Passend zu den kultur-soziologischen Phänomenen der letzten Zeit haben wir unsere cinephilen Fühler ausgestreckt und eine Filmliste mit #BlackLivesMatter-Schwerpunkt zusammengestellt. et voilà.
10. I Am Not Your Negro (USA 2017)
Raoul Pecks dokumentarischer Essay aus dem Jahre 2016 ist eine Hommage an den schwarzen Bürgerrechtler und Autor James Baldwin (1924-1987); dessen unvollendetes Manuskript Remember This House, gesprochen von Schauspielerlegende Samuel L. Jackson, bildet die Grundlage für Pecks filmische Collage aus Ausschnitten der Medienberichterstattung vor allem der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in der er dem weißen Rassismus in der amerikansichen Gesellschaft nachspürt.
I am Not Your Negro ist neben Dokumentatio zugleich auch die Biografie des Autors James Baldwin, der eine Geschichte der Rassendiskriminierung anhand der Lebensgeschichten von drei Freunden aus der Bürgerrechtsbewegung erzählt. Bei den Freunden handelt es sich um den 1963 ermordeten Menschenrechtsanwalt Medgar Evers, den 1965 ermordeten Malcolm X und den 1968 ermordeten Baptistenpfarrer und Bürgerrechtler Martin Luther King jr.
Fazit: Peck hat schon einige pointierte Filme über race relations und das gewaltsame Erbe von Sklaverei und Kolonialismus gedreht. Doch mit „I Am Not Your Negro“ erreicht er eine noch nicht dagewesene Wucht.
9. Just Mercy (USA 2019)
Destin Daniel Crettons packender Justizfilm nach einer wahren Geschichte: Der afroamerikansiche Anwalt Bryan Stevenson (Michael B. Jordan), dem nach seinem Abschluss in Harvard eigentlich alle Türen offen stehen, zieht in den 90ern nach Alabama, um Todeskandidaten wie den unschuldigen Walter McMillian (Kamie Foxx) zu verteidigen, der für einen Mord an einem 18-jährigen Mädchen zum Tode verurteilt wurde – allerdings auf Grundlage einer einzigen Zeugenaussage. Zudem weist die Geschichte des angeblichen Tathergangs Ungereimtheiten auf. Auch die Tatsache, dass Johnny den Tag des Mordes mit seiner Familie verbracht hat, was 20 Personen bezeugen können, wurde bei seinem Urteil ignoriert. Stevenson versucht, diesen Fall wieder aufzurollen. Wie die Sache ausgeht, das erfahrt ihr mal lieber selbst.
Kurz vor dem Lockdown war dieses Juwel noch im Kino zu sehen. In den USA stellt Warner den Film aktuell kostenlos zur Verfügung. Bei uns kann man ihn auf Amazon oder Sky ausleihen.
8. Detroit (USA 2017)
Oscar-Preisträgerin Kathryn Bigelow (Erste Frau mit Regieoscar, 2010 für The Hurt Locker) legte 2017 mit dem rohen True-Crime-Drama Detroit ein aufwühlendes, wütendes und rohes Werk vor, einen zutiefst packenden Film der furchtlos auf ein unbewältigtes Problem der US-Gesellschaft blickt: den institutionellen Rassismus der Staatsmacht.
Detroit erzählt von einem der größten Bürgerrechtsaufstände nach einer blutigen Polizeirazzia und den verheerenden Vorfällen im Algiers Motel 1967. Eine filmische Anklage gegen den tief im System verwurzelten Rassismus der USA. Auszuleihen u.a. auf iTunes oder Amazon.
7. What You Gonna Do When the World’s on Fire? (ITA 2018)
2017 nahm die Zahl der rassistischen Törungsdelikte in den USA sprunghaft zu. Der italienische Regisseur Roberto Minervini begleitet in dieser fesselnden Dokumentation – von dem Anstieg dieser Vorfälle angeregt, natürich – die Menschen der schwarzen Community im Süden der USA.
