LSD-Derivate für alle? Statt eines Kommas wurde im Neue–psychoaktive–Substanzen–Gesetz bei unseren deutschen Nachbarn versehentlich ein Bindestrich verwendet. Diese Ungenauigkeit könnte für Händler*innen und Konsument*innen von LSD–ähnlichen Substanzen von Vorteil sein.
Panne bei Überarbeitung
Seit einigen Jahren liefern sich Anbieter*innen von LSD-Derivaten, Konsument*innen und Behörden ein Katz–und–Maus–Spiel. Die einen verbieten, die anderen tricksen sie mit ihren Chemiebaukästen aus. Sobald eine LSD–ähnliche chemische Verbindung verboten wird, bieten Online–Shops bereits eine neue Variante oder sogenannte Pro–Drugs von LSD an.
Kürzlich wurde nun bekannt, dass Beamten des Bundesgesundheitsministeriums bei der letzten Überarbeitung eines Gesetzes möglicherweise ein Fehler mit weitreichenden Folgen unterlaufen ist. Durch eine ungenaue Interpunktion könnte es sein, dass bereits verbotene LSD-Derivate wieder legalisiert wurden. Doch was heißt das jetzt genau für LSD–Enthusiast*innen und Onlinehändler*innen in Deutschland? Ist das Zeug jetzt legal oder nicht?
Legales LSD & Pro–Drugs: die Büchse der Pandora?
Eine Pro–Drug ist eine Substanz, die erst im Körper durch Stoffwechselprozesse aktiv wird. Das bedeutet, die Substanz kann erst nach der Metabolisierung ihren Rausch entfalten. Im Falle von LSD-Derivaten werden der chemischen Grundstruktur von LSD im Labor wirkungsarme Stoffgruppen wie Ethyl–, Methyl– oder Alkylcarbonyl–Gruppen hinzugefügt. Man schummelt also einfach etwas an der Struktur herum, um dem Gesetz zu entgehen. Es gibt einige Labore, die sich in der Szene im Laufe der Jahre einen Namen gemacht haben. Eines, auf das man dabei immer wieder trifft, ist das niederländische Labor Lizard Labs. Ihre Produkte haben für manche Anwender*innen anscheinend bereits Kultstatus erreicht.
Die angehängten Stoffgruppen verändern die chemische Struktur von LSD derartig, dass die Substanz nicht mehr unter das Betäubungsmittelgesetz fällt und somit legal verkauft werden kann. Gleichzeitig werden diese zusätzlichen Stoffgruppen im Körper als Erstes abgespalten, wenn die Substanz konsumiert wird. So im bestenfalls in der Theorie. Zurück sollte dann nur noch das LSD bleiben.
Ob die Wirkung dieselbe ist, weiß man nicht genau, da zu diesen sogenannten Research Chemicals in der Regel keine wissenschaftlichen oder toxikologischen Daten vorliegen. Dafür sind die Substanzen einfach zu neu. Und unterscheiden sich je nach den angehängten Stoffgruppen. Das birgt vordergründig ein Risiko im Hinblick auf fehlende Forschungsdaten rund um die Derivate für Konsument*innen.
Anders als bei LSD, das bereits seit 1938 bekannt ist und über Jahrzehnte in zahlreichen Studien erforscht wurde, hat man neue Research Chemicals weder hinsichtlich ihrer Wirkung noch hinsichtlich möglicher unerwünschter Nebenwirkungen wissenschaftlich untersucht. Wenn man sie konsumiert, macht man sich also selbst auch immer ein Stück weit zum Testobjekt. Ein Selbstverständnis, das viele Psychonauten durch ihre Neugier auf neue Substanzen an den Tag legen.
Wettlauf zwischen Gesetzgeber und Produzenten
Das Geschäft mit dem Vertrieb von LSD-Derivaten spielt bei unseren deutschen Nachbarn eine bedeutendere Rolle als bei uns im kleinen Österreich. Bestellt wird bei uns im privaten Bereich professionell vertrieben aber kaum. Ungefähr im Jahr 2015 nahm, anfänglich durch das Darknet befeuert, der Handel mit synthetischen Ersatzdrogen und Pro–Drugs so wie LSD-Derivaten an Fahrt auf. Eine der ersten Stoffgruppen, die dazu bei unseren deutschen Nachbarn im großen Stil angeboten wurde, war 1P–LSD. Dahinter steckte der Online-Shop 1plsd.de. Doch die Party dauerte nicht lange.
Denn ein Jahr später wurde bereits das Betäubungsmittelgesetz um das Neue–psychoaktive–Stoffe–Gesetz ergänzt. Der Plan der Gesetzgeber dahinter zielte auf die Produzenten von psychoaktiven synthetischen Derivaten. Mit der neuen Handhabung durch die Gesetzeslage war es nun möglich, gesamte Stoffgruppen zu verbieten. Man musste nicht mehr in Sisyphusarbeit jeder einzelnen Verbindung allein nachjagen.
