Die Menschen sind immer klüger geworden! Die gemessene Intelligenz stieg unaufhaltsam von Jahr zu Jahr, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, von Generation zu Generation. Doch hat nicht jeder Aufstieg irgendwann einmal auch seinen unvermeidlichen Fall? Die Intelligenzforschung bestätigt: vor einigen Jahren nahm unser IQ-Höhenflug ein Ende. Woran liegt das?
Affe vs. Mensch 1:0
„Wir werden in manchen Funktionsbereichen schlechter.“, so der Neuropsychologe Lutz Jäncke und fragt, ob wir Menschen für unsere moderne digitale Welt überhaupt geeignet sind. Schonungslos rechnet er mit so manchen Mythen ab, vor allem mit Multitasking und Co. Unsere postmoderne Welt der KI, IT und Augmented Reality ist uns Menschen zu viel, so das neuropsychologische Fazit.
Das klingt erst einmal recht merkwürdig. Wir entwickeln komplexe Maschinen, Programme und komplizierteste Artefakte und dennoch verlieren wir bei bestimmten Zahlentests gegen Schimpansen?
Doch hängt das alles vielleicht zusammen, eben weil wir so viel erfinden, verlieren wir in anderen Bereichen Fähigkeiten, wie zum Beispiel das Merken von bestimmten Informationen wie Zahlen (Telefonnummern usw.), eben weil wir der Annahme verfallen, dass ja ohnehin alles irgendwo gespeichert ist. Und wir darauf zugreifen können, wann immer wir wollen – vorausgesetzt natürlich, die Internetverbindung steht.
But be serious! Wer merkt sich schon noch Telefonnummern oder schafft es, sich ohne Navi oder Google Maps problemlos zu orientieren? Wer kennt schon noch die Hauptstädte der meisten Länder der Welt? Nimmt uns die KI zu viele Denkaufgaben ab? Und werden wir so immer dümmer? Geht es mit dem Homo sapiens Bergab?
Doch was ist Intelligenz überhaupt?
Ein intelligenter Mensch zu sein beinhaltet die Fähigkeit logisch und schlussfolgernd zu denken. Kognitive Fähigkeiten gehören auch zu dieser messbaren Intelligenz. Die Begabung Outside the Box zu denken, über den Tellerrand zu blicken, ist ebenfalls ausschlaggebend. Am Ende geht es sogar noch um die Problemlösekapazität unseres Gehirns, welche im IQ vermessen wird, so eine ARTE-Reportage. Alles wertvolle Bereiche des menschlichen Denkens, doch nicht alles davon ist messbar.
Wer mit Zahlen gut umgehen kann, der brilliert natürlich im Intelligenztest. Doch was sagt das genau aus? Zahlen, Worte, figurative Tätigkeit, Raumvorstellung. Tätigkeiten, die unser Denken ausmachen werden gesplittet und die Intelligenz wird in einem Zahlenwerk darstellen.
Das Messbare und alles darüber hinaus
Dabei werden viele, darüber hinaus reichende Fertigkeiten natürlich nicht erfasst, wie zum Beispiel die emotionale Intelligenz, das sich Zurechtfinden in der Wildnis, das Überleben unter Extremsituationen und vieles mehr.
Die Kreativität wird beim IQ-Intelligenztest nicht gemessen. Aber auch die Fähigkeit, in einer neuen Situation zu einer neuen Lösung zu kommen, findet keine Beachtung in dem uns bekannten IQ-Erhebungsverfahren. Dennoch geben Intelligenztest durchaus Aufschluss über die Leistungen unseres Gehirns.
Das Gehirn ist dabei ein Muskel, der ständig trainiert werden muss und besonders wandlungsfähig ist. Und siehe da: Seit einigen Jahren wird unser Gehirn nicht mehr ausreichend trainiert und verkümmert. Aber was bedeutet das?
Intelligenz: der Flynn-Effekt
Der Intelligenzforscher James Flynn befasste sich sein Leben lang mit dem Thema Intelligenz. Er sammelte unter anderem Millionen von IQ-Testergebnissen aus dutzenden Ländern, wertete diese aus und fand heraus, dass bis in die 1990er Jahre die Ergebnisse von IQ-Tests in Industrieländern im Durchschnitt kontinuierlich steigende Werte zeigten.
Dies deutete lange Zeit darauf hin, dass die gemessene Intelligenz zunahm. Heißt, die Menschen intelligenter geworden sind. Eine Tatsache, die als der sogenannte Flynn-Effekt in die Geschichte eingehen sollte.
Ab 1930, so das Ergebnis der Studie, stieg der IQ alle 10 Jahre um etwa 4 Punkte an. Das bedeutet, wenn man diesen durchaus aufschlussreichen ARTE-Vergleich bringen will, dass ein durchschnittlich intelligenter Mensch aus dem Jahre 1984, Anfang des Jahrhunderts, im Jahre 1915 hochbegabt gewesen wäre. Ob er sich in den dortigen Lebensverhältnissen jedoch zurechtgefunden hätte und nicht einfach nur elendig krepiert wäre, weil er eben kein Feld bestellen kann usw. ist natürlich eine ganze andere Frage. Aber egal.
