Die Anzahl der in den USA vollstreckten Hinrichtungen geht seit Jahren zurück. Dies hat teilweise moralische Gründe. Aber vor allem ganz praktische Erwägungen spielen bei diesem Rückgang eine Rolle. Es fehlt dem Vollstreckungswesen nämlich an qualifiziertem Personal, den notwendigen Substanzen für die Hinrichtung sowie die nötigen finanziellen Ressourcen. Denn so eine Hinrichtung ist teurer als man annehmen würde. Wie teuer genau? Das erfährst du in diesem Artikel.
USA: immer weniger Hinrichtungen
Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Laut statistischen Erhebungen zeigt sich in den USA ein allgemeiner und starker Rückgang in der Anzahl der Hinrichtungen. Die Statistik stellt die Zahl der Hinrichtungen in den USA in den Jahren 1976 bis 2023 (Stand: 20. September) dar. Im Jahr 2023 wurden in den Vereinigten Staaten von Amerika bis zum 20. September insgesamt „nur“ 17 Menschen hingerichtet. In 27 der 50 US-Bundesstaaten gibt es immer noch die Todesstrafe. Seit 2019 bleibt die Anzahl an Hinrichtungen jedoch stetig unter 20 Personen im Jahr.
Todesstrafe: Hinrichtungen mit langer Tradition
Dabei hat die Hinrichtung allgemein, aber auch vor allem in den USA geradezu Tradition. Die britischen Kolonien in Nordamerika führten die Todesstrafe bereits kurz nach ihrer Gründung ein. Die erste dokumentierte Hinrichtung war die von Kapitän George Kendall im Jahr 1608, der wegen Spionage für Spanien verurteilt wurde.
Die erste Frau, Jane Champion, wurde 1632 wegen Kindstötung hingerichtet. Bis in die 1990er Jahre waren weniger als drei Prozent der Hingerichteten weiblich. Von Beginn der amerikanischen Kolonialzeit bis 1996 wurden etwa 20.000 Menschen hingerichtet, darunter 400 Frauen, von denen wiederum 27 wegen Hexerei verurteilt wurden.
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Todesstrafe als Massenspektakel
Das Ritual der Hinrichtung fungierte dabei auch als beliebtes Massenspektakel. Vergleichbar mit einem heute öffentlichen Event oder einer Sportveranstaltung boten Hinrichtungen ein Schauspiel, um das herum sogar Tribünen organisiert waren. Kulinarische Genüsse wurden angeboten. Unter dem offiziellen Vorwand der Abschreckung entwickelte sich die Durchführung von Hinrichtungen zu einer prunkvollen Inszenierung und einer willkommenen Abwechslung im Alltag für das zahlreich erscheinende Publikum.
Auch in den USA begann man ab dem Jahr 1834, Hinrichtungen in offener Umgebung durchzuführen. Die letzte öffentliche Hinrichtung ereignete sich am 14. August 1936 in Owensboro (Kentucky), als der 22-jährige Afroamerikaner Rainey Bethea vor etwa 20.000 Zuschauern gehängt wurde — für die Vergewaltigung und den Mord an einer 70-jährigen Frau.
Hinrichtungen in den USA: Zahlen und Fakten
Mitte des 19. Jahrhunderts schafften Wisconsin und Michigan die Todesstrafe ab. Im Jahr 1888 führte man den elektrischen Stuhl als neue Hinrichtungsmethode ein, anstelle der bisherigen Praktiken des Erschießens und Hängens. Ab 1924 gab es in einigen Bundesstaaten die Gaskammer als weitere „moderne“ Methode zur Vollstreckung der Todesstrafe.
Im 20. Jahrhundert gab es mehrere prominente Fälle mit politischem Hintergrund, die große Aufmerksamkeit erregten und die Gesellschaft spalteten, darunter die Todesurteile gegen Sacco und Vanzetti sowie gegen das Ehepaar Ethel und Julius Rosenberg.
1935 wurden in den USA 199 Menschen hingerichtet, mehr als in jedem anderen Jahr. Im Jahr 1944 wurde der 14-jährige George Stinney exekutiert, was ihn zum jüngsten hingerichteten Menschen in den USA seit Beginn des 20. Jahrhunderts machte. Sein Todesurteil wurde posthum im Jahr 2014 aufgrund von Verfahrensfehlern für ungültig erklärt.
Meinungsänderung und Aussetzung der Todesstrafe
Um das Jahr 1960 herum änderte sich allmählich die öffentliche Meinung gegenüber der Todesstrafe. Viele verbündete Nationen hatten die Todesstrafe entweder vollständig abgeschafft oder eingeschränkt. Und auch in den Vereinigten Staaten nahm die Anzahl der Hinrichtungen ab.
