Südkorea, bekannt für den Telekommunikations- und Elektronik-Giganten Samsung, den Autohersteller Kia und eine überaus kreative Filmindustrie. Nun darf es seine Landmarks mit einem extrem unrühmlichen Phänomen erweitern. Dem „Sperma-Terrorismus“. Hauptsächlich Frauen sind Opfer dieser dort recht weit verbreiteten Praktik extrem toxischer Männlichkeit.
Sexualisierte Gewalt – südkoreanischer Horror Deluxe
Die südkoreanische Filmindustrie zeichnet sich vor allem durch sehr komplexe und oft recht abwegige Plots aus. Doch was in diesem Land scheinbar Alltag ist, darauf kommen vermutlich die weirdesten Autoren und Autorinnen in ihren skurrilsten Träumen nicht. Worum geht’s?
Im Mai diesen Jahres wurde ein südkoreanischer Beamter mit einer Geldstrafe von 2.500 US-Dollar belegt. Warum? Weil er sechsmal (!) in den Kaffeebecher einer Kollegin ejakuliert hat. Und das über den Zeitraum eines halben Jahres. Doch wurde dieser Beamte nicht wegen sexueller Gewalt bestraft. Sondern lediglich wegen „Sachbeschädigung“. Wer nun an einen (semi-witzigen) Einzelfall glaubt, der irrt sich leider gewaltig.
Südkorea – Sexualisierte Gewalt mit Tradition?
2019 wurde ein Student in Südkorea zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Die Hintergründe: Der junge Mann hatte einen Kaffee mit Spucke, Abführmitteln, Aphrodisiaka und Sperma vermischt und diesen seiner ahnungslosen Kommilitonin serviert. Er verübte ganze 54 Mal (!) gegen die Frau (sexuell) Gewalttaten.
Der Grund? Rache! Und zwar dafür, dass die Frau seine Annäherungen zurückgewiesen hat. Verantworten musste sich der „Wichser“ jedoch lediglich wegen „Diebstahl, Einbruch, vorsätzlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung“. Und nicht etwa wegen eines Sexualverbrechens.
Und dabei war der „gestreckte“ Kaffee bei der Verurteilung nicht einmal ein Grund. Denn der Student schmierte unter anderem auch heimlich Sperma über das Make-up der Frau. Brach während einer Reise in ihr Hotelzimmer ein. Stahl ihre Unterwäsche und masturbierte in diese. Einbruch, Diebstahl, Sachbeschädigung. That’s it! Ganze 54 Mal.
Doch die Liste geht weiter. 2018 berichtete Women’s News über den Fall eines Mannes, der in einer U-Bahn-Station in Seoul ein Kondom mit seinem Sperma in eine Frauentasche steckte. Er bekam nur eine Anklage wegen Sachbeschädigung.
Sperma-Terrorismus – ein südkoreanischer Trend ohne rechtliche Konsequenzen
All diese Fälle sind nur ein kleiner Teil von dem, was jährlich an vergleichbaren Übergriffen passiert. Auch wenn sich dieses Phänomen nur schwer in konkreten Zahlen darstellen lässt, so zeigt ein aktueller VICE-Bericht, dass um die 44 Fälle im Zusammenhang mit „Sperma-Terror“ (in einem Zeitraum von 2019 bis Juli 2021) dokumentiert sind. Eine weitaus höhere Dunkelziffer ist anzunehmen.
All diese Fälle stehen für einen mehr als verstörenden Trend. Den „Sperma-Terrorismus“. Das ist kein Witz, sondern der fast schon offizielle Titel dieser Übergriffe. Dabei handelt es sich um Delikte, bei denen Männer auf das Eigentum von Frauen ejakulieren. Das Problem an diesen Zwischenfällen ist, dass diese nach südkoreanischem Recht nicht als Sexualverbrechen gelten.
„Das Opfer (im Fall des Kaffeebechers) wurde sexuell gedemütigt, aber es wurde nicht als Sexualverbrechen angesehen, da es nicht als direkter Körperkontakt angesehen wurde“, erklärt Baek Hye-ryun, eine Abgeordnete der regierenden Demokratischen Partei. Sie versucht, das Gesetz diesbezüglich auszuweiten und zu verschärfen. Und das ist bitter nötig. Denn im Fall des Kaffeebechers wurde nämlich argumentiert, dass „die Tat des Täters lediglich die Brauchbarkeit des Bechers ruiniert hat.“
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Langsam mahlen die Mühlen der Justiz
Eine Gesetzesänderung, welche den Umfang der strafbaren Sexualverbrechen auf nicht-körperlichen Kontakt ausweiten will, um solche Übergriffe stärker zu bestrafen, wurde vor kurzen vorgelegt. Aber man darf gespannt sein. Denn einen ähnlichen Gesetzentwurf legte auch schon im Dezember letzten Jahres Baeks Parteikollegin Lee Su-jin vor. Der Entwurf schlägt unter anderem vor, die Definition von „unanständigen Handlungen“ durch eine Änderung des Strafgesetzbuches zu erweitern.
Mittlerweile gab es zwar mehrere Fälle, in denen die Richtenden diesen „Samenterrorismus“ als Belästigung ohne Körperkontakt anerkannt haben. Doch laut einer Analyse von Women’s News wurden in etwas mehr als jedem zweiten Fall der jüngsten Gerichtsverfahren Bewährungsstrafen gegen die Sperma-Terroristen ausgesprochen.
Hass gegen Frauen
„Jedes Sexualverbrechen ist auch ein Verbrechen“, sagt Choi Won-jin, Generalsekretär der Bürgerinitiative Korean Womenlink, der glaubt, dass solche Taten auch Hassverbrechen gegen Frauen sind. „Dies ist kein zufälliger Gewaltakt auf der Straße, sondern richtet sich gegen ein bestimmtes Geschlecht.“ Heißt Frauen.
Doch Südkorea ist langsam, wenn es um das Thema Geschlechtergleichheit geht. Konservative und patriarchale Strukturen verlangsamen jeden Fortschritt, wenn sie ihn nicht sogar komplett verhindern. Wie ein Bericht im The Diplomat nahelegt. Denn der Feminismus trifft dort vermutlich wie selten wo auf massiven Widerstand.
Klar wird es Sperma-Terrorismus in anderen Ländern vermutlich auch geben. Doch kulminieren die Vorfälle in Südkorea gerade in einer Phase, in der es aufgrund von Metoo und Feminismus diesbezüglich eigentlich besser werden sollte. Im technischen- und elektronischen Sektor weit vor dem Rest der Welt hat dieses hoch entwickelte und technologisierte Land wohl bei bestimmten Themen noch so einiges an Nachholbedarf.
Titelbild Credits: Shutterstock
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