Dass Schlaf für uns Menschen sehr bedeutend ist, ist Fakt. Es handelt sich um eine Tatsache, welche seit Jahren immer wieder von der Wissenschaft bestätigt wird. Schlafmangel führt unter anderem zu Leistungsabfall und Konzentrationsproblemen. Der Künstler Salvador Dali war sich der Bedeutung des Schlafes sehr bewusst. Schon 1948 beschrieb er in seinem Buch „50 Secrets of Magic Craftmansship“ seine etwas unkonventionelle Methode, mit der er seinen Verstand wie einen Computer neu starten konnte.
Dalis bizarre Methode: Ein Schlüssel, ein Teller und ein Nickerchen
Dalí selbst nannte diese Methode „slumber with a key“ (Anm. d. Red. „Nickerchen mit einem Schlüssel“) und eigentlich sagt der Name schon alles: Es ging darum, langsam in den Schlaf zu gleiten mit einem Schlüssel in der Hand. Doch warum genau tat er das?
In seinem Buch beschreibt Dali das Ganze etwas genauer, nämlich folgendermaßen: Zuerst muss man sich auf einen Sessel setzen, vorzugsweise einen im spanischen Stil. Wichtig ist laut Dali, vor allem, dass der Sessel hart und unbequem ist. Während man sitzt sollte man mit seiner linken Hand einen schweren Schlüssel zusammenpressen. Gleichzeitig sollte die eigene Hand mitsamt Schlüssel über einem Teller hängen. Wenn dies getan ist, kommt der bedeutende Teil: Der Dämmerschlaf. Man schließt die Augen und das Ziel ist es, sich dem Dämmerschlaf hinzugeben. In Dalis Worten: „Der Schlaf soll wie ein Tropfen Anisette im Zuckerwürfel in Ihrer Seele aufsteigen.“
Lippensofa im Teatre-Museu Dali in Figuere | © Pixabay; juliacasado1
Wenn man Dalis Anweisungen folgt und sich vom Schlaf übermannen lässt, wird früher oder später folgendes passieren: Der Schlüssel wird aus der Hand gleiten und auf den Teller fallen. Das Geräusch, das dabei entsteht, wird einen aus dem Dämmerzustand reißen und genau hier setzt Dali an: Der Dreh und Angelpunkt dieser bizarren Methode ist der flüchtige Moment zwischen dem Schlaf und Wachzustand eines Menschen.
Zwischen zwei Welten – Die Bedeutung der N1 (Non Rem)-Phase
In der Wissenschaft wird dieser flüchtige Moment N1 ( auch: „the hypnagogic stage“) oder auch Non Rem-Phase genannt. Viele bezeichnen diese Zeit auch als „den Cocktail der Kreativität“. Die N1 – Phase ist wirklich sehr flüchtig, alles in allem handelt es sich hier um wenige Minuten.
Von der ganzen Schlafdauer in einer Nacht beträgt N1 nur rund 5%. Was N1 so interessant macht, ist die Tatsache, dass der Mensch sich nicht mehr im Wachzustand befindet, der Verstand dennoch Sachen aus seiner Umgebung wahrnimmt und in seine Träume einbaut.
Studien und Experimente – Was sagt die Wissenschaft?
Das wirklich Interessante an Dalis These ist, dass Jahre nachdem er sie aufgestellt hatte, die Wissenschaft sie – zumindest zum Teil – bestätigte. Eine Studie vom 8.12.2021 tat folgendes:
Sie teilten die Versuchspersonen in 3 Gruppen: Personen, die wach blieben, Personen, die in N1 geweckt wurden, und Personen im Tiefschlaf/in der REM Phase.
REM steht für „Rapid Eye Movement“ und bezieht sich auf die Zeit, in der wir am intensivsten träumen. Das Gehirn verarbeitet in dieser Phase besonders viel und dies kann zu einem unruhigen Schlaf führen. Das Typische an dieser Phase sind die raschen Augenbewegungen, daher auch der Name „Rapid Eye Movement (REM)-Phase“.
Nach dem Nickerchen, sollten alle drei Gruppen bestimmte mathematische Aufgabenstellungen lösen.
