Man kennt das Phänomen: Trotz Minusgraden und Eiseskälte sieht man immer wieder Frauen, die im Winter in kurzen Kleidern und offenen Schuhen das nächtliche Clublife aufmischen. Ein Forscher:innenteam hat nun herausgefunden, warum diese in ihren spärlichen Outfits nicht frieren.
As cold as ice as hot as fire
Frauen scheinen für gewöhnlich erheblich unter Kälte zu leiden. Mit dickem Schal, Wollsocken, Tee und Wärmefalsche bewaffnet sind sie dazu gezwungen, nahezu überall gegen ungünstig niedrige Temperaturen den Kampf aufzunehmen. Unter anderem auch in den Büroräumen ihres jeweiligen Arbeitsplatzes. In den USA der 1960er-Jahre wurde eine empfohlene Durchschnittstemperatur ermittelt, an denen sich Büros und deren Klimaanlagen heutzutage noch orientieren. Diese empfohlene Temperatur errechnete man jedoch anhand der Stoffwechselrate eines durchschnittlichen 40-jährigen Mannes von 70 Kilogramm Körpergewicht.
Man(n) aber vor allem Frau kann sich dabei denken, dass sich die Stoffwechselrate jüngerer Frauen davon erheblich unterscheidet. Büros mit dieser empfohlenen Temperatur sind, laut der Autorin Criado-Perez, für Frauen um fünf Grad zu kalt! Fazit: Frierende Frauen in den Büros – auch im Sommer.
Ganz anders verhält es sich jedoch im nächtlichen Partylife. Dort stehen einige Frauen trotz Minusgraden in knapper Bekleidung vor den Clubs herum und wärmen sich höchstens, so scheint es, an einer brennenden Zigarette. Doch dass diesen Frauen in ihrer spärlichen Bekleidung nicht kalt ist, liegt nicht so sehr an der Zigarette. Sondern es hat eine ganz andere Erklärung. Forscherinnen der University of South Florida haben herausgefunden, warum diese aufgetakelten Frauen tatsächlich nicht frieren, wenn sie knapp bekleidet sind.
Schönheitsideal schlägt Komfort
Die viel beachtete Studie rund um Roxanne Felig, Jamie L Goldenberg, Tomi-Ann Roberts und Co trägt den durchaus skurrilen Titel „When looking ‚hot‘ means not feeling cold: Evidence that self-objectification inhibits feelings of being cold“ (Auf Deutsch „ Wenn heiß‘ aussehen bedeutet, nicht zu frieren: Beweise, dass Selbstobjektivierung das Kältegefühl hemmt“). Und der Name ist hier auch schon Programm. Denn mit seinem Titel erklärt die Studie eigentlich auch schon, worum es sich bei diesem Phänomen genau handelt. Und zwar um einen „psychologischen Trick“, möchte man meinen.
Für diese Studie wurden 224 Frauen befragt, die in einer großen Stadt im Südosten der USA leben und in einem Stadtteil unterwegs waren, der für sein Nachtleben bekannt ist. Die Outfits der Teilnehmerinnen wurden dafür mittels verschiedener Variablen kodiert und in Relation zu ihren Antworten gesetzt.
Ergebnis der Studie
Ergebnis: “women low in self‐objectification showed a positive, intuitive, relationship between skin exposure and perceptions of coldness, but women more highly focused on their appearance did not feel colder when wearing less clothing. These findings offer support for the relationship between self‐objectification and awareness of bodily sensations in the context of a naturalistic setting.”
Bedeutet auf Deutsch so viel wie: Die Frauen, welche dem vorgeschriebenen Schönheitsideal mehr Bedeutung beimaßen, (Stichwort: Selbst-Objektivierung, aka: seine subjektiven Zustände objektivieren) sind so sehr mit ihrem Aussehen beschäftigt, dass Grundbedürfnisse nur noch von sekundärer Relevanz sind.
Das Schönheitsideal thront über allem
Obwohl die Studienergebnisse erst dieses Jahr veröffentlicht wurden, sind diese Erkenntnisse nicht neu. Wie auch die Forscherinnen selbst feststellen: „From corsets to shapewear, from foot binding to stilettos, standards for women’s appearance have prioritized beauty over comfort. Far from protesting these painful fashion trends, women themselves are often their most vehement supporters. Today, a prominent example of enduring discomfort for the sake of fashion is seen in cities around the world, where even on winter nights, many women expose more of their body than they cover when out for an evening of fun.”
Die “Schönheit” oder vermeintlich ästhetische Gründe haben im Leben von Frauen immer schon eine höhere Priorität genossen, als z.B. Komfort oder physische Grundbedürfnisse. Anstatt diesem ungesunden Trend zu trotzen, sind es jedoch gerade die Frauen selbst, die dieser ästhetischen Doktrin, diesem Schönheits-Dogma am untertänigsten ergeben sind. Und das so sehr, dass sie sich nicht einmal selbst mehr wirklich spüren. Denn obwohl sich diese aufgebrezelten Frauen nicht kalt „fühlen“, bedeutet das noch lange nicht, dass ihren Körpern nicht kalt ist.
Aufgetakelte Frauen nicht immun gegen Kälte!
Um keine falschen Schlüsse aus dieser Studie ziehen zu können, betonen die Wissenschaftlerinnen, dass diese aufgetakelten Frauen biologisch natürlich nicht immun gegen Kälte sind. Die Erklärung für dieses Phänomen ist, wie schon angesprochen, rein psychologischer Natur. Denn grundlegend für dieses geschwächte Kälteempfinden ist der Zustand der Selbstobjektivierung: „selfobjectification renders women less accurate at identifying their own bodies and bodily sensations.”
Diese Selbstobjektivierung macht es diesen Frauen schwerer, ihre eigenen Körper und körperlichen Empfindungen zu identifizieren, heißt es dort. Frauen, die sich in einem solchen Zustand der Objektivierung befinden, sind sich daher ihres Hungers und sogar ihres Herzschlags weniger bewusst, so die Studie in Verweis auf eine andere Publikation. „Similarly, in a heartbeat recognition task commonly used in body awareness research, where the number of heartbeats that participants report feeling is compared with the actual number of heartbeats recorded by an EKG, higher trait self-objectification is associated with less accurate heartbeat detection among women.”
Wer sich (mental) hot fühlt, dem wird (physisch) nicht cold
Es stellt sich jetzt natürlich die Frage, ob diese Ergebnisse auf ein generell reduziertes Bewusstsein (Selbstempfinden) oder auf eine Verweigerung von Kälteempfinden zurückzuführen sind. Doch klar ist und nicht mehr zu leugnen, dass in dieser Kultur, aber auch in unseren Körpern so einiges falsch zu laufen scheint. Vor allem wenn ein ungesundes Ideal eine solche Kraft besitzt, dass es sogar eine körperliche Empfindung negieren kann.
Der Glauben kann ja bekanntlich Berge versetzten. Obwohl wir soweit noch nicht sind, kann dennoch gesagt werden, dass die Ideologie mittlerweile durchaus in der Lage ist, unsere Körper zu besetzen. Und zwar so sehr, dass Grundbedürfnisse nicht nur verdrängt sind, sondern gar nicht mehr erst zum Vorschein kommen. Das alles nur aus dem Grund, weil der Mensch so sehr zum Objekt geworden ist, dass er und sie sich selbst nicht mehr spürt. „Willkommen im Zeitalter der Ideologie“, würde Weltstar-Philosoph Slavoj Žižek da wohl sagen.
Titelbild Credits: Shutterstock
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