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Nicht selten wird Feminismus mit Männerhass gleichgesetzt. Viele sehen eine Überbevorteilung der Frau als Gefahr, obwohl wir noch meilenweit entfernt davon sind. Wer auf die Straße geht, um für Frauenrechte zu kämpfen, kann nur eine männerhassende Kampfemanze sein, oder? Das bestätigt die französische Feministin/Autorin Pauline Harmange in ihrem Buch „Ich hasse Männer“: Misandrie ist der Weg zu einer feministischen Zukunft.
Ich gebe zu, dass ich gerne zu Büchern mit extremen Titeln greife. In diesem Fall hat mich interessiert, wie die Autorin ihren Männerhass rechtfertigt bzw. ob es sich dabei überhaupt nur um einen reißerischen Buchtitel handelt. Nach dem Lesen Einleitung ist allerdings schnell klar: Harmange will nicht nur provozieren, sondern meint es tatsächlich so.
Auf den ersten Anschein könnte man meinen, bei der Verfasserin dieser Zeilen würde es sich um eine verbitterte und sexlose ältere Frau handeln. Übrigens eine gebräuchliche Bezeichnung für die meisten Feminist*innen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Die Französin wurde 1995 geboren und ist sogar glücklich verheiratet. Was muss ihr also im Laufe ihres Lebens widerfahren sein?
Bei vielen Passagen muss ich schmunzeln und manchmal merke ich auch, wie die Wut langsam in mir aufsteigt. Nicht, weil mich der Sexismus der Autorin so aufregt, sondern weil mir die von ihr genannten Alltagssituationen leider sehr bekannt vorkommen. Sexuelle Belästigung und Sexismus im Job sind auch mir leider nicht fremd.
„Das Mindeste, was ein Mann tun kann, der sich am männerfeindlichen Diskurs beteiligen will, ist: den Mund halten und zuhören.“ – Pauline Harmange
Pauline Harmange wirft alle Sexisten mit Feministen in einen Topf. Sie unterstellt selbsternannten männlichen Frauenrechtlern, im Kern ebenso frauenfeindlich zu sein. Der Begriff des Feminismus ist gebräuchlich, um sich bei Frauen zu profilieren – in der Hoffnung, damit attraktiver auf das weibliche Geschlecht zu wirken – wie wir es am Beispiel des „white knight“ sehen.
Dabei soll es offenbar ausreichen, hin und wieder eine Petition gegen häusliche Gewalt zu unterzeichnen. Auch Politiker linker Parteien stellen sich als besondere Frauenfreunde dar, um möglichst viele weibliche Wählerstimmen zu gewinnen. Privat wird der Feminismus den Medienberichten zufolge jedoch nicht gelebt, denn immer wieder gibt es auch in diesen Kreisen Me-Too-Skandale. Die pauschale Vorverurteilung aller männlichen Feministen durch die Autorin ist allerdings dennoch überzogen.
Keine Solidarität unter Frauen
Die französische Autorin erläutert sämtliche Alltagskonflikte mit Männern und führt dabei aus, dass auch Frauen untereinander nicht solidarisch sind. Jungen Mädchen werde bereits anerzogen, sich beim männlichen Geschlecht regelrecht anbiedern zu müssen.
Dabei sei es Usus, andere Frauen kleinzureden, um sich selbst in ein besseres Licht zu rücken. Es ist tatsächlich ein interessantes Phänomen, dass sich auch auf Social Media immer wieder weibliche Personen damit profilieren, keine Feministinnen zu sein. Obwohl sie sich damit regelrecht selbst ins Knie schießen. Wenn Frauen sich schon nicht gegenseitig unterstützen, wer dann?
Subtiler Alltagssexismus
Misogynie stellt ein tief verwurzeltes systemisches Problem dar. Frauenhass wird über die Generationen hinweg nicht einfach so abgebaut. Gleiches gilt übrigens auch für Rassismus. Nur weil europäische Frauen jetzt endlich wählen dürfen und in manchen Staaten kostenlose Tampons bekommen, bedeutet es nicht, dass Feminismus überflüssig geworden ist. Nur weil mein Partner mich nicht schlägt, ist er nicht automatisch Feminist. Sexismus muss nicht direkt ausgesprochen werden, um zu existieren. Es reicht, wenn Frauen beispielsweise im beruflichen Kontext bevormundend und aggressiv begegnet wird. Wenn männliche Vorgesetzte oder Arbeitskollegen Frauen innerhalb einer Diskussion ständig unterbrechen oder klein machen, sobald sie ihren Standpunkt vertreten. Es sind „Kleinigkeiten“, auf die Frauen im Alltag entweder gar nicht achten oder sie schlucken die Frustration einfach kommentarlos runter.
Frauenhass mit Männerhass bekämpfen?
