Als ich das erste Mal von solchen Veranstaltungen gehört habe, war ich um einiges jünger und naiver. Damals habe ich gedacht, dass dort nur alte, weiße Männer herumstolpern, die sich noch einmal ausprobieren wollen. Aber ich wurde älter, erfahrener und aufgeschlossener, was meine Sexualität anging. Dann dauerte es nicht lange, bis ich verstanden habe, dass solche Partys immer ein Ort sind, an dem sich Menschen in einem sicheren Rahmen treffen können. Um ihre Vorlieben zu zelebrieren oder sich ihren Neigungen hinzugeben. Sex Positive Partys sind etwas, bei denen alles kann, aber nichts muss.
Wien ist mittlerweile eine der Städte, die solche Partys veranstalten. Davor gab es zwar Veranstaltungen, bei denen man auf Darkrooms zurückgreifen konnte, nur beschränkte sich das vor allem auf die homosexuelle Szene, in der es auch keine Kleidervorschriften gab. So schaffte das Kollektiv hausgemacht vor zwei Jahren eine Veranstaltungsreihe, die „Zusammen kommen“ heißt.
Hier wurde ein Ort geschaffen, der es hetero, bi- und homosexuellen Menschen ermöglicht, vollkommen frei feiern zu gehen. Zwischen den Partys liegen oft monatelange Pausen, die Tür ist sehr streng und der Andrang groß, denn neben diesem Event gibt es kaum sexpositive Alternativen. Bis auf die Schwelle und vereinzelten, kleinen Partys wird es als Wiener schwierig. Ganz anders als in Berlin.
Ein kurzer Blick nach Berlin
Hier gibt es mehrere Clubs, in denen ausgelassen gefeiert werden kann. Nicht nur, dass es generell oft in Clubs verdunkelte Räume gibt, in denen man sich austoben kann, zählt das KitKat, unter anderem mit der Veranstaltung Kinky Galore, als erste Anlaufstelle für Interessenten dieser Art von Partys. Anders als in Wien, gibt es in diesem Club fast jeden Tag Sex-Partys, die sich jedoch in der Thematik unterscheiden.
Zu den beliebtesten Tagen zählt unter anderem der Samstag, an dem ein Sex Positive Event stattfindet. Wöchentlich treffen sich hier unzählige Menschen. Aber auch das Insomania ist ein Ort in Berlin, an dem sich vor allem Pärchen austoben können. Hier liegt der Fokus jedoch weniger auf Sex Positive, sondern eher auf Swinger.
Es ist schwierig im Allgemeinen herauszufinden, wie solche Partys sind, welches Gefühl sie vermitteln und wie sie gehandhabt werden. Um den besten Überblick von beiden Städten zu bekommen, habe ich mir zwei konkrete Orte herausgesucht und einen Menschen, der beide besucht hat. Zoe war sowohl auf der Sex Positive Party von hausgemacht in Wien, als auch bereits des Öfteren im KitKat. Sie hat mir von beiden Erfahrungen erzählt.
So ist es, auf eine Wiener Sex Positive Party zu gehen
Zoe war bei der letzten Zusammen kommen Veranstaltung, die im November in der Grellen Forelle stattfand. Es war ihr erstes Mal auf solch einer Party in Wien. „Ich wusste, dass die Schlange lange werden würde, also bin ich extra zwei Stunden vor dem Einlass gekommen. Aber als ich zur Forelle gekommen bin, hab ich schnell verstanden, dass ich nicht die einzige mit dieser Idee war. Unzählige Menschen standen bereits an.“
Zoe hat zwei Stunden gewartet, bis sie an der Tür war. Eine Frau von hausgemacht hat sie dann gefragt, ob sie bereits einmal hier war und ob sie weiß, was das für eine Party ist. „Ich musste mich nicht viel erklären, es war ein netter Umgang und dann war ich auch schon drinnen.“ Es hatte sich alles sehr in die Länge gezogen, weil so viele Menschen da waren. Auch bei der Garderobe staute es sich, immerhin mussten alle Gäste noch ihre Winterkleidung ausziehen.
Der Ablauf der Sex Positive Party
„Nachdem ich meine Kleidung abgegeben habe und an der Kassa gezahlt hatte, gab es noch eine Tür, die mich über das sogenannte Awarness-Team aufgeklärt hat. Das ist eine Gruppe von jungen Menschen, zu denen man kommen kann, wenn man sich unwohl fühlt oder Fragen hat. Dann haben sie noch schnell mein Outfit gecheckt und mich schlussendlich hineingelassen.“ Wie immer waren beide Floors offen, aber Zoe erzählt, dass man schnell gemerkt hat, dass zu viele Menschen in dem Club waren. Teilweise soll es schwierig gewesen sein, von einem Floor zu dem anderen zu gelangen, so Zoe. Nur machte das die Stimmung, die dort in der Luft lag, wieder gut.
„Ich glaube, wenn man noch nie auf solch einer Party gewesen ist, ist es schwierig zu erklären, was es mit einem macht. Ich habe mich selten als Frau an einem Ort so sicher gefühlt, wie dort. Noch ist es mir oft passiert, dass ich mich in meiner eigenen Haut so gut gefühlt habe. Und das, obwohl ich eigentlich kaum etwas anhabe.“ Der Umgang miteinander war freundlich und zuvorkommend, ausgelassen und frei. Zoe meint, sie konnte so sein, wie sie ist, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie es bei anderen ankommt.
„Ich finde, es klingt fast absurd, dass eine Veranstaltung so etwas schaffen kann, aber das tut sie.“ Neben den beiden Floors gab es noch einen Outdoor-Bereich, in Form von einem Zelt. Die Veranstalter wollten so sicherstellen, dass sich Besucher wohlfühlen und nicht von Außenstehenden beobachtet werden können.