Minervini hört zu, schaut hin. Ohne Kommentare zeigt er ihren Alltag. Ganz interessant ist bestimmt der europäische Blick von außen auf dieses, die USA beherrschende Phänomen. Doch ist Rassismus natürlich nicht nur in den USA ein Thema, sondern auch bei uns (mehr dazu lest ihr HIER!).
Ein stilles kleines Meisterwerk, ein mit dem Fair Play Cinema Award und dem UNICEF Award ausgezeichnetes Dokumentarfilmjuwel.
6. Malcolm X (USA 1992)
„No justice, no peace„ („Keine Gerechtigkeit, kein Frieden“): Schilder und Banners mit diesem Satz sind bei den gegenwärtigen Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt immer wieder zu sehen. Dieser Slogan stammt vom Aktivisten Malcolm X bekannt für einige solcher einprägsamen Formulieren und Sprüche wie z.B.: „There’s a time to be cool and a time to be hot.“
Knappe vier Jahrzehnte währte X‘ äußerst kurvenreicher Lebensweg. 1925 in Omaha, Nebraska, mit dem Familiennamen Little geboren, wurde er als junger Mann zum Berufskriminellen. Im Gefängnis (1946 bis 1952) wandelte er sich zum Anhänger der Nation of Islam, einer Sekte, die sich als muslimisch verstand, mit dem Islam aber nicht viel gemein hatte. Ihre Ideologie enthält eine religiöse Schöpfungsgeschichte, die nach einem eigenen Staat für amerikanische Schwarze verlangte.
Little nannte sich später Malcolm X und stieg in der Nation of Islam immer weiter auf – bis er mit ihr brach. Nach einer Reise nach Mekka und in andere afrikanische Länder, (die damals an einer antikolonialistischen, antiimperialistischen Bewegung teilnahmen) tendierte X dann zum Marxismus-Leninismus. Eine sehr facettenreiche Figur, nicht nur einer Schwarzen- sondern vor allem einer Weltgeschichte. Um diesen faszinierenden Menschen kennenzulernen empfehlen wir Spike Lees Meisterwerk Malcolm X. (Anmerkung: 201 Minuten lang)
5. The 13th (USA 2017)
Diese packende und beklemmende Doku von Ava DuVernays ist nach dem 13. Zusatzartikel zur US-Verfassung betitelt – dieser schaffte die Sklaverei und Zwansarbeit mit Ausnahme für Straftäter auf dem gesamten Gebiet der Vereinigten Staaten endgültig ab und trat am 18. Dezember 1865 in Kraft. So viel dazu.
The 13th erzählt jedoch die Geschichte der staatlichen Ungleichbehandlung von Schwarzen und zeigt, wie der Strafvollzug das System der Sklaverei fortzusetzen pflegt. Eine zutiefst aufwühlende Dokumenation.
Wo wir gerade bei der Filmregisseurin Ava DuVernays sind, auch empfehlenswert ist ihre vierteilige Miniserie When They See Us (2019) über fünf schwarze Jugendliche, die „Central Park Five“, die für eine Vergewaltigung eingesperrt wurden, die sie nicht begangen haben.
4. Remember the Titans (USA 2000)
Remember the Titans („Gegen jede Regel“) ist eigentlich ein Sportfilm. Doch es kommt noch dicker: ein Sportfilm produziert von Walt Disney und Jerry „Pirates of the Carribean und Transformers“ Bruckheimer. ABER! er basiert auf der wahren Geschichte von Herman Boone, und behandelt den Rassismus der 1970er-Jahre in den Südstaaten der USA.
Die Story ist recht simple (aber so ist oft auch das Leben): Aus politischen Gründen werden zwei Highschools zusammengelegt. Auf einmal müssen sich die schwarze Footballmannschaft unter Coach Boone und das weiße Team von Coach Yoast miteinander arrangieren. Dank eines Trainingscamps unter der strengen Hand Boones finden die Jungen schließlich zueinander. Doch schnell müssen sie feststellen, dass die eigentliche Bewährungsprobe noch auf sie wartet: In der harten Realität außerhalb des Camps werden sie wieder mit Rassismus konfrontiert.
Ein netter Film mit positiver Message. Der Titelsong Ain’t No Mountain High Enough kommt von Marvin Gaye und Tammi Terrell.
