Clubs und Veranstalter sollen selbstverständlich für ihren Aufwand auch gerecht entlohnt werden, doch mittlerweile habe ich das Gefühl, dass klingelnde Kassen wichtiger als ein gelungenes Event sind. Ohne Namen zu nennen zeige ich auf, woran es für mich momentan in der Wiener Technoszene hapert und hoffe, der eine oder andere nimmt sich das zu Herzen.
Gerade erst dieses Wochenende hat sich bei mir der Frust wieder einmal richtig angestaut. Ein großer Act in einem großen Club, von einem Veranstalter organisiert, der die Szene jahrelang mitbestimmt – fast schon dominiert – hat. Vor ein paar Jahren wäre ich mir noch sicher gewesen, dass unter seinem Namen und in diesem Club zumindest ein rundum perfekter Rave stattfindet. Doch mittlerweile geht der Trend bei vielen Veranstaltern, wie auch bei ihm, in eine völlig falsche Richtung.
Wieder Enttäuschung – Wien und Techno, kann das überhaupt funktionieren?
Die Schlange vor dem Lokal stört uns wenig. Nicht nur, weil wir Vorverkaufskarten haben und sowieso die Fast Lane benützen dürfen. Sondern auch, weil uns eine gründliche und saubere Türpolitik selbst sehr am Herzen liegt. Bei einem bekannten DJ nimmt man das gerne in Kauf, weil der Andrang groß und eine gewisse Selektion wichtig ist.
Nachdem wir drinnen ankommen, ereilt uns aber bereits der erste Schock. Die Garderobe ist vollkommen überfordert mit der Menge an Besuchern. Wir können schon erahnen, was uns heute Nacht blüht. Fast eine ganze Stunde sind wir gestanden, weil einerseits Platzmangel und andererseits schlechte Organisation in der Garderobe zu einem absoluten Chaos führen.
„Was solls, wenigsten wird das Tanzen geil“ – denk ich mir und wir gehen sofort zum Mainfloor, weil zwei unserer Leute für uns klugerweise während des Garderobenwahnsinns schon die Drinks gecheckt haben. Hier einen Platz zu finden, an dem wir unsere Hüften schwingen können, scheint ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Die vor- und zurückströmenden Massen, die entweder entnervt die Tanzfläche verlassen oder einen neuen Versuch wagen, gehen einfach querfeldein durch die tanzende Meute.
Ungefähr fünfzig Prozent der Männer bewegen sich nur, weil sie unentwegt auf der Suche nach Frauen zum Anbaggern sind. Sieht man sofort. Szenefremde, fast schon Kids, die nicht wissen, wie sie sich auf einem Dancefloor zu benehmen haben. Als Krönung kommen die Schubser und Stöße aufgrund der großen Menge an Tanzenden.
Die überfüllten Clubs – Wien braucht bessere Türpolitik
Hier komme ich zu meinem womöglich größten Kritikpunkt, der sich aus zwei Komponenten zusammensetzt. Die vollkommen überfüllten Clubs sind ein Produkt aus schlechter Türpolitik und Profitgier. Ich erinnere mich an Zeiten, als im Club solche Leute – jene, die nur auf Aufriss oder total aggro sind – sofort von den Türstehern hinausbefördert wurden. Im selben Club war es an der Tür vollkommen üblich, manche Menschen nicht hineinzulassen.
Aber keineswegs aufgrund von Herkunft oder ähnlichen Kriterien. Sondern wegen ihres auffälligen Verhaltens und der vollkommen offensichtlichen, szenebezogenen Verirrung. Von meinen weiblichen Mittänzerinnen höre ich mittlerweile schon, dass sie gewisse Clubs genau deshalb meiden, weil sie dort nur von Männerscharen umzingelt werden.
Wenn ich schon einen Eintrittspreis um die zwanzig Euro zahle, erwarte ich mir abseits des Events auch eine angemessene Selektion. Ich wünsche mir, dass erstens nicht jeder betrunkene Vollidiot da reindarf und zweitens, dass ich mich im Club noch bewegen kann und nicht gefühlt eine halbe Stunde für die 150 Meter von der Tanzfläche zum Klo brauche. Früher war es doch auch vollkommen üblich einen Einlassstopp zu erlassen. Sobald Leute den Club verließen, durften andere wiederum hinein – easy as that. Und an die Leute, die mit Techno nichts am Hut haben – wenn ihr schon nur rumsteht, dann bitte nicht mitten auf der Tanzfläche!
Die Eintrittspreise – Wiener Clubs zu teuer?
Ich kann es vollkommen verstehen, dass gewisse Veranstaltungen seinen Preis haben. Der Act kostet Geld, die Location sowieso und der Veranstalter soll ja nach seiner ganzen Arbeit auch was daran verdienen. Zudem sorgt ein gewisser Preis dafür, dass sich viele, eher unpassende Leute davon abschrecken lassen, dorthin zu gehen.
Doch stehen die Ticketpreise vollkommen im Widerspruch zu der Menge an Menschen, die mittlerweile auf solchen Events sind. Dass sich Techno größerer Popularität erfreut, ist mir keineswegs ein Dorn im Auge. Aber ich zahle eben mehr, damit eine Veranstaltung auch mit einer angemessenen Menge an Besuchern noch lukrativ bleibt.