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup unterstützen mittlerweile nur noch 55 Prozent der US-Bevölkerung die Anwendung der Todesstrafe für verurteilte Mörder*innen. Dennoch wächst die Kritik an der Todesstrafe, da schließlich das Leben eines Menschen auf dem Spiel steht. Immer mehr Bundesstaaten setzen die Durchführung der Todesstrafe für längere Zeiträume aus.
Doch nicht nur moralische Bedenken spielen beim Rückgang der Hinrichtungen eine Rolle. Auch wenn es immer wieder Fälle gibt, in denen zum Tode Verurteilte im Nachhinein für unschuldig befunden werden, haben die Hinrichtungen in den USA auch ganz praktische Probleme, wie Mirjam Bittner in ihrem Artikel erläutert. Diese sind: Mangel an Gift-Medikamenten, fehlendes Fachpersonal und natürlich Geld. Denn wieder erwartet kostet so eine Hinrichtung nämlich eine recht hohe Summe.
Todesstrafe: Hinrichtungen als Kostenfaktor
Diese finanziellen Aufwendungen variieren natürlich von US-Bundesstaat zu US-Bundesstaat, aber mit Sicherheit kann festgestellt werden, dass die Todesstrafe erheblich kostspieliger als eine lebenslange Haft ist.
Im Durchschnitt geht das Death Penalty Information Center (DPIC) von etwa 20 Millionen US-Dollar pro Todesurteil aus. In Florida belaufen sich die Kosten laut Amnesty International sogar auf fast 51 Millionen Dollar pro Jahr.
Besonders interessant: der US-Bundesstaat Kalifornien gibt jährlich 137 Millionen Dollar für seine Todesstarfen-Policy aus, obwohl in den letzten dreieinhalb Jahren faktisch keine einzige Hinrichtung stattgefunden hat. Ohne die Todesstrafe geht man von Kosten von lediglich 11,5 Millionen Dollar pro Jahr aus.
Doch warum sind die Hinrichtungen so teuer?
Dafür gibt es mehrere Gründe:
- Gerichtskosten: Nahezu alle Personen, die zur Todesstrafe verurteilt sind, können sich keinen Anwalt leisten. Der Staat ist jedoch verpflichtet, diesen, öffentliche Verteidiger oder vom Gericht ernannte Anwälte zur Verfügung zu stellen (in der Regel werden zwei Anwälte bestellt) und die Kosten der Strafverfolgung zu tragen.
- Vorverfahrenskosten: Todesstrafen sind – entgegen der weitverbreiteten Annahme – wesentlich komplexer als Nicht-Todesstrafen und dauern länger bis zur Verhandlung. Es werden dafür eine Menge Expert*innen benötigt. Für forensische Beweise, psychische Gesundheitsdiagnosen und solche, welche die Hintergrundgeschichte und Lebensumstände des Angeklagten in Erfahrung bringen und aufbereiten. Die Kosten für zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen und eine längere Untersuchungshaft fallen da auch noch an.
- Juryauswahl: Aufgrund der Notwendigkeit, Geschworene ausführlich zu ihren Ansichten zur Todesstrafe zu befragen, ist die Juryauswahl in Todesstrafen-Fällen viel zeitaufwendiger und kostspieliger.
- Gerichtsverhandlung: Todesstrafprozesse können mehr als viermal so lange dauern wie Nicht-Todesstrafprozesse, was Kosten für die Entschädigung von Geschworenen und Anwälten sowie für Gerichtspersonal und andere damit verbundene Ausgaben mit sich bringt.
- Inhaftierung: Todeszelle bedeutet Einzelhaft in einer speziellen Einrichtung. Diese erfordert zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen und andere Anpassungen, da die Gefangenen 23 Stunden am Tag in ihren Zellen verbringen müssen.
- Berufungen: Um Fehler zu minimieren, hat jeder Häftling Anspruch auf eine Reihe von Berufungsmöglichkeiten. Die Kosten dafür werden natürlich ebenfalls von den Steuerzahlenden getragen. Diese Berufungen sind von entscheidender Bedeutung, da Insass*inneen noch wenige Stunden vor ihrer Hinrichtung Beweise zu ihrer Entlastung vorbringen können.
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Die Todesstrafe: ein Fazit
All diese Einsichten verdeutlichen eine Absurdität, der man nur selten begegnet. Die Sinnhaftigkeit der Todesstrafe — jetzt einmal abgesehen von der moralischen Fragwürdigkeit — vor allem in rein finanzieller Hinsicht, erschließt sich so nicht wirklich und man fragt sich, wie lange man noch an dieser antiquierten Tradition festhalten zu gedenkt.
Vor allem, weil diese den Steuerzahlenden eine Unmenge an Geld kostet. Finanzielle Mittel, die man anderweitig viel besser investieren konnte. Zum Beispiel in die Armutsbekämpfung. Anderweitige Problemstellen, wo es an Geld fehlt, hätte die USA ja genug.
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