Alle Jahre wieder, kurz vor Weihnachten, legt uns der Streaming-Riese Netflix ein ganz besonders Filmgeschenk unter den Christbaum. Was als Brauch im Jahre 2021 mit dem Endzeitfilm Don’t look Up begann, wird dieses Jahr traditionsbewusst mit Bradley Coopers Bio-Pic Maestro fortgeführt. Wir haben uns den Film für euch angesehen.
Titanic, Britanic und Maestro von Bradley Cooper
Zugegeben, Bradley Coopers Maestro hat es sogar doppelt nicht leicht, denn der letztjährige „Weihnachtsfilm“ war Knives Out 2 mit Daniel Craig, ein wirklich außerordentlich gut gelungener Krimi. Und nach dem Erfolg von Christopher Nolans erlesen besetztem Meisterwerk Oppenheimer auf den Bio-Pic-Zug aufzuspringen, könnte auch leicht nach hinten losgehen.
Wir erinnern uns an den Film Titanic aus dem Jahre 1997 mit Leonardo DiCaprio und Kate Winslet? – Klar, natürlich kennen wir den, einer der erfolgreichsten Filme aller Zeiten, was für eine blöde Frage! Doch wer kennt noch den Film Britannic? – Stille und das ohrenbetäubende Zirpen der Grillen!
Richtig: Niemand. Dieses zweifelhafte Filmprojekt erzählt vom Untergang der Britannic, ein Schwesternschiff der Titanic. Die wirkliche Britannic wurde als Lazarettschiff eingesetzt und ging am 21. November 1916 bei einem Kriegseinsatz unter. Allein schon der Name des Schiffes wirkt wie eine Farce, ist aber eine wahre Geschichte.
Wie dem auch sei, man versuchte auf den Titanic-Erfolg aufzuspringen und scheiterte kläglich. Wird Bradley Cooper mit seinem Bio-Pic Maestro rund um das Leben des legendären Musikers Leonard Bernstein und dessen Lebensgefährtin Felicia Montealegre, das auf den Oppenheimer-Zug aufspringt, ebenfalls scheitern? Let’s see.
Maestro: Bradley Cooper als Leonard Bernstein
Leise Töne werden angeschlagen. Ein älterer und von Trauer gezeichneter Mann (Leonard Bernstein) am Piano. Ein Filmteam, das gerade aufzeichnet und immer noch die leisen Töne einer Komposition, die er für seine verstorbene Frau geschrieben hat. Anschließend werden wir zurückgeführt zu den Anfängen, als der Mann noch jung war und seine Karriere erst so richtig am Durchstarten.

Dann, das Kennenlernen der Protagonistin Felicia, die Verbindung, der Match und immer mehr Erfolg und Ruhm. Eine Liebe, gesäumt mit Miniaturen des elterlichen Drucks, Identitätskonflikten, einem unterschwelligen Antisemitismus und einer nur fragmentarisch spürbaren Homosexualität. Nach gut einer Stunde dann ein Zeitsprung über 10 Jahre.
Szenenhaftigkeit: Stärke und Schwäche zugleich
Die Stärke, aber zugleich auch die Schwäche des Films, ist seine Szenenhaftigkeit. Warum diese Ambivalenz? Weil wir hier das lange Leben eines Menschen (zweier Menschen eigentlich) in ausgewählte, vielleicht aber auch wahllos herausgerissene Lebensereignisse verunstaltet sehen. Warum verunstaltet?
Dass nicht so gelungene an dem Film ist, dass vorausgesetzt wird, man weiß genau über Leonard Bernstein Bescheid. Trotz seines Legendenstatus tut man dies wahrscheinlich jedoch eher nicht. Was im Netflix-Film Blonde über Marilyn Monroe hervorragend funktioniert – dieser nimmt auch bestimmte Szenen aus dem Leben des Weltstars und reiht sie lückenhaft aneinander – geht bei Maestro leider nicht ganz auf.
Bei Marilyn Monroe muss man nicht wirklich viel erklären, jeder kennt sie und die Grundzüge ihres Lebens. Bei Leonard Bernstein sieht sie Sache schon anders aus. Eine Einführung bzw. kurze Szenen, die mehr erklären, wer Bernstein überhaupt war, währen da wirklich hilfreich gewesen, um auch den Subtext besser zu verstehen.

Measto: Bradley Cooper und Carey Mulligan brilliant
Dennoch ist diese Szenenhaftigkeit oft auch brillant umgesetzt, vor allem dann, wenn Bradley Cooper als Leonard Bernstein oder Carey Mulligan als seine Frau Felicia Montealegre, schauspielerisch so etwas wie die Leistung des Jahres erbringen.
Szenen über die Ausflüge in die Banalitäten einer wohlhabenden Familie, die mustergültig mit ihren Kindern auf der Wiese herumtollt zum Beispielen, werden abgelöst von grandiosen Momenten, wenn zum Beispiel Bernstein und sein ehemaliger Geliebter (beide sind mittlerweile dem heteronormativen Familienleben als Väter und Ehemänner unterworfen) schweigsam die Straße entlangspazieren und wir mit jedem Schritt mitfühlen können, wie hier Gefühle des Verlusts und der Traurigkeit langsam hervorbrechen, während die ganze Zeit über, bis zu Bernsteins Gefühlsausbruch, niemand auch nur ein Wort über seine Lippen kommen lässt.
Oder wenn Bernstein seiner Tochter gegenüber den Gerüchten über seine Homosexualität entkräftet. Als diese erleichtert ist, dass da nichts dran ist, verändert sich Bernsteins Mine und wir spüren mit ihm zusammen die traurige Erkenntnis und die Enttäuschung darüber, dass die eigene Tochter seine Homosexualität und somit auch ihn, nie akzeptieren würde.

Bradley Coopers Maestro: ein Fazit
Bradley Cooper, hier als Darsteller, Regisseur, Drehbuchautor und Produzent tätig (zusammen mit Kapazundern wie Martin Scorsese und Steven Spielberg) schafft mit seiner zweiten Regiearbeit nach A Star is Born ein beachtliches Werk, dass man durchaus gesehen haben sollte.
Dass es sich bei dem Film um keine traditionelle Filmbiografie über Leonard Bernstein handelt, sondern die komplexe Beziehung zu seiner Ehefrau Felicia Montealegre, die über seine Homosexualität Bescheid wusste, in den Fokus gerückt werden sollte, relativiert die Schwächen nicht. Wie die fehlende Erklärung über Bernstein selbst, aber auch das Auslassen wichtiger biografischer, zeitgeschichtlicher Ereignisse. Und klar, der ausgerufene Fokus auf das rein Private entschuldigt nicht die Blindheit wichtiger Geschehnisse.
Doch es sind die vielen kleinen Szenen, über die Zurückdrängung der Frau in die Mutter- und Hausfrauenrolle, die geleugnete Homosexualität Bernsteins, die kippende Stimmung in der Beziehung, das Scheitern als heteronormatives Pärchen und über vieles mehr, für die sich das Ansehen von Maestro wirklich lohnt.
Bilder: Courtesy of Netflix © 2023
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