Long Covid oder Post Covid tritt bei einigen Menschen nach einer überstandenen Covid-Erkrankung auf. Und auch wenn die Pandemie offiziell für beendet erklärt wurde und damit die Marktinteressen wieder an erster Stelle über dem Gesundheitsschutz stehen, ist sie für viele noch lange nicht vorbei.
Denn zahlreiche Menschen haben nach ihrer überstandenen Erkrankung immer noch mit Symptomen zu kämpfen. Und es kommen täglich neue hinzu. Teilweise haben diese Folgeerkrankungen der Covid Infektion für die Betroffenen fatale Folgen bis hin zur Arbeitsunfähigkeit. Wir bei WARDA wollten daher von einer betroffenen Person aus erster Hand erfahren, wie sich dieser Horror eigentlich anfühlt.
So haben wir uns auf die Suche nach einer Person begeben, die eine diagnostizierte Post Covid oder Long Covid Erkrankung vorzuweisen hat und dazu noch Lust, mit uns ein bisschen zu plaudern.
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Aus gegebenem Anlass und zum Schutz der Identität der Person nennen wir sie an dieser Stelle Karin. Von ihr wollten wir erfahren, wie sie in ihrem Alltag mit den Post Covid Symptomen zurechtkommt. Karins Diagnose und ärztliche Atteste liegen der Redaktion vor.
Karin: „Mir wurde der Boden unter den Füßen weggerissen.“
Karin ist Mitte 30 und hat selbst im Sozialbereich gearbeitet. Leider kann sie das im Moment nicht tun, da sie sich aufgrund ihrer Symptomatik in einem Langzeitkrankenstand ohne Ausweg befindet. Bei unserem ersten Informations- und Kennenlerngespräch erzählt mir Karin, dass es sich für sie angefühlt hat, als würde ihr der Boden unter den Füßen weggerissen werden.
Was für sie als Mutter besonders schwer war. Denn gerade in dieser Lebenssituation sind der Druck und die Belastung für junge Frauen, Familie, Arbeit und Alltag unter einen Hut zu bekommen, besonders groß. Umso härter trifft sie oftmals das fehlende Verständnis, das ihr von der Gesellschaft und sogar manchmal von eigenen Familienmitgliedern entgegenschlägt. Das Schlimmste für sie war zu Beginn die Ungewissheit, wann sie wieder zu Kräften kommt.
Seitdem sie ihre Diagnose hat, weiß sie wenigstens Bescheid. Aber sie erzählt mir, dass es dennoch jeden Tag ein Kampf ist, den Mut nicht zu verlieren und auf eine medizinische Lösung für ihre gesundheitlichen Probleme zu hoffen. Nach einem kurzen Kennenlernen zeige ich Karin meine vorbereiteten Fragen, um sie mit ihr zu besprechen.
Denn wir unterhalten uns hier über ein sehr privates und hochsensibles Thema, wo es um die Gesundheit geht. Karin ist aber ziemlich cool. Sie möchte teilweise harte Fragen haben, um Zweifler*innen und denen, die ihr versuchen, ihre Krankheit abzusprechen, ihre Sicht der Dinge darzulegen.
Long Covid vs. Post Covid
Aber bevor wir mit dem Interview einsteigen: Was ist eigentlich der genaue Unterschied zwischen Long Covid und Post Covid? Die online Plattform „Gemeinsamgeimpft“ eine Initiative der österreichischen Bundesregierung hat dafür die wissenschaftliche Erläuterung online parat gestellt.
Hier erleutert Martin Moder von den Science Busters in gewohnt wissenschaftlicher, sachlicher, aber ebenso unterhaltsamer Manier die Unterschiede zwischen Long Covid und Post Covid.
Betroffene Post Covid Patientin im Gespräch
Liebe Karin*, steigen wir gleich mit einer brisanten Frage ein, bevor wir zu dem Medizinischen kommen. Wie viele Menschen aus deinem Umfeld glauben dir deine Diagnose? Bist du schon Zweifler*innen begegnet und hat sich das im Laufe der Zeit an den Vorurteilen etwas geändert?
