Die Galerie OstLicht widmet dem japanischen Fotografen Nobuyoshi Araki eine umfassende Ausstellung, die nicht nur seine Bildsprache, sondern auch seine existenzielle Auseinandersetzung mit Liebe, Tod und Erinnerung sichtbar macht. Araki zählt zu den ikonischsten, gleichzeitig aber auch umstrittensten Fotografen des 20. und 21. Jahrhunderts. Seine Bilder bewegen sich konsequent im Spannungsfeld von Intimität, Obsession und kultureller Spiegelung.
Tokio als Bühne und Spiegel
Für Araki ist Tokio nicht nur Heimat, sondern ein lebendiges Wesen, eine Projektionsfläche für Sehnsüchte, Verlust und Begehren. Seine Stadtansichten sind weder nüchtern noch dokumentarisch, sondern voller persönlicher Aufladung. Die Straßenzüge, Fassaden, Regenwolken und Neonlichter erscheinen wie melancholische Kulissen, durch die sich sein Blick tastet: auf der Suche nach Spuren des Lebens, der Erotik, der Einsamkeit.
Tokio ist bei Araki nie nur Stadt, sondern auch Zustand, ein psychogeografischer Ort, der zwischen Schönheit und Dekadenz pendelt.
Yoko – Die Frau, die bleibt
Ein zentrales Motiv in Arakis Werk ist seine Frau Yoko, die er 1971 heiratete und die 1990 an Krebs starb. Ihre Präsenz durchzieht seine Fotografien wie ein roter Faden: als Geliebte, Muse, Vertraute. In der berühmten Serie Sentimental Journey dokumentierte Araki ihre Hochzeitsreise, es wurde zum Prolog eines lebenslangen Projekts: das Private sichtbar zu machen und mit dem Tod zu verknüpfen.
Nach Yokos Tod begann Araki, ihre Abwesenheit zu fotografieren, leere Räume, Schatten, verwelkte Blumen. Ihre Erinnerung lebt in seinem Werk weiter, nicht als Pathos, sondern als poetischer Schmerz.
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Blumen, Akte und Shunga – Erotisches als Ausdruck von Leben
In Arakis Werk tauchen immer wieder drei Hauptmotive auf: weibliche Akte, verwelkende Blumen und die ästhetische Überhöhung des Erotischen. Dabei zieht er klare Linien zur japanischen Kunstgeschichte, insbesondere zur Shunga-Tradition, einer erotischen Darstellungsform in der Edo-Zeit. Shunga bedeutet wörtlich „Frühlingsbilder“ und beschreibt Holzschnitte mit explizit sexuellen Inhalten, die jedoch mit kunstvoller Detailfreude und kultureller Symbolik versehen sind.
Arakis Fotografien folgen dieser Tradition – aber in der Gegenwart. Seine Akte sind oft bewusst inszeniert, selbstreferentiell, teilweise provokant und konfrontativ. Doch sie erzählen nicht nur vom Körper, sondern auch von der Unmöglichkeit, das Begehren festzuhalten.
Bücher als Teil des Werks
Die Galerie OstLicht und ihr Besitzer Peter Coeln verfügen über eine der umfangreichsten Sammlungen seiner Publikationen außerhalb Japans, darunter seltene Erstausgaben, experimentelle Kleinauflagen und signierte Künstlerbücher. Für Araki war das Buch immer mehr als nur Medium: Es war eine Bühne, ein Tagebuch, ein Objekt des Begehrens.
Zwischen Tabu und Kunst
Arakis Werk entzieht sich einfachen Kategorien. Es oszilliert zwischen dokumentarischer Direktheit und künstlerischer Überhöhung, zwischen Voyeurismus und Zärtlichkeit. Seine Fotos polarisieren, auch heute noch. Doch wer genauer hinsieht, erkennt: Hinter der oft kritisierten Obsession liegt ein tiefes Bedürfnis nach Nähe, Erinnerung und Sichtbarkeit.
Die Ausstellung im OstLicht ist mehr als eine Retrospektive, sie ist eine Einladung, sich auf ein radikal persönliches Werk einzulassen, das zwischen Erotik und Existenzialismus pendelt. Sie zeigt einen Künstler, der die Kamera nicht als Werkzeug, sondern als Verlängerung seines Empfindens nutzt und der selbst in der Vergänglichkeit noch Schönheit findet.
Laufzeit: 13.06–02.08.2025
Titelbild: Nobuyoshi Araki, Journey to death, aus der Serie »Sentimental Journey«, Japan, 1971, © Nobuyoshi Araki, Courtesy OstLicht, Wien
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