Eindeutige Ergebnisse
Was dabei herauskam, war folgendes: Schon 15 Sekunden leichter Schlaf verdreifachten die Chancen der Problemlösung. Somit hatten die Versuchspersonen, die in N1 geweckt wurden, einen klaren „Vorteil“ gegenüber den Personen, die gar nicht geschlafen hatten.
Doch was war mit der Versuchsgruppe, die wirklich schlafen durfte, inklusive Tiefschlafphase und REM? Wenn schon 15 Sekunden Schlaf einen so enormen Einfluss haben, dann sollte die Gruppe, die ein richtiges Nickerchen (inklusive Tiefschlaf und REM) gemacht hatte, bedeutende Erfolge aufzeichnen, nicht?
Timing ist key: Gibt es den perfekten Moment aufzuwachen?
Hier kommt der wirklich spannende Part des Experiments: Die Personen, die in die Tiefschlafphase geglitten waren, „verloren“ die Vorteile, die N1 mit sich gebracht hatte, wieder.
Um das Experiment zusammenzufassen:
Menschen, die in der N1 Phase geweckt wurden, hatten eine 83% höhere Chance, die ihnen präsentierten Probleme zu lösen.
Die Gruppe, die gar nicht geschlafen hatte, verzeichnete eine Erfolgsquote von 30 %. Der einzige Unterschied zwischen dieser Gruppe und der Gruppe, die in N1 geweckt wurde, war EINE Minute Schlaf.
Und die Gruppe, die länger schlafen durfte, schnitt am schlechtesten ab. Was so viel heißt wie: Wenn man zu tief in den Schlag rutscht, geht der Effekt, den Dali beschrieben hat, wieder verloren. Folglich spielt der richtige Zeitpunkt beim Aufwachen eine ausschlaggebende Rolle.
Kann Schlafen wirklich Probleme lösen?
Diese Resultate und Erkenntnisse hatten nicht einmal die Forscher selbst erwartet. Es schien wirklich etwas an Dalis Behauptungen dran zu sein. Es gibt also eine klare Korrelation zwischen Schlaf und Problemlösung.
Schlafforscherin Delphine Oudette vom „Paris Brain“ – Institut sagte dazu folgendes:
„That’s a pretty massive result. We think, maybe in this phase, you have the best of the two worlds: sleep and wake. So you lose control of your thoughts. So you can have loose associations—make distant associations between different memories—and that could be helpful for creativity. But at the same time, you keep some awareness that might help you to recognize when you have a great idea.“
(Anm. d. Red. : Das ist ein ziemlich massives Ergebnis. Wir denken, vielleicht hat man in dieser Phase das beste aus beiden Welten: Schlaf und Wachzustand. ‚Man verliert die Kontrolle über die eigenen Gedanken. Man kann also lose Assoziationen haben – entfernte Assoziationen zwischen verschiedenen Erinnerungen herstellen – und das könnte für die Kreativität hilfreich sein. Aber gleichzeitig behält man ein gewisses Bewusstsein, das einem helfen könnte zu erkennen, wenn man eine großartige Idee hat.“)
Viele Forscher sind der Meinung, dass Menschen, die im kreativen Bereich tätig sind, dieser Methode auf jeden Fall eine Chance geben sollten. Oudette sagt abschließend folgendes dazu: „I try to sleep with a problem in my mind and let the images come to me and sometimes I have great ideas.“ (Anm. d. Red.: „Ich versuche mit einem Problem in meinen Hintergedanken schlafen zu gehen. Ich lasse die Bilder dann zu mir kommen und manchmal ergeben sich daraus großartige Ideen.“)
Oder in Dalis Worten: „This is very important because I work constantly in the moment of sleep. All of my best ideas come through my dreams.“ (Anm. d. Red. „Das ist sehr wichtig, denn ich arbeite dauernd im Moment des Schlafes. All meine besten Ideen stammen aus meinen Träumen.“)
Träumen kann jedoch auch suchterregend sein – hast du schon mal vom maladaptiven Tagträumen gehört?
Titelbild © Shutterstock
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