Karin: Anfangs gab es schon einige in meinem Umfeld, die meine Diagnose anzweifelten. Manche dachten, ich übertreibe oder bilde mir die ganze Sache nur ein. Es war frustrierend, auf Zweifler zu stoßen, während ich selbst mit den Symptomen kämpfte. Da gab es 2–3 Personen. Zwei davon sind zur Vernunft gekommen und zu der Dritten habe ich keinen Kontakt mehr. (Lacht)
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Denn das hat mich oft zusätzlich Kraft gekostet, die ich an anderer Stelle gebraucht hätte. Aber im Laufe der Zeit ist es besser geworden. Je länger meine Symptome anhielten und je mehr darüber bekannt wurde, desto mehr Menschen haben meine Diagnose akzeptiert. Sie haben gesehen, dass meine Beschwerden real sind und Post Covid kein Hirngespinst ist.
Einige haben möglicherweise einfach Zeit gebraucht, um sich an den Gedanken zu gewöhnen und die Ernsthaftigkeit der Situation zu begreifen. Es erfordert Geduld, um Verständnis zu schaffen. Ich habe versucht, ihnen so gut wie möglich zu erklären, was Post Covid ist und wie es mein Leben gerade beeinflusst. Im Laufe der Zeit haben sich aber immer mehr Menschen in meinem Umfeld hinter mich gestellt.
Wie fühlt es sich an?
Und wie fühlt sich das Ganze an? Man hat in den Medien schon viel darüber gehört. Kannst du aber vielleicht unseren Leser*innen noch mal aus erster Hand erläutern, wie sich deine Post Covid Symptome genau anfühlen?
Karin: Post Covid Symptome sind wie eine verrückte Mischung aus einem Geisterhaus und einem Hindernisparcours. Es ist wie ein ständiges Spiel der Überraschungen, bei dem man nie weiß, was als Nächstes auf einen zukommt, während man versucht, genug Kraft für die nächste Hürde zu sammeln. Manchmal fühle ich mich, als wäre ich eine wandelnde Achterbahnattraktion.
Erschöpfung ist mein ständiger Begleiter. Die Ärzte nennen, das ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue-Syndrom). Ich fühle mich, als hätte jemand meine Batterien herausgenommen und durch leere ersetzt. Einfachste Aufgaben wie das Erledigen von Alltagsaufgaben oder das Treppensteigen können zur wahren Herausforderung werden. Es ist, als hätte jemand den Energiesparmodus meines Körpers auf Dauerbetrieb gestellt.
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Und dann sind da noch die schmerzhaften Muskel- und Gelenkschmerzen. Mein Körper schmerzt an Stellen, von denen ich nicht einmal wusste, dass sie existieren. Der Gehirnnebel ist dabei ständig präsent. Als würde mich eine Nebelwand begleiten, in der meine Gedanken verloren gehen. Konzentrationsschwierigkeiten und Gedächtnisprobleme stehen auch an der Tagesordnung.
An manchen Tagen ist es eine wahre Herausforderung, den Faden in Gesprächen nicht zu verlieren. Und dann gibt es noch die unberechenbaren Symptome, die kommen und gehen, wie sie wollen. Übelkeit, Schwindel, Herzrasen, Kurzatmigkeit, Fieber – sie können plötzlich auftauchen und mein Leben komplett auf den Kopf stellen.
Post Covid Symptome im Alltag
Und wie wirken sich die Symptome und die Erkrankung allgemein auf deinen Alltag und dein Leben aus?
Karin: Die Symptome beeinflussen fast jeden Aspekt meines Lebens. Einfache Aufgaben wie Einkaufen oder Haushaltsarbeiten kann ich nur mit zahlreichen Pausen erledigen. Dabei komme ich sehr schnell außer Atmen. An manchen Tagen geht auch gar nichts. Manchmal muss ich meine Kräfte gut einteilen und Prioritäten setzen, um nicht komplett auszubrennen.