3. BlacKkKlansman (USA 2018)
Der junge Afroamerikaner Ron Stallworth beginnt Anfang der 1970er Jahre als erster dunkelhäutiger Kriminalbeamter bei der Polizei von Colorado Springs. Nach einer kurzen Zeit im Innendienst wird er auf eigene Initiative als verdeckter Ermittler gegen die Black-Power-Bewegung eingesetzt. Nachdem Stallworth sich jedoch bei der Ortsgruppe des KKK telefonisch als extremistischer Rassist ausgegeben und das Angebot einer Mitgliedschaft im Klan erhalten hat, kann er seinen Vorgesetzten dazu bewegen, gegen den Ku-Klux-Klan zu ermitteln.
Von nun an bildet er ein Team mit seinem weißen, jüdischen Kollegen Flip (großartig! Adam Driver), der eben in der Rolle von Stallworth als Weißer zu den persönlichen Treffen geht, während Stallworth im Hintergrund bleibt und per Telefon den Kontakt zum Klan hält und durch seine Eloquenz stärkt.
Spike Lee, der bereits in seinen früheren Werken wie Malcolm X immer wieder Rassismus gegenüber Afro-Amerikanern anprangert, inszeniert BlacKkKlansman gekonnt als überzeichnete, groteske Satire, wobei die Parallelen zur heutigen US-Politik und zu gesellschaftlichen Missständen erschreckend deutlich zu Tage treten. Anmerkung: Auch dieser Film basiert auf wahren Ereignissen!
2. Dear White People (USA seit 2017)
Justin Simies Comedy Drama aus dem Jahr 2014, mündete 2017 in eine Netflix-Serie die es in sich hat. Diese erzählt von Konflikten zwischen weißen und schwarzen Studenten und Studentinnen an einem fiktiven Ivy-League College und dem Rassismus, der dort tobt. Bis auf jeweils eine Staffelfolge konzentriert sich jede Episode auf einen bestimmten Schüler/ Schülerin und deren (Schul)Alltag. Provozierend und durchaus intelligent geschrieben.
Kontroversenalarm: Der Trailer zur Serie hat zu einer hohen Zahl an verstimmten Reaktionen geführt; auf etlichen Twitterkanälen wurde der Serie Rasissmus gegenüber Weißen vorgeworfen und zum Boycott von Netflix aufgerufen. Am besten ist es sich selsbt davon zu überzeugen, was Sache ist.
1. Do the Right Things (USA 1989)
Und noch einmal Spike Lee. Niemand klagt Rassismus so wuchtig, gekonnt und konsequent an wie er. Sein Debütfilm Do the Right Thing aus dem Jahre 1989 ist ein furios inszeniertes Meisterwerk, das sich langsam zu einer beklemmenden, verstörenden Studie der Gewalt entwickelt.
Do The Right Thing besitzt die treibende Dynamik eines ‚Public Enemy‘-Tracks, – by the way auch stille Hymne dieses Films – ist aufregend und abwechslungsreich und laut Experten „vielleicht der intelligenteste, ehrlichste und stylischste Film zum Thema Rassismus, der bisher gedreht wurde.“ Do The Right Thing ist irgendwie alles auf einmal, dokumentarisch, satirisch, politisch; der Film bezirzt uns mit einer Art wohl vertrautem Gemeindebauflair auf stylistisch extrem hohem Niveau.
Spike Lee selbst bezeichnete diesen Film als Apartheidsfilm über die USA. „Dass die schönen Worte vom freien Amerika, das Platz für jede Hautfarbe hat, nie mehr als verlogene Phrasen waren, müsste jedem klar sein. Am Ende meines Films reichen sich die Leute nicht die Hände, um diesen We are the World-Mist zu singen.“, so der Regisseur selbst. „Ich möchte, dass der Zuschauer am Ende des Films ein Gefühl des Horrors hat. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir über diese Probleme reden und uns ihnen stellen müssen. Wenn das nicht geschieht, wird es nur schlimmer.“ Fazit: mit diesem Film hat Spike Lee alles richtig gemacht!
Titelbild Credits: Shutterstock
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