Ist es also zweckmäßig, Frauenhass mit Männerhass zu bekämpfen? Harmange bejaht dies klar. Sie betont, dass Männerhass nur eine Reaktion auf den bereits Jahrhunderte andauernden Frauenhass sei.
Man könne diese beiden Hassformen keinesfalls auf die gleiche Stufe stellen. Männerhass würde sich schließlich nicht in Morden und Vergewaltigungen verwirklichen. Ich persönlich finde nicht, dass man Gleiches mit Gleichem vergelten kann. Weder kann ich mittels eines Krieges einen bestehenden Krieg bekämpfen, noch ist es sinnvoll, einen Mörder mit der Todesstrafe zu bestrafen, ohne dabei selbst zum Mörder zu werden.
Nicht alle Männer sind Vergewaltiger
Allerdings gehen einige Männer in Diskussionen zum Thema Sexismus, sexueller Belästigung und Benachteiligung in der Arbeitswelt gleich zum Gegenangriff über. „Aber ich habe noch keine Frau sexuell belästigt!“ oder „Frauen kriegen doch genauso viel Geld wie Männer, sie können nur schlechter verhandeln“ sind Sätze, die ich persönlich bereits zig Mal hören musste. Immer in Situationen, in denen ich meine persönlichen Erfahrungen teile. Diese sauge ich mir natürlich nicht aus den Fingern, sie sind bei zahlreichen anderen betroffenen Frauen statistisch erfasst.
Häusliche Gewalt, sexuelle Belästigung und Sexismus Frauen gegenüber sind keine Erfindung von frustrierten „Feminazis“, sondern die Realität. Natürlich sind nicht alle Männer Mörder und Vergewaltiger. Aber ein Großteil der Mörder und Vergewaltiger sind Männer. Außerdem werden Männer ebenso Opfer von sexueller Gewalt durch Männer. Aber der Kampf von Männern, mit Whataboutism immer wieder gegen die vermeintlichen Absichten des Feminismus zu argumentieren, schürt den Konflikt weiter.
Die Autorin erwähnt dabei allerdings auch, dass patriarchale Rollenbilder dazu führen, dass männliche Opfer von sexueller Gewalt durch Männer und Frauen häufig nicht ernstgenommen werden. Nach dem Motto: „Ein Mann kann nicht vergewaltigt werden, der hat immer Lust“.
Lieben Frauen die Opferrolle?
Frauen suhlen sich nicht gerne in der Opferrolle, damit sie Vorteile erhalten. Wenn ich als weibliche Person ein Problem zum Thema mache, das die halbe Weltbevölkerung betrifft, dann versuche ich auf diesem Wege, diese Opferrolle zu verlassen. Bevor ich das tun kann, muss ich mich allerdings zuerst rechtfertigen, dass ich keine Männerhasserin bin. Ich muss mich für ein gleichberechtigtes Sorgerecht und die Wehrpflicht für Frauen einsetzen. Außerdem soll ich im Anschluss zugeben, dass ich nicht verhandeln kann und dass die alleinige Ursache für meinen beruflichen oder universitären Misserfolg ist.
Hass versus Wut
Fraglich ist, ob Hass in diesem Kontext überhaupt ein passender Begriff ist. Hass ist ein permanenter Zustand, ein starkes Gefühl der Feindschaft. Wenn ich Diskriminierung erlebe, bin ich wütend und nicht automatisch eine Männerhasserin. Wut ist ein Gefühl, das bei Frauen viel weniger toleriert wird. Weder bei jungen Mädchen, noch bei Müttern oder klassischen Businessfrauen.
„Boys will be boys“ sagen sie, wenn sich Buben in der Schule prügeln oder ihre Wut laut kundtun. Mädchen hingegen müssen sich stets gesittet und nicht aggressiv verhalten. Ich gebe zu, dass ich meine eigene Wut absolut nicht zum Ausdruck bringen kann. Genauso ging es auch etlichen Frauen, die ich im Laufe meines Lebens kennengelernt habe. Diese Unterschiede bestehen garantiert nicht (nur) aufgrund eines divergierenden Testosteronlevels zwischen Männern und Frauen, sondern auch aufgrund ihrer Sozialisierung.
Die Ausdrucksweise von Harmange widerspricht meiner Vorstellung von friedlicher Auseinandersetzung. Allerdings erwecken radikale Ansätze immer Aufmerksamkeit. Wird einem Thema Aufmerksamkeit gewidmet, ist das der erste Schritt zur Besserung. Gerade das Thema Gleichberechtigung ist eine große Baustelle in unserer Gesellschaft. Als LeserIn dieses Buches sollte man jedenfalls nicht alles wortwörtlich nehmen und die „Hassreden“ mit Humor betrachten.
Credits: Shutterstock
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