Mein Sozialleben hat auch einen ordentlichen Schlag abbekommen. Ich vermisse es, das Leben zu genießen. Manchmal fühle ich mich isoliert und frustriert, weil ich nicht die Energie habe, um an sozialen Aktivitäten teilzunehmen. Ich versuche mich darauf zu konzentrieren, meine Energie so gut es geht für mein Kind zu bündeln. Zum Glück stehen mir hier die engere Familie und mein Mann sehr zur Seite. Sonst wüsste ich wirklich nicht, wie das gehen sollte.
Die Arbeit ist ebenfalls betroffen. Ich bin in einem Langzeitkrankenstand und beziehe mittlerweile nur noch Krankengeld. Bei den gestiegenen Lebenshaltungskosten ist das eine zusätzliche Belastung.
Wie hat es angefangen?
Wie hast du gemerkt, dass du Post Covid hast? Wie hat das Ganze begonnen?
Karin: Zunächst einmal fiel mir nach meiner ausgestandenen Covid Erkrankung auf, dass meine Energie einfach nicht zurückkehrte. Ich fühlte mich immer müde, kurzatmig und erschöpft, egal wie viel Ruhe und Schlaf ich bekam. Mein Körper war wie eine leere Batterie, die sich einfach nicht aufladen wollte. Da ich selbst im Sozialbereich arbeite, schob ich es zunächst auf den Job. Ich dachte, das wären Stressreaktionen und mein Körper würde einfach noch etwas brauchen.
Dann kamen mysteriöse Symptome ins Spiel. Ich hatte Konzentrationsschwierigkeiten. Und begann, seltsame Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und Gelenkschmerzen zu bekommen, die einfach nicht weggingen. Danach brach mein Immunsystem komplett ein. Mein Körper fühlte sich an, als wäre ich einen Marathon gelaufen, obwohl ich gerade erst aus dem Haus gegangen war.
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Das war für mich definitiv ein Hinweis darauf, dass etwas ernsthaft nicht stimmte. Wie gesagt, ich dachte zu Beginn an den Job und ein Burn-out oder Long Covid in Form von etwas länger anhaltenden Covid Symptomen. Aber meine Symptome gingen auch mit der Zeit nicht weg und passten nicht ganz zu einem Burn-out. Denn da gab es noch eine Palette weiterer Anzeichen, die ich mir definitiv nicht einbildete. Wie zum Beispiel Fieberschübe.
Aber der Moment, in dem ich wirklich realisierte, dass ich Post Covid hatte, war erst, als ich die Diagnose von meiner Neurologin bekam. Davor wurden zahlreiche Untersuchungen gemacht, bei denen alle möglichen anderen Ursachen diagnostisch ausgeschlossen wurden. Zuerst war ich erleichtert, aber dann kam die Erkenntnis, dass das erst mal so bleiben wird.
Erfahrung bei den Ärzten mit Post Covid Symptomen
Du hast gerade erwähnt, dass du dir irgendwann medizinische Hilfe gesucht hast. Man liest immer wieder über negative Erfahrungsberichte von Long oder Post Covid Betroffenen. Wobei ihnen Ärzte schlichtweg ihre Symptome nicht glauben. Ein Phänomen, das bei Minderheiten und Frauen gehäufter bei Behandlungen auftritt. Wie waren deine Erfahrungen und hast du mittlerweile Ärzte gefunden, denen du vertraust?
Karin: Ich möchte niemanden schlechtreden. Aber ich müsste lügen, wenn ich sage, dass mir von Anfang an geglaubt wurde. Sagen wir es mal so: Zuerst wurde an mir und dann an meinen Symptomen gezweifelt. Aber ich habe mittlerweile tolle Ärzte gefunden, denen ich hundertprozentig vertraue. Es war eine Herausforderung auf mehreren Ebenen.
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Ich glaube aber, da die Anzahl der Post Covid Patient*innen, je länger der Virus um uns herumschwirrt, ständig größer wird — und das tut er ja nach wie vor, auch wenn aus offizieller Seite das Ganze für beendet erklärt wurde. So steigt auch hoffentlich das Interesse eine Lösung für die Betroffenen zu finden, da diese Gruppe ja auch immer weiter anwächst.
