Zu Weihnachten trumpft der Streaming-Anbieter Netflix wie gewöhnlich mit einem Special auf. Im letzten Jahr war dies der Film Don’t Look Up! Dieses Jahr legt man uns Knives Out 2 Glass Onion vor. Wir haben uns die Fortsetzung des unverschämt erfolgreichen Vorgängers angesehen und verraten euch, ob es sich lohnt, Daniel Craig bei der Mörder-Mystery zu begleiten.
Knives Out – Messerscharfer Kriminalfilm im Style einer Agatha Christie
Knives Out, das Original, beginnt wie ein traditioneller Agatha Christie-Krimi – und das im besten Sinn. Ein wohl situierter, aber auch betagter Bestsellerautor (Kriminalromane) wird am Morgen Tod in seinem Rückzugsort aufgefunden. Hauptverdächtige: Seine Familie natürlich.
Nach einer Zeit scheint man den/die Mörder*in zu kennen und von einem klassischen Who-done-it ändert sich das Format in ein, uns von der Kultserie Columbo vertrautes Spiel, wo der Ermittler versucht, den Mörder zu stellen. Knives Out ist gesäumt von unzähligen Plot-Twists (in postmoderne südkoreanischer Film-Tradition, möchte man fast sagen) – doch nicht zu viele, sondern genau richtig. Das Ganze wird umspielt von einem skurrilen Humor. Spannung und Spaß wechseln sich großartig ab und am Ende – im Vergleich zu vielen Krimis, die einfach eine Lösung aus dem Hut zaubern – bleiben bei Knives Out keine Fragen offen.
Knives Out ist eine Liebeserklärung an die klassischen Miss Marple und Hercule Poirot Erzählungen. Wenn man es anders interpretieren will, dann wiederbelebt Knives Out in gewisser Weise auch den Krimi-Hype der 1980er und 1990er Jahre (Mord ist ihr Hobby, Diagnose Mord, Matlock usw.). Ist aber dennoch ganz individuell, mit seinem weirden Ermittler (überzeugend: James Bond Daniel Craig), den man für alles andere als für voll nimmt (Vergleich: Columbo). Interpretiert er den Fall doch als Donut in einem Donut in dem er scheinbar ahnungslos das Loch zu füllen versucht.
© Netflix
Glass Onion: A Knives Out Mystery – die Fortsetzung
Schon früh ließ Mastermind Rian Johnson verlauten, dass es sich bei der Knives Out-Fortsetzung um keine klassische Fortsetzung handeln wird. Stattdessen wird es vielmehr einen neuen Fall um Privatdetektiv Benoit Blanc (wieder Daniel Craig) geben, mit neuem Cast und einem neuen Schauplatz natürlich. Ganz im Sinne einer Anthologie im Stile von Agatha Christie.
Und so kommt es, dass es bei Glass Onion aka Knives Out 2 um folgende Ausgangssituation geht: Der Technik-Milliardär Miles Bron (Edward Norton) lädt auf seine Privatinsel ein, um dort ein Krimispiel zu spielen. Als es, unerwartet – außer für den oder die Mörder*in – zu einem echten Todesfall kommt, tritt Benoit Blanc auf den Plan, um Licht ins Dunkel zu bringen. Oder, die Glass Zwiebel zu schälen. Aber was kann die Knives Out-Fortsetzung?
Knives Out 2, Glass Onion und die Macht der Zwiebel
Was man erwarten könnte, vor allem, wenn der erste Teil dermaßen erfolgreich war und die Erwartungen an die Fortsetzung dermaßen groß sind, ist, dass die Verantwortlichen einfach nur das Erfolgsrezept von Teil Eins kopieren. Auch wenn immer wieder beteuert wird, man macht es anders, liefert man mit Glass Onion zwar nicht die Wiederholung des ersten Teiles, aber dennoch irgendwie die Wiederholung eines klassischen Krimiformats ab.
Ja, man erfindet das Rad nicht neu. Trotzdem ist Knives Out 2 oder Glass Onion, die extrem gelungene Wiederbelebung eines bekannten Genres. Krimifans werden bei der Ausgangssituation (eine Handvoll Verdächtiger auf einer Insel) sofort an den Kultfilm Das Böse unter der Sonne denken müssen. Trotzdem schafft Rian Johnson eine mehr als geniale Adaptation des bekannten Stoffes. Vor allem die Seitenhiebe auf den Zeitgeist sind ein wahrer Genuss: Social Media, Klimakrise, vertrottelte Tech-Milliardäre, die, vom Größenwahn getrieben, die Welt verändern wollen.
