben sind. Was natürlich verständlich ist – es geht ja um Fakten und nicht darum, den Leuten eine Hollywood-Geschichte über Journalismus zu erzählen.
Der Spion, der aus der Kälte kam
Einen anderen Ansatz verfolgte der Autor John le Carré mit seinen Büchern. Vor allem mit dem Bestseller Der Spion, der aus der Kälte kam, aus dem Jahre 1963. Darin geht es um eine DDR-Überläufer- bzw. Maulwurf-Spion-Geschichte. Das Brisante daran: le Carré hat selbst für die britischen Geheimdienste MI5 und MI6 (James Bonds Abteilung!) gearbeitet.
Es wurde und wird daher immer noch vermutet, dass sein Roman, wenn nicht auf Tatsachen basiert, so doch gängige Praktiken des Kalten Krieges offenbart. Auch wenn dies vom Autor selbst niemals bestätigt wurde. Bis heute ist sein Werk eine überaus geschmeidige Spionage-Story, die extrem spannend zu lesen ist und so einige Twists enthält. In seiner Form auch so verfasst, dass es wirklich so passiert sein könnte. Autobiographische Züge sind le Carrés Werken daher nicht abzusprechen.
Liebesgrüße aus Moskau – Catherine Belton und Putins Netz
Warum erzählen wir das? Weil mit Catherine Beltons Putins Netz – Wie sich der KGB Russland zurückholte und dann den Westen ins Auge fasste ein Sachbuch erschienen ist, das fundiert recherchiert ist, also faktenbasiert, sich aber dennoch liest, wie ein Roman von Spionage-Roman-Ikone le Carré. Und das ist wahrlich schon eine eigene Kunstform, möchte man sagen.
Und die Geschichte (nicht die Story, wohlgemerkt) spannt einen weiten Bogen. Denn als Ende der 1980er-Jahre die Sowjetunion zusammenbrach, vermutete wohl niemand, dass ausgerechnet ein ehemaliger KGB-Agent (Putin) Jahre später Russlands Präsident werden würde und über Jahrzehnte die Fäden der Macht in seinen Händen zusammenlaufen lässt.
Gefährliche Seilschaften der Macht
Natürlich ist Putin kein Alleinherrscher der eine Solonummer Richtung Macht durchgezogen hat – auch wenn er vermutlich als genau ein solcher gesehen werden will. Doch vielmehr basiert seine Macht auf einem Netzwerk früherer KGB-Kollegen, dessen Einfluss weit über die Grenzen Russlands reicht.
Und ja, die Wahrheit liest sich hier wirklich wie eine Agenten-Geschichte, denn Catherine Belton hat mit etlichen Insidern sprechen können. Und zwar solchen, die ganz nah dran waren, an Putin. Aber auch an er Macht selbst. Was dem russischen Präsidenten bald zu viel wurde und diese einstigen Unterstützer mittlerweile von ihm „gejagt“ werden und sich absetzen mussten. Der eine mehr, der andere weniger erfolgreich.
© Harper Collins
Catherine Beltons Putins Netz: das Beste aus beiden Welten
Die Tatsachen zu beleuchten und neue Erkenntnisse ans Licht zu bringen sind die eine Sache. Das macht Belton hier ausgezeichnet. Die andere Sache ist jedoch, und das ist das Großartige an diesem Buch, dass sich die Fakten hier lesen, wie ein Spionageroman, was für die Leselust natürlich überaus förderlich ist.
Und bezüglich Aktualität: Bezüglich Putin ist Beltons Werk wohl das am feinsten recherchierte Buch, dass zurzeit über Putin und seine Seilschaften zu erhalten ist. Selten konnte das erkenntnisreiche einer journalistischen Recherche derart gekonnt mit eingehendem Storytelling kombiniert werden. Ein mehr als die Augen öffnendes Lesevergnügen, dass hoffentlich bald als Film zu bestaunen sein wird. David Fincher kann man sich als geeigneten Regisseur durchaus vorstellen.
Titelbild © Shutterstock
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