Die Serie The White Lotus ist in aller Munde. Selten wurde in letzter Zeit etwas so gehypt, wie die von Mike White geschaffene Ausnahmeerscheinung. Doch ist die Serie wirklich so genial? Wir haben uns die beiden Staffeln für euch angesehen. Und eines können wir schon verraten: Als Netflix and Chill-Serie ist The White Lotus durchaus zu empfehlen.
Mike White auf der Überholspur
Zugegeben, in der Film- und Serienwelt kann es schnell gehen. Vor allem, nachdem es länger recht langsam gelaufen ist. Bestes Beispiel dafür: Autor Mike White. Als Regisseur nicht wirklich nennenswert in Erscheinung getreten, als Autor vermutlich den meisten in Erinnerung für sein Drehbuch für School of Rock und andere Jack Black-Filme (alle zusammen jedoch nicht annähernd so erfolgreich wie School of Rock), hat es gedauert, bis er wirklich scheinen konnte. Und dann gleich als Mastermind, denn die Serie The White Lotus, das kann man sagen, ist allein sein Baby. Zeigt er sich doch für Regie, Produktion und Drehbuch verantwortlich.
The White Lotus: Season one
Allein das Intro ist etwas, dass anders ist. Das Wort weird hat vermutlich selten so gepasst wie hier. Musikgeschichtlich eingeweihte werden dabei vermutlich an den Song Watermelon Man von Herbie Hancock denken, alle anderen werden schon einmal hier vor den Kopf gestoßen, denn so etwas hat man wahrlich noch nicht gehört. Visuell erinnert es schon ein wenig an das Intro von Desperate Housewives.
Eine Handvoll Menschen auf einem Boot Richtung Hotel: The White Lotus. Das ist Luxus pur, das sind Suiten mit Meeresblick, privater Sandstrandzugang, fünf Sterne Frühstück und ein leicht überheblichen Hotelmanager (großartig Murray Bartlett), der es wirklich wissen will. Statt seinen Buchungs-Fehler zuzugeben, spielt er den toughen und lässt sich auf einen symbolischen Schwanzvergleich mit einem Gast ein.
Doch dieser Gast (hervorragend kleingeistig Jake Lacy) ist Shane Patton angekommen, in der festen Überzeugung, eine Suite mit Blick aufs Meer gebucht zu haben. Weitere Weirdos in dieser illustren Runde: die wohlstandsverwahrloste Tanya McQuoid (Jennifer Coolidge), die Mossbacher-Family (Connie Britton, Steve Zahn und die lieben Teenager-Kinder – Konflikte garantiert!), um nur einige zu nennen.
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Cast
Das Wunderbare an der ersten Staffel ist wirklich der Cast. Irgendwie ist es schwierig, auch nur einen dieser Menschen wirklich zu mögen, man hasst sie aber auch nicht mit richtiger Inbrunst. Eine perfekte Gratwanderung über die Abgründe des Erträglichen.
Alle Figuren der Serie sind unkontrollierbare Opfer ihrer eigenen Biografie und können einfach nicht anders. Jeder und jede ist überfordert mit dem Leben. Klar, sie urlauben auf einem 5-Sterne-Resort und ja, es sind genau die first world problems, der first world, aber das alles ist so gut gemacht, dass man einfach nur lachen muss.
Die Serie The White Lotus ist in diesem Sinne recht klassisch, es ist nicht gerade so, als würde etwas Neues und Unerwartetes passieren, doch wie alles passiert, das ist schon eine Sache für sich und erstaunlich gut umgesetzt. Man kann der ersten Staffel nichts vorwerfen. Gelungene Unterhaltung.
The White Lotus: Staffel zwei
Dieselbe Idee, anderes Setting. Spielte die erste Staffel noch auf Hawaii, so hat man diesmal alles nach Italien (bzw. Sizilien) verlegt. Der Cast ist neu, außer Jennifer Coolidge ist wieder dabei, als überreiche Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs. Der Rest sind, wie in Staffel eins, Film- und TV-größen, die man fast schon vergessen hat. Da wären zum Beispiel Oscar Preisträger F. Murray Abraham (für den Film Amadeus, 1985), aber auch Michael Imperioli (besser bekannt als Christopher Moltisanti aus den Sopranos).
Auch diesmal herrscht ein bunter Reigen aus, mal mehr, mal weniger verrückten Figuren, die versuchen in Galaxien der Weirdness vorzustoßen, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Die Betonung liegt auf „versuchen“. Denn was dem Vorgänger noch so leichtfüßig gelingt, das klappt bei der zweiten Staffel nicht mehr ganz so gut. Coolidge und Abraham spielen mit ihrem Wahnsinn alle an die Wand, ja, aber der Rest der Darsteller*innen bleibt eher farblos.
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The White Lotus
Für die Serie The White Lotus gilt im Grunde genommen dasselbe, was für alle anderen gehypten Erzeugnisse der Kulturindustrie gilt: Ja, es unterhält sehr gut bis großartig und die Figuren überzeugen mit ihrer Schrulligkeit. Aber von genial zu sprechen, wäre doch etwas weit aus dem Fenster gelehnt. Es scheint fast so, als hätte man über die Jahre, die Latte immer wieder etwas tiefer gelegt, von der überinfaltionären Verwendung des Wortes „genial“ „kult“ usw. ganz zu schweigen.
Es braucht heutzutage nicht mehr viel, um schnell als Kultserie bezeichnet zu werden. Und man lässt den Dingen nicht mehr genug Zeit, zu reifen und wirklich über Jahre hinweg zu beweisen, dass man wirklich Kult und ein Klassiker ist. Die Serie The White Lotus reiht sie dabei ein, in eine lange Liste an gehypten Serien, wie zum Beispiel auch Squid Game. Es ist gut, teilweise sogar wirklich großartig.
Doch von genial zu sprechen, wäre wirklich übertrieben. Es ist einfach nur wieder eine Serie, wo alle Beteiligten ihr Handwerk wirklich verstehen, das heißt, von Handwerkskunst darf man sprechen, sich die Serie ansehen ist auch zu empfehlen, aber auf die große cineastische Erleuchtung wird man leider dennoch weiterhin warten müssen.
By the way, wer auf weirde Charaktere steht, der sollte sich unbedingt die Serie Liebe und Anarchie ansehen. Selten gab es etwas, dass so ultimativ ist in seiner Weirdness wie die schwedische Mini-Serie. Viel Spaß!
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