Doch sollte es noch ganze drei Jahre dauern, bis 1P–LSD verboten wurde. Dies geschah 2019. Ihr könnt euch denken, dass Produzenten und Händler aber schon vorausgedacht hatten. Denn dass ein Verbot kommt, war offensichtlich. Und so kam es, dass sobald 1P–LSD verboten wurde, die Lieferanten für den Markt schon eine neue Verbindung zur Verfügung hatten. Und zwar das 1CP–LSD dem wir uns hier im Selbsttest stellen wollten. Der Gesetzgeber hatten für die Produzent*innen die Spielregeln verschärft, jedoch nicht das ganze Spiel für sich entscheiden können.
Nach 1CP–LSD folgte 1V–LSD
Die Realität sieht folgendermaßen aus: Die Politik hinkt den Herstellern ständig hinterher. Denn die Chemie bietet schier endlose Möglichkeiten, um strukturelle Veränderungen zu ergänzen. Und so folgte nach dem Verbot von 1CP–LSD der Umstieg für die Produzenten auf 1V–LSD.
Das Bundesgesundheitsministerium unter Karl Lauterbach wollte nun mit einer Änderung des NpSG im Oktober 2022 die Lücke schließen und das neue LSD-Derivat verbieten. An der Stelle wird es indessen pikant, denn hier beginnt die Kontroverse um den Fehler im Gesetzestext.
Die ersten Berichte rund um das Thema fanden sich im Legal Tribune online, daraufhin hat Vice die Sache aufgegriffen, anschließend verbreitete es sich wie ein mediales Lauffeuer. Legal Tribune berichtete darüber, dass der Strafrechtler und Kriminologe der Uni Heidelberg, Sebastian Sobota, auf den Fehler des Gesundheitsministeriums aufmerksam wurde.
Es geht dabei um einen winzig kleinen Fehler, jedoch kommt es in der Chemie eben oft auf Kleinigkeiten an. Hier wurde nämlich beim Absatz 5. 2.a) des Gesetzes ein Bindestrich statt eines Kommas eingefügt. Dieser Fehler hat laut dem Kriminologen zur Folge, dass seit Oktober 2022 LSD-Derivate legalisiert wurden, die bereits verboten waren. Darunter auch das 1V–LSD welches man mit dem Nachschärfen eigentlich aus dem Weg räumen wollte.
Bundesgesundheitsministerium widerspricht
Die Causa schlug in Deutschland mittlerweile so hohe Wellen, dass sich das Bundesgesundheitsministerium bemüht sah, eine offizielle „Richtigstellung“ zu veröffentlichen. Hier gibt man zu, dass es einen Interpunktionsfehler in der Verordnung gibt, betont aber, dass durch den redaktionellen Fehler keine Auswirkung für die geltende Rechtslage gegen sein.
„Der Verkauf von LSD-Derivaten wie 1V–LSD bleibt weiterhin verboten.“
Auf der anderen Seite steht der Strafrechtsanwalt Sobota der die Ansicht vertritt, dass dieser „redaktionelle Fehler“ die Gültigkeit des Gesetzes aufhebe. Das hätte auch Auswirkung für Personen, die in diesem Zeitraum wegen eines gesetzlichen Verstoßes beim LSD-Derivatehandel verurteilt wurden. Hier prallen zwei Welten aufeinander, durch die Komplexität führt das Ganze zu einer skurrilen Situation. Denn die juristische Gesetzgebung ist mindestens genauso komplex wie Pro–Drugs und die chemische Welt der Derivate.
Sebastian Sobota hat diese Panne der Behörden mittlerweile als Anlass genommen, um den Gesetzgeber allgemein im Umgang mit psychoaktiven Stoffen zu kritisieren. Denn die Praxis ist mühsam und man kämpft in Wirklichkeit gegen Windmühlen. Egal, wie schnell und wie viele Derivate und Stoffgruppen der Gesetzgeber verbietet. Experimentierfreudige Chemiker*innen und Labore werden stets mit neuen Varianten auffahren können. Denn wo Nachfrage besteht, entsteht automatisch auch ein Angebot. Deswegen wäre es vielleicht grundsätzlich an der Zeit, auch in Anbetracht der anstehenden Cannabis-Legalisierung einen Prozess des Umdenkens anzustoßen.
Die Shopbetreiber scheinen es aber nicht darauf ankommen lassen zu wollen. Mittlerweile ist man bereits auf ein neues Derivat, 1D–LSD umgestiegen. Und der Gesetzgeber kann wieder hinterherlaufen. Denn auch danach wird es sicher wieder ein neues LSD-Derivat geben, das die Händler*innen den Konsument*innen zur Verfügung stellen werden.
Titelbild © Shutterstock
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