Vor allem wenn gewisse Kollektive ohne große Namen als Main- Act Veranstaltungen mit Eintrittspreisen jenseits der zwanzig Euro organisieren, frage ich mich schon, woraus sich dieser Preis ergibt. Bei ausgefallenen Locations verstehe ich die Preisgestaltung. Aber in einem etablierten Club, wo keine fette Anlage, sowie weiteres Equipment für Musik und Ausschank herumchauffiert werden müssen, oder auch andere organisatorische Fragen wie Magistrat oder ähnliches zu klären sind, erschließt sich mir der hohe Ticketpreis nicht ganz.
Der teilweise unnötige Neid – Wiener Kollektiv gegen Wiener Kollektiv
Der zu Beginn genannte Veranstalter sprach sich vor Jahren in einem Zeitungsartikel gegen die Neueröffnung eines bestimmten Clubs aus. Weil er augenscheinlich Angst hatte, nicht mehr genug zu verdienen, wenn es zu einer – wie er es nannte – „Zerspragelung“ (Anm. d. Red.: damaliger Wortlaut des Veranstalters) kommt. Mit der Meinung war er natürlich nicht allein. Doch hat er sich öffentlich darüber echauffiert, weshalb ich ihn als Beispiel nenne. Naja, wie man sieht, fehlt uns genau jetzt die breit angesetzte Clublandschaft. Denn: Sobald in einem früher als „Underground“ oder „Szene“ definierten Club schon das Mainstream Publikum landet, fehlt es uns eindeutig an Alternativen.
Ein paar Jahre später hatte er in einem anderen Magazin wiederum seine großteils positive Bewertung der neuen Clubs und Veranstalter zum Besten gegeben – was sogar sehr treffend war, wie ich gestehen muss. Doch meiner Meinung lag das nicht per se an seiner Expertise. Wohl eher musste auch er wie viele andere einsehen, dass eine gewisse gegenseitige Abhängigkeit untereinander existiert, nachdem sich doch viele neue Kollektive etabliert hatten und Anklang fanden.
Dennoch bekomme ich häufig mit, wie über andere schlecht geredet wird, obwohl jeder ähnliche Fehler bei der Organisation begeht. Zudem werden manchmal zu viele der persönlichen Differenzen aufgrund ehemaliger Liebschaften oder zerbrochener Freundschaften öffentlich ausgelebt – auch nicht gerade professionell.
Dann aber doch wieder Übersättigung der Wiener Szene
Es gibt mittlerweile fast so viele DJs wie es Technofans gibt. Wundert mich, dass es nicht schon gefühlt zehntausend Wohnzimmer mit privaten Partys gibt, die nur einen Besucher zählen. Oder vielleicht zwei, nachdem er/sie einem Fan Gästeliste gegeben hat *Zwinkersmiley*. Was mich daran stört, sind die vermeintlich neuen Einflüsse für die Szene. Nein, verdammte scheiße – fällt euch nicht auf, dass ihr euch alle der gleichen Produktionen bedient und dieselben Songs rauf und runterspielt? Außerdem wäre es nett, wenn endlich einmal der Unterschied zwischen Produzenten und DJ klar wird.
Jeder dieser vermeintlichen DJs fühlt sich hinter dem Pult wie der Heiland, der die Schäfchen auf dem Dancefloor in seine angeblich ganz einzigartige Technowelt einführt und sich mit Gästelistenaussicht etwas bei naiven Fans verspricht. Ja, sicher gefällt mir die Mucke, aber verkauft euch bitte nicht so, als wärt ihr der größte Macker am Schulhof.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Vielleicht hat mich aber aufgrund meines steigenden Alters auch nur das „früher war alles besser“- Fieber erwischt. Es bleibt unumstritten, dass man mich doch auf den meisten Events antrifft – macht ja noch immer halbwegs Spaß. Aber es wäre natürlich schön, wenn einerseits die Clublandschaft Zuwachs bekommt und andererseits auch wieder mehr Wert auf Qualität gelegt wird. Im Sommer ist das ganze natürlich leichter, weil es mehr Happenings gibt, durch die Möglichkeit an Outdoor- Veranstaltungen. Doch im Winter bekomme ich schon die volle Breitseite an fehlenden Alternativen zu spüren.
Selbstverständlich ist nicht alles nur scheiße. Es gilt auch etwas Positives festzuhalten. Obwohl der Club Horst bald schließt, verlässt er uns nicht ohne einen Nachfolger – einen Club namens O – zu hinterlassen, der am 20. Dezember in der ehemaligen Albertina Passage seine Pforten öffnet. Etwas nördlich der Grellen Forelle gibt es auch etwas Neues. Dort hat die damalige Location, die als „Oase“ bekannt war, mit dem Black Market als Nachfolger endlich einen weiteren Afterhour-Club, der die seinerzeit verschriene Klientel sehr gut im Griff hat und die Location neu definiert.
Und abschließend muss ich auch sagen, dass trotz meiner Vorbehalte gegen die „neue“ Pratersauna auch dieser Club viele Schmankerl bereithält und mit dem Bunker für den althergebrachten Technofan einiges zu bieten hat.
Titelbild Credits: Warda
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