Was passiert im Darkroom?
Der Darkroom war auch immer gut besucht. Das war aber auch der einzige Ort, an dem Besucher:innen miteinander geschlafen hatten. Vor dem Darkroom gab es Menschen, die kontrolliert hatten, dass keine Männer alleine hineingehen. Auch Kondome bekam man dort, wenn man wollte. Im Darkroom selbst war es sehr dunkel. Man hatte kaum gesehen, wer was mit wem macht. Aber es gab Sex, viel Sex.
„Es gab Dreier, Vierer, Frauen, die miteinander geschlafen haben und Männer.“ Auch Zoe hatte dort Sex. „Ich habe dort einen Mann kennengelernt und wir sind schlussendlich in den Darkroom gegangen. Kurz bevor wir miteinander geschlafen haben, hat er sich explizit mein Einverständnis eingeholt. Als ich ihn danach gefragt habe, ob er das immer macht, stimmte er zu und meinte, dass Konsens das höchste Gebot ist – vor allem auf solchen Veranstaltungen.“
So ist es, ins Berliner KitKat zu gehen
„Die Schlange war ewig. Ich weiß, es war Samstag und der Tag, an dem die meisten Menschen hingehen, aber sie war wirklich, wirklich lange.“ Als Zoe an der Tür angekommen war, war sie viel gestresster als in Wien. Es waren drei Türsteher bei der ersten Tür, die sie gefragt hatten, ob sie schon mal hier war und was sie so vorhat. Als sie reinkam, gab es eine weitere Tür, in der nach dem Outfit gefragt wird. Dann zahlt man, zieht sich um und muss sein Handy abgeben. In Wien werden lediglich die Kameras der Handys abgeklebt. „Dadurch, dass hier niemand ein Handy hat, werden wirklich Gespräche geführt. Auch das Zeitgefühl ist ein ganz anders. Ich war an diesem Abend stundenlang dort und es hat sich angefühlt wie 20 Minuten“.
Der Club ist wirklich groß, hat zwei Stöcke, einen Pool, Unmengen an Tanzflächen, versteckte Darkrooms, eine Sauna und einen Bereich, an dem jeder seinen Fetisch so richtig ausleben kann. „Als ich erst ein paar Minuten drinnen war, habe ich bereits eine Schlange von Frauen entdeckt, die sich angestellt haben, um sich von einem Mann auspeitschen zu lassen. Um sie herum standen Menschen, die ihnen dabei zugehen haben.“
Der Unterschied zu Wiener Sex Positive Partys
Anders als in Wien wird hier überall miteinander geschlafen, auch die Outfits sind eher dem Fetisch zuzuschreiben. Hier wird viel auf Lack und Leder gesetzt, in Wien eher auf Spitzen-Unterwäsche. Auch das Publikum ist anders, eher älter, durchschnittlich und deutlich erfahrener. „Auf der Tanzfläche gibt es immer mindestens vier Paare, die miteinander schlafen, Oral Sex haben und kurz davor sind.“
Auch Zoe sprach dort mit jemanden, den sie kennengelernt hatte. Ein junger Student, der regelmäßig alleine hingeht, um sich fallen zu lassen. „Während wir uns unterhalten haben, haben direkt neben uns zwei Menschen miteinander geschlafen. Es war auf eine positive Art skurril, sich mit jemanden zu unterhalten, während dir fremde Menschen ins Ohr stöhnen.“ Ähnlich wie in Wien kam auf hier dieses Gefühl auf; dieses freie, glückliche Gefühl, so zu sein, wie man ist. „Der Unterschied war viel mehr der, dass es im KitKat nichts Neues ist, dass alle eingespielt sind, dass es auch nichts extrem Aufregendes mehr ist für viele Menschen, sondern ein normaler Samstag-Abend.“
Ein Gefühl von Sicherheit
Zoe meint, als Frau hat man oft Bedenken, an solche Orte zu gehen, da Übergriffigkeit schnell zum Thema werden kann. „Ich habe mir davor sicherlich meine Gedanken gemacht, wie dir das dort so handhaben. Aber als ich dort war, konnte ich schnell feststellen, dass man sich dort sehr sicher fühlen kann. Es gibt viele Türsteher, die ihre Runden drehen, die alle Beteiligten fragen, ob alles OK ist und mit der Taschenlampe in dunkle Ecken leuchten, um sich zu versichern, dass Konsens herrscht.“
„Ich habe eine Frau beobachtet, die mit zwei Männern geschlafen hat, während zehn weitere zugesehen haben. Irgendwann haben sie dann auch begonnen, sie zu streicheln. Sofort war ein Türsteher da und hat sie gefragt, ob es ihr gut geht und ob alles passt. Sie willigte ein und dann ging es auch schon weiter“.
So unterscheiden sich beide Städte
Ich glaube, der Unterschied liegt viel mehr darin, dass Wien erst am Anfang steht, während Berlin bereits erfahren mit solchen Partys ist. Immerhin ist es in Wien noch etwas Aufregendes, erzählen zu können, dass man auf einer Sex Positive Party war, während in Berlin die meisten bereits solch einen Ort besucht haben. Wer wirklich Lust hat, auf solch eine Party zu gehen, der hat in Berlin wahrscheinlich öfter die Chance dazu. Aber egal, ob Wien oder Berlin, der eigentlich Sinn ist der, sich in seiner Sexualität so auszuleben, wie man das möchte – und das schafft man sicherlich an beiden Orten.
Titelbild © Shutterstock
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