© Netflix
Glass Onion: Knives Out 2 als Wiederholung der andern Art
Wie Agatha Christie, die immer versucht hat, ihre vorangehenden Bücher nicht zu wiederholen, versucht auch Mastermind Rian Johnson hier etwas Neues. Und das muss man ihm schon hoch anrechnen. Er verbeugt sich vor dem Krimigenre und vor Agatha Christie – wiederbelebt (um das Wort wiederholen zu vermeiden) ein Genre, wiederholt dabei aber nicht den ersten Teil. Der Fall ist herrlich skurril ausgearbeitet, die Story funktioniert.
Das Staraufgebot ist zwar nicht ganz so spektakulär wie noch in Teil Eins, dennoch ist Glass Onion ein herrliches Insel-Kammerspiel, indem Edward Norton den Tech-Milliardär (unbeschwert selbstgefällig im Stile eines Elon Musk) verkörpert und auf dem schmalen Grat zwischen Toxizität und Sympathie wandelt. Die Kritik an den oberen Zehntausend hätte auch ein wenig kritischer bzw. komplexer ausfallen können, dennoch funktionieren die Seitenhiebe wunderbar.
Knives Out 2 und die Probleme der gläsernen Zwiebel
Natürlich ist Glass Onion alles andere als perfekt. Die Verdächtigen sind leider durchgehend etwas ungünstig gezeichnet. Inwiefern? Die Figuren haben keine Tiefe, enttäuschenderweise. Da hätte man wirklich mehr herausholen können, ja müssen. Die Darstellenden, auch der eigentlich großartige Edward Norton wirken mit der Story-Idee bzw. ihrem Figuren-Innenleben alleine gelassen. Ergebnis: Sie spielen sich überwiegend selbst und wirken dabei oftmals ein wenig verloren.
Der einzige Lichtblick, was das betrifft: Daniel Craig. Dieser bringt den nötigen Schwung. Muss — im Gegensatz zum Teil Eins, neben Ana de Armas — in Glass Onion die Story jedoch alleine tragen. Darüber hinaus fehlt es bedauerlicherweise auch an dem scharfsinnigen und überaus gelungenem Witz des Vorgängers, obwohl Knives Out 2 trotzdem zu überzeugen vermag.
Weiterer Bummer: Die falschen Spuren während des Films, die uns auf falsche Fährten locken sollen und durch überraschende Plot-Twists die Story um-erzählen und voreilig aufgestellt Theorien schnell wieder entkräften, sind in Glass Onion nicht ganz so genial herausgearbeitet wie im Vorgänger.
© Netflix
Fazit
Glass Onion dauert leider ein wenig, bis es zur Sache kommt, im Vergleich zum Vorgänger. Aber man könnte auch sagen, dass man die Informationen für den späteren Mord schon vorher zusammentragen kann (wie in der Kult-Serie Mord ist ihr Hobby zum Beispiel). Doch zum Mitraten eignet sich Knives Out 2 bedauerlicherweise nicht ganz so gut.
Auch wenn Glass Onion nicht ganz so gelungen ist, wie der erste Teil, so entfaltet sich vor unseren Augen dennoch eine verrückte und auch aberwitzige Geschichte, die für sich selbst stehen kann und wirklich großartig zu unterhalten weiß. Das Krimigenre wird zwar nicht neu erfunden (aber wer kann das?), gekonnt dekonstruieren tut man aber dennoch und eine neue Richtung wird sehr wohl angedeutet. Der Regisseur spielt wunderbar mit Erwartungen und verstreut bis zum großen Finale (genretypisch) eine wohltuende Anzahl an fehl leitenden Motiven und Hinweisen. Das Ende amüsiert jedoch bei weitem mehr, als dass es einen verblüfft. Wie dem auch sei, trotz Schwächen ist Glass Onion ein unterhaltsames Krimipuzzle, das großartig unterhält.
Titelbild © Netflix
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