„Mastodon, was soll das überhaupt sein!?“, denkt sich Sören, während er traurig auf sein Handy blickt. Der Kunststudent und Twitter-Aktivist hat soeben von der Massenflucht zur neuen Plattform Mastodon erfahren. Frauke hatte ihm beim Zigarettenwuzeln nach der Vorlesung davon erzählt. Beim Rauchen blicken sie in die Ferne und denken darüber nach, was nun, nach der Übernahme durch Elon Musk aus ihrer Lieblings-Social-Media-Plattform Twitter wird. Sören denkt an all seine pointierten Witze und die Tausenden Follower*innen die Tag für Tag an seinen Lippen hingen. All die kritischen Aussagen zu unserer Gesellschaft, die er gemütlich aus seiner WG-Küche heraus postete. All die Tipps und Tricks, wie man etwas besser machen könnte. Und all die online Debatten, in denen er bequem von seinem Handy aus andere so richtig zerlegte.
Ja, Twitter war für ihn wie ein zweites zu Hause. Und jetzt wechseln alle auf Mastodon? Wo ist euer Durchhaltevermögen, eure Loyalität? Sollte er ihnen auch folgen oder doch als Krieger für Demokratie und Meinungsfreiheit gegen die Horden der politisch unkorrekten Barbaren auf Twitter verbleiben? Warum macht Elon das? Warum zerstört er Twitter? Bis heute hatte Sören Elon Musk für einen der Guten gehalten. Doch wie konnte er bloß Twitter zerstören?
Auf Twitter herrscht Angst vor der Zukunft
So oder so ähnlich stelle ich mir gerade die Gedanken- und Emotionswelt von abertausend Twitter-Enthusiasten, Aktivisten und Besserwissern im Anbetracht der aktuellen Situation auf Twitter vor. Wenn man sich die zahlreichen Tweets etwas näher anschaut, wird eins deutlich: Mastodon ist der neue heiße Scheiß!
Gerade für alle, die sich identitätspolitisch eher in der linksliberalen Bubble wohlfühlen und sich vor der speziellen Auslegung von Meinungsfreiheit durch den neuen Chef Elon Musk auf Twitter fürchten. Auf der anderen Seite stehen zahlreiche Trolle, welche in der Twitter-Übernahme die Ankunft des langersehnten Messias feiern und sich darauf freuen, in Zukunft das Unsagbare sagen zu dürfen.
Bei einem Blick auf die aktuellen Zahlen bestätigt sich vor allem eins. Die Userzahlen auf Mastodon explodieren. Die Vorschläge und Aktionen von Musk treiben dabei die Benutzerzahlen stündlich weiter rauf. Doch was genau ist Mastodon eigentlich? Ist es tatsächlich die viel beschworene Fluchtstätte für Diversität, Vielfalt und Political Correctness oder einfach nur eine weitere Social-Media-Plattform, die gerade ihren Höhenflug erlebt?
Mastodon, die Zahlen bestätigen den Trend
Eugen Roshoko, der Mastodon Gründer, hatte sicher schon geahnt, dass seine Plattform mit ihrem Serverkonzept für viele attraktiv werden könnte, sobald sich die Verhältnisse auf Twitter ändern. Und so kam es dann auch. Mastodon konnte innerhalb weniger Tage nach der Twitter-Übernahme seine Nutzerzahlen fast verdoppeln. So postete Eugen Roshoko am 7. November 2022, dass Mastodon die 1. Millionen Hürde geknackt hatte.
Dazu gab der Mastodon-Gründer an, dass sich 1124 neue Server im Zeitraum zwischen 27. Oktober bis zu seinem Posting am 7. November gebildet hatten. Damit war es offiziell: Der Hype ist real! Der 27. Oktober ist dabei als Datum bezeichnend, da die Twitter-Übernahme durch Elon Musk an diesem Tag offiziell bekannt wurde. Die offensichtliche Kausalität ist dabei selbstredend.
Zudem war der Wechsel zu Mastodon für viele bereits auf Twitter ein Thema und klare Sache, falls es zur Übernahme kommt. Was sich auch in den Hashtags niederschlug. So dominierte der Hashtag „Mastodon“ tagelang die Trends. Eine digitale Fluchtbewegung war im Gange. Viele Benutzer*innen machten sich auch sogleich ans Werk, die sogenannte Twitter-Migration in Zahlen, Grafiken und Memes zu gießen. Die Sogwirkung schien dabei an Kraft zuzulegen. Doch wie funktioniert Mastodon eigentlich und warum bietet es sich für viele Twitter User*innen als Option an?
Mastodon und das Fediverse
Mastodon hat viele der gleichen Sozial-Networking-Funktionen wie Twitter, ist aber nicht als einzelne Plattform zu verstehen. Stattdessen handelt es sich dabei um einen Verbund unabhängig betriebener, miteinander verbundener Server. Mastodon-Server basieren dabei auf der Open-Source-Software. Die miteinander verbundenen Server werden gemeinsam mit anderen Servern, welche ebenfalls mit Mastodon-Servern kommunizieren können, als das „Fediverse“ bezeichnet.
