Surrealismus und Magie: Zwei Ausstellungen mit tiefen Einblicken in die „verzauberte Moderne“
Selten hat etwas in der Kunstszene für so viel Aufsehen gesorgt, wie der Surrealismus. Durchzogen von Widersprüchen und vor allem dank seiner Verbreitung in die unterschiedlichsten Sphären künstlerischen Schaffens, hat diese Strömung noch bis heute eine weitverbreitete Wirkung. Zwei Ausstellungen – eine in der Peggy Guggenheim Collection in Venedig, die andere im Museum Barberini in Potsdam – stellen abwechselnd fast ein Jahr lang das Interesse der Surrealisten an Magie, Mythos und Okkultismus in den Mittelpunkt. Noch nie dagewesen und daher umso empfehlenswerter.
Der Surrealismus
Mit seinem, im Oktober 1924 veröffentlichten Manifest des Surrealismus, begründete der französische Schriftsteller André Breton eine literarische, aber vor allem eine künstlerische Bewegung, die kurz darauf zur führenden internationalen Avantgarde wurde.
Im Zentrum des Surrealismus stand eine Neuorientierung hin zur Welt des Nachttraums, des Unbewussten und Irrationalen. Alles, was über dem Realen anzusiedeln war. Sur-real. Bekannteste Vertreter und Vertreterinnen dieser Strömung sind bis heute:
- Max Ernst (1891–1976)
- Joan Miró (1893–1983)
- René Magritte (1898–1967)
- Salvador Dalí (1904–1989)
- Yves Tanguy (1900–1955)
- Frida Kahlo (1907-1954)
Im Gegensatz zum Impressionismus und Expressionismus ging es den Surrealistinnen und Surrealisten jedoch nicht um eine gemeinsame Formensprache. Jede:r hatte, was das betrifft, seine und ihre eigenen Ansätze. Daher lässt sich aufgrund dieser geradezu radikal unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksweisen der Surrealismus als Kunstrichtung nur schwer unter nur einer Kategorie zusammenfassen. Dennjede Vertreterin und jeder Vertreter fanden im Laufe der Entwicklung eigene und höchst individuelle Mittel zur Selbsterforschung, die zu unterschiedlichsten Formen des Ausdrucks führten.
Daher wurde auch viel mit neuen Medien experimentiert. Und aufgrund der Offenheit der Surrealistinnen und Surrealisten dem Neuen und Unbekannten gegenüber, kam es auch oft zu Überschneidungen und gegenseitigen Inspirationen. Was alle Vertretenden des Surrealismus jedoch gemeinsam haben und was sie alle miteinander (irgendwo) verbindet, ist das Bestreben, sich von traditionellen Konventionen der Kunst zu lösen.
Surreales Abtauchen in die fantasievolle Welt der Magie
Was jedoch durchaus als neuere Erkenntnis angesehen werden darf, ist, dass zahlreiche Künstler:innen, die sich im geistigen Umkreis dieser über-realen Bewegung bewegten, auch in die fantasievolle Welt der Magie eintauchten. In ihren Arbeiten griffen sie daher häufig auf okkulte Symbolik zurück und pflegten das traditionelle Bild der Künstlerpersönlichkeit als Magier, Seher und Alchemist. (Klar ist diesem Ansatz ein Narzissmus daher nicht abzusprechen).
Die Ausstellung Surrealismus und Magie – Enchanted Modernity ist daher die erste große internationale Leihausstellung, die das Interesse der Surrealisten an Magie, Mythos und Okkultismus in den Mittelpunkt rückt. Sie reicht chronologisch von der „metaphysischen Malerei“ eines Giorgio de Chirico um 1915 über Max Ernsts ikonisches Gemälde „Die Einkleidung der Braut“ (1940) bis zu den okkulten Bildwelten, die dem Spätwerk von Leonora Carrington und Remedios Varo zugrunde liegen.

„Thirty-three Little Girls set out for the White Butterfly Hunt“, 1958 von Max Ernst Im Museum Thyssen-Bornemisza | © Shutterstock
Zwei aneinander anschließende Ausstellung der Peggy Guggenheim Collection, Venedig und des Museum Barberini, Potsdam, kuratiert von Grazina Subelyte (Venedig) und Daniel Zamani (Potsdam), zeigen vom 9. April bis 26. September 26, 2022 in Venedig und dann vom 22. Oktober bis 29. Januar 2023 in Potsdam, auf welch fruchtbaren Boden das Übernatürliche in Form des Magischen bei den Surrealisten und Surrealistinnen gefallen ist.
Empfehlenswertes Buch zu Ausstellung
Passend zur Ausstellung erscheint auch ein 240-seitiger Katalog (Prestel, 2022) mit zahlreichen Essays, die noch einmal verdeutlichen, wie eng verwoben das Magische, der Mythos und der Okkultismus mit der surrealistischen Kunstbewegung eigentlich ist. Wer sich also nicht im Museum davon überzeugen kann, dass die okkulte Symbolik das surrealistische Werk wie ein roter Faden durchzieht, der darf sich gerne auch von diesem wunderbaren Kunstbuch von der wohl bekanntesten Strömung der Moderne verzaubern lassen.
Für all jene, für die der Weg nach Venedig oder Potsdam zu weit ist, für die haben auch die Wiener Museen so einige Highlights zu bieten.
Titelbild © Shutterstock
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