Unsere Ernährung liegt in den Händen weniger Chemie-Großkonzerne. Bayer und Co. bestimmen mit ihrem Saatgut, was wir essen und zu welchen Preisen. Welche Auswirkungen das auf unsere Ernährungssicherheit hat und welche coolen Initiativen sich dagegenstemmen, erfährt ihr hier.
Bayer und Corteva kontrollieren 40 Prozent des globalen Saatguts
Eigentlich ist es ganz einfach: Wir ernähren uns zu einem großen Teil von pflanzlicher Nahrung, genauso wie viele Tiere. Getreide, Obst und Gemüse können sich von allein fortpflanzen. Aus einer Tomate können Landwirt*innen dreißig bis vierzig neue Tomatenpflanzen hochziehen. Oder besser gesagt konnten, denn neu gezüchtete Sorten lassen sich oft nicht ertragreich vermehren und das Wiedersäen ist in vielen Fällen sogar strafbar. Patente, Zertifikate und Hybride erschweren das Leben der Landwirt*innen und gefährden unsere Ernährungssicherheit.
„Wer die Nahrungsmittelkette kontrolliert, kontrolliert die Menschen“, sagte bereits vor mehr als 40 Jahren der US-amerikanische Außenminister Henry Kissinger. Heute ist die Situation zugespitzter als je zuvor. Allein die beiden Chemie-Großkonzerne Bayer und Corteva, kontrollieren mehr als 40 Prozent des globalen Saatgut-Marktes.
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Monopole, Zertifikate und Hybride
Seit den 90er Jahren kann Saatgut patentiert werden, es gilt als geistiges Eigentum, welches geschützt ist. Das Patentrecht soll den Wettbewerb und somit auch Innovationen fördern. Denn die Züchtung neuer Pflanzensorten dauert zwischen zehn und fünfzehn Jahren und kostet extremst viel Geld. Zudem ist in vielen Ländern nur der Handel mit zertifiziertem Saatgut erlaubt.
Um diese Auszeichnung zu bekommen, müssen die Pflanzen genetisch relativ einheitlich und stabil sein – damit können klassische Landwirt*innen nicht mithalten. Ihr Saatgut wird über Generationen weitergegeben, weswegen es genetisch vielfältig ist und nur schwer oder gar kein Zertifikat bekommt. Hinzu kommt, dass heute viele zertifizierte Standard-Sorten der Konzerne Hybride sind, welche sehr robust wachsen, aber kaum vermehrt werden können.
In der Hand der Saatgut-Konzerne
Indirekt sind so Landwirt*innen gezwungen, Saatgut von den Großkonzernen zu kaufen. Beim Kauf müssen sie Verträge abschließen, die das geistige Eigentum wahren: In den meisten Fällen dürfen die Samen der nächsten Generation nicht erneut gesät werden. Die Landwirt*innen müssen sie entweder retournieren, zerstören oder Geld dafür zahlen, um sie nochmals anpflanzen zu dürfen. So oder so müssen sie häufig jedes Jahr von neuem den Konzernen einen Haufen Geld zahlen.
Das Gemeine: Das zertifizierte Saatgut der Konzerne taugt nicht wirklich viel. Sie mögen zwar gut schmecken und robust sein, aber für gute Erträge müssen die Felder gedüngt und die Pflanzen mit Pestiziden besprüht werden: Dünger und Pestizide, welche dieselben Konzerne herstellen, die auch das Saatgut produzieren.
Es ist ein betriebswirtschaftlicher Geniestreich, die Chemie-Großkonzerne profitieren doppelt und dreifach. Die Landwirt*innen und auch wir Konsument*innen sind doppelt abhängig. Zusätzlich schaden Pestizide und Dünger auch noch unserer Gesundheit.
Die Chemie-Großkonzerne sind nicht die einzigen, die doppelt verdienen. In diesem Artikel erfahrt ihr, wie die Pharmafirmen mit Krankheit und Heilung doppelt kassieren.
Einheitsbrei statt Pflanzen Diversity
Das gewinnorientierte Konzept schadet nicht nur kleinen Betrieben und unserer Gesundheit, sondern gefährdet auch die Umwelt und dadurch unsere globale Ernährungssicherheit – denn die Artenvielfalt wird zerstört. Im letzten Jahrhundert sind mehr als drei Viertel der Nutzpflanzen von unseren Tellern komplett verschwunden — ausgestorben.
Lokal angepasste Pflanzen werden durch zertifizierte Standard-Sorten von Großkonzernen ersetzt. Gerade das ist aber hinsichtlich der Erderwärmung sehr schlecht. Pflanzen gedeihen nur unter bestimmten Bedingungen, wie Temperaturen und Wassermengen. Ändern sich diese Bedingungen, kann die Pflanze nicht gedeihen. Baut der Bauer nur eine Sorte an, kann im Fall einer Dürre die ganze Ernte ausfallen. Kultiviert er verschiedene Sorten, würden manche überleben und somit nur ein Teil der Ernte wegfallen.
Ein weiterer Punkt ist, dass sich traditionelle Pflanzensorten besser an den Klimawandel anpassen, da sie genetisch vielfältig sind. Dieser Vorteil ist allerdings auch der Hauptgrund, warum sie nicht zertifiziert werden. Denn das wollen die profitorientierten Chemie-Großkonzerne nicht.
„Die größte Bedrohung für Österreich ist der Verlust der Ernährungssicherheit“
Wie man die wachsende Zahl von Menschen ernähren und Hunger besiegen kann, ist einer der brennendsten Fragen der heutigen Zeit. Durch die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine hat sich die Situation noch einmal verschärft. Der pensionierte Chef des Generalstabs des Bundesheeres, Othmar Commenda, der für die Sicherheit Österreichs zuständig war, sagte bereits vor den aktuellen Krisen: „Die größte Bedrohung für Österreich sind nicht Cyberattacken, nicht der Terrorismus und auch nicht die Migration, sondern der Verlust der Ernährungssicherheit.“
Damit das nicht passiert, müssen sich die Menschen selbst ernähren können und es vor allem auch wieder dürfen. In Österreich allein ist die Situation aber noch nicht ganz so brisant wie global gesehen. Noch immer produzieren mittlere Unternehmen von vielen Nutzpflanzen das Saatgut, der Wettkampf wird jedoch immer härter.
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Open-Source-Samenbanken
Aber jetzt genug von der Schwarzmalerei, es gibt immer mehr Menschen und Organisationen, die sich gegen die Chemie-Großkonzerne und die Saatgut-Politik stemmen. In den letzten Jahren haben sich im kleinen Rahmen Open-Source-Samenbanken etabliert, die Saatgut wieder zu einem Allgemeingut für alle machen wollen.
Die Organisationen ermöglichen den freien Verkauf, Anbau und Reproduktion des Saatguts. Zwar müssen Landwirt*innen noch immer für das Saatgut zahlen, allerdings dürfen sie die Samen und Kerne der neuen Generation frei pflanzen. Sie können das Saatgut verkaufen und auch für neue Züchtungen verwenden. Beim Kauf garantiert jede*r vertraglich, dass der*die Käufer*in das Saatgut nicht patentieren wird.
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