Es haben sich in der Zwischenzeit zahlreiche Gruppen gebildet, wo Betroffene sich selbst und anderen helfen. Und es gibt auch immer mehr Ärzte, die sich ernsthaft mit der Erkrankung auseinandersetzten. Das ist zumindest mein Gefühl.
Medikamente und Therapieansätze
Wie sieht es mit Therapieansätzen aus? Hast du da schon etwas gefunden oder besser gesagt wurde dir da schon etwas verschrieben, das deinen Zustand verbessert?
Karin: Die kurze Antwort: Nicht wirklich! Ich hatte aber das Glück, eine auf Post Covid spezialisierte Ärztin zu finden, die meine Situation ernst nahm und mir verschiedene Behandlungsansätze durchprobiert. Ich musste eine Reha machen, da war es aber sehr schwierig einen passenden Platz zu finden.
Denn einerseits sind die Plätze knapp. Andererseits braucht man da besondere Angebote. Da eine normale Aufbau-Reha für Patient*innen wie mich nicht infrage kommt. Denn man baut teilweise durch die Belastung zusätzlich ab.
Die Reha hat gerade bei den Gelenks- und Muskelschmerzen etwas geholfen. Aber leider habe ich die nach wie vor. Darüber hinaus habe ich bestimmte Medikamente verschrieben bekommen, um spezifische Symptome anzugehen.
Das geht es um Präparate, die bei ähnlichen Symptomen anderer Krankheitsbilder in der Vergangenheit bei Patienten erfolgt gezeigt haben. Zum Beispiel halfen mir manche Schmerzmittel, um mit den Muskelschmerzen und Kopfschmerzen umzugehen, während ich andere Medikamente zur Unterstützung meines Immunsystems bekomme.
Eine weitere wichtige Komponente meiner Therapie ist auch die psychische Unterstützung. Post Covid kann nicht nur körperliche, sondern auch psychische Auswirkungen haben. Dazu kam noch die extrem belastende Zeit, bevor ich meine Diagnose hatte. Es war eine große Hilfe, um meine mentale Gesundheit zu stärken und Strategien zur Bewältigung meiner Situation zu entwickeln.
Umgang mit Post Covid Zweiflern
Was sagst du den Menschen, die grundsätzlich an deiner Wahrnehmung zweifeln und dreist behaupten, dass du oder andere Betroffene von Long /Post Covid lügen?
Karin: Das ist dermaßen ignorant, dass mir manchmal einfach die Sprache fehlt. Ich weiß gar nicht, wie man auf die Idee kommt, obwohl man von etwas nicht selbst betroffen ist und keine Ahnung hat, Betroffene dermaßen abzuwerten und als Lügner zu bezeichnen.
Ich glaube, den Menschen ist teilweise nicht bewusst, was sie damit auslösen können. Grundsätzlich kann ich nicht nachvollziehen, warum man auf kranke Personen losgeht. Jeder, der das Ganze gut überstanden hat, soll sich an seiner Gesundheit erfreuen. Betroffene sollte man hingegen einfach mit seiner Meinung in Ruhe lassen.
Wie geht es weiter?
Abschließend würde ich gerne noch wissen: Was wünschst du dir am meisten im Zusammenhang mit deiner Post Covid Diagnose für die Zukunft?
Karin: Einfach nur, dass es besser wird. Dass es endlich aufhört! Ich hätte so gerne mein altes Leben zurück. Und ich hoffe, dass ich davon vielleicht in Zukunft stückweise was zurückbekommen kann. Vor allem, um für mein Kind da sein zu können.
Ein paar schöne Worte. Wir wünschen dir natürlich weiterhin gute Besserung. Und hoffen, dass mögliche neue Therapieansätze dir helfen können, ein Stück Normalität zurückzuerlangen. Falls ihr oder jemand euerer liebsten von Long oder Post Covid betroffen seid, könnt ihr hier weitere Informationen erhalten.
Titelbild © Shutterstock
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