Ein Schlüsselaspekt des Fediverse ist, dass jeder Server Regeln unterliegt, die von den Personen festgelegt werden, die ihn betreiben. Stellt man sich das Fediverse als Haus vor, ist jeder Mastodon-Server gleichzusetzen mit einem Zimmer oder einem Raum darin.
Welchen Raum du dir für deinen Einstieg aussuchst, ist völlig egal, denn du kannst ebenso mit Menschen auf einem anderen Mastodon-Server interagieren. Die Richtlinien und Regeln des Raumes, indem du dich befindest, bestimmen dabei, was du tun kannst. Falls du mit den Regeln des Servers unzufrieden bist, kannst du übersiedeln. Dabei nimmst du die Kontakte zu anderen Benutzer*innen in den neuen Raum mit. Dort unterliegst du dann wiederum der neuen Hausordnung des neuen Mastodon-Servers.
Es gibt Hunderte von Servern, diese werden Instanzen genannt, auf denen du dein Konto einrichten kannst. Jede dieser Instanzen hat unterschiedliche Regeln und Normen, wer beitreten kann und welche Inhalte erlaubt sind.
Anreize für gutes Benehmen
Es gibt einige Faktoren, die Mastodon-Server unter Druck setzen, das Verhalten ihrer Mitglieder aktiv und verantwortungsbewusst zu moderieren. Erstens möchten die meisten Server nicht, dass andere Mastodon-Server die Verbindungen vollständig zu ihnen abbrechen, da das der Reputation des Servers schadet. So ist man eher dazu geneigt, Trolle und Belästiger nicht zu tolerieren.
Zweitens können Benutzer relativ einfach zwischen Servern migrieren, sodass die Serveradministratoren konkurrieren können, um die beste Moderationserfahrung bereitzustellen, die Benutzer*innen anlockt und hält.
Drittens sind die technischen und finanziellen Kosten für die Erstellung eines neuen Servers viel höher als die Kosten für die Moderation eines Servers. Dies soll die Anzahl der Server begrenzen, die auftauchen, um Verbote zu umgehen. Durch diese Hürde sollen Spam– und Troll-Accounts vermieden werden.
Mastodon may not replace Twitter, but at least it has better leadership.
Meet Eugen, CEO of Mastodon Social: pic.twitter.com/jerOT0asPg
— Alex Vranas (@breakdecks) November 5, 2022
Mastodon, das Land, indem Milch und Honig fließen?
Wo viel Licht ist, gibt es natürlich auch Schatten. Das Servermodell auf Mastodon hat auch potenzielle Nachteile. Erstens kann es schwierig sein, einen Server bei Mastodon zu finden, insbesondere wenn eine Flut von Leuten, die gerade ebenfalls versuchen, einen Server zu finden, zur Erstellung von Wartelisten führt. Auf der anderen Seite können die Richtlinien eines Servers nicht immer leicht zu finden sein.
Zudem gibt es finanzielle und technische Herausforderungen bei der Wartung von Servern, welche mit der Anzahl der Mitglieder und ihrer Aktivitäten wachsen. Nach der großen Freude über die neue Heimat Mastodon könnten also auf neue Benutzer*innen Mitgliedsbeiträge, Werbeanzeigen oder Spendenkampagnen zukommen. Außerdem gibt es trotz Forderungen an offizielle Institutionen ihre eigenen Server zu hosten, komplizierte rechtliche und technische Fragen, welche die Möglichkeiten, die Server effektiv zu moderieren, stark einschränken.
Und zu guter Letzt lässt die derzeitige „nukleare Option“, dass Mastodon-Server die Verbindungen zu anderen Servern vollständig abbrechen, wenig Raum für Fehler. Sobald die Verbindung zwischen den beiden Servern durchtrennt ist, wäre es schwierig, sie zu erneuern. Diese Situation könnte zu destabilisierenden Benutzermigrationen führen und polarisierende Echokammern verstärken. Bereits jetzt gibt es Spannungen zwischen langjährigen Mastodon-Benutzern und Neulingen in Bezug auf Inhaltswarnungen, Hashtags, Post-Sichtbarkeit, Zugänglichkeit und Ton.
Angesicht der Veränderungen auf Twitter stellt Mastodon mit seinem Server-System für viele eine neue interessante Option dar. Ob sich der Kommunikationszwerg jedoch auf Dauer halten kann, werden die langfristigen Nutzerzahlen zeigen. Auch wenn vieles auf dem ersten Blick großartig wirkt, wird die Zukunft also weisen, ob Mastodon für Twitter-Flüchtlinge zum gelobten Land, indem Milch und Honig fließen, wird.
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