Die Intelligenzbestien-Mutation des Menschen
Aber warum ist der IQ überhaupt angestiegen, die Menschen haben sich ja genetisch gar nicht verändert? Der Grund für diese Mutation unserer grauen Zellen hat viele Gründe: bessere Ernährung, bessere medizinische Versorgung, bessere Bildung – Lesen, Schreiben und Rechnen. All diese Faktoren führten dazu, der der Mensch sein geistiges Potenzial erst richtig entfalten konnte.
Und noch ein anderer Punkt war ausschlaggebend für den Anstieg unserer Intelligenz: die Arbeitswelt. Anfang des 20 Jahrhundert, wie eine ARTE-Reportage erklärt, arbeitet knapp die Hälfte der Menschen in der Landwirtschaft, und musste konkrete Dinge erledigen. Abstrakte Gedankengänge waren weniger gefordert.
Es wurde daher alles auf die konkrete Lebenswelt bezogen und es fast gar nichts abstrahiert. Im Laufe des 20 Jahrhunderts entwickelte sich unsere Welt aber mehr und mehr zu einem Ort, an dem wir lernten hypothetisch zu denken (zu abstrahieren). Was für die Entwicklung unserer Intelligenz natürlich vom Vorteil war.
Gehirn muss einfach mehr leisten
Heutzutage müssen wir Menschen keine konkreten Dinge mehr tun, sondern vielmehr mit Zahlen und Nummern umgehen. Auch wurden die sozialen Bezüge immer komplexer. Mehr technische Anwendungen, bedeutet natürlich auch, dass die Gehirne mehr gefordert sind als früher und einfach mehr leisten müssen.
Und wenn Hirne in der Kinder- und Jugendzeit stärker gefordert sind, dann vernetzten sie sich auch mehr miteinander. Mehr synaptische Kontakte im Kopf führt zu schneller getakteten Gehirnen, da sie mehr verwendet werden.
Der tiefe Fall
Dann plötzlich das verhängnisvolle Jahr 2004, norwegische Forschende haben festgestellt, dass der Flynn-Effekt nicht mehr gilt. Denn seit Mitte der 1990er Jahre haben die IQ-Werte sogar leicht abgenommen. Seit damals ist man natürlich auf der Suche nach den Gründen dafür.
Die ursprünglich vermuteten Gründe dafür (Einwanderung und vermeintlich schlechte Gene) haben jedoch nichts damit zu tun! Denn gesunde Kinder die eine normale Schwangerschaft und Geburt hinter sich haben, zunächst mit einem „gleichen Gehirn“ und mit den gleichen Genen ins Leben starten. Eine Tatsache, die das Human Genom Projekt eindrucksvoll gezeigt.
Auch bezüglich der Einwanderung stellte eine norwegische Studie 2018 fest, dass Migration keine Rolle beim Rückgang des IQ eine Rolle spielt.
Chemikalien
Doch woran liegt unser geistiger Verfall? Den Grund für den Rückgang unserer Intelligenz vermuten viele Expert*innen in den Chemikalien in unseren Böden, unserem Essen und sogar in unserer Luft. Seit 1970 ist die Herstellung von Chemikalien um das 300-fache gestiegen. Chemikalien sind daher überall.
Sogenannte Endokrine Disruptoren, welche in den Chemikalien vorkommen, in den menschlichen Hormonhaushalt eingreifen und dabei auch die Schilddrüse befallen. Das Schilddrüsenhormon ist jedoch wichtig für die Entwicklung des Gehirns. Wir verschmutzen somit nicht nur unseren Planeten, sondern ruinieren uns auch noch unser Gehirn damit.
Unsere Welt ist einfach too much
Doch es gibt noch eine weitere These. Der Mensch kann, neurowissenschaftlich gesehen, 11 bis 60 Bit pro Sekunde verarbeiten. Doch es strömen 11.000.000 Bit auf uns ein. Fazit: Information Overflow! Was nimmt das Gehirn somit bewusst auf, was lässt es weg? Dieser Masse an Information an sogenannten irrelevanten Distraktoren kann das Gehirn nichts entgegensetzen und so wird sich unser Verstand dem Blödsinn einfach hingeben.
Wir werden zu den Sklaven der Reize, die uns umgeben und sind einfach nicht mehr in der Lage uns auf bestimmte Reize zu konzentrieren, weil wir abgelenkt werden. So können bestimmte Aufgaben auch nicht mehr erledigt werden, aufgrund der Ablenkung, wie Forscher festgestellt haben. Wir werden also dümmer, weil wir abgelenkt werden.
Outsourcing als Problem
Wenn bestimmte Dinge einfach ausgelagert werden, sich unser Gehirn nicht mehr damit befassen muss, dann kann es sich vermeintlich wichtigeren Aufgaben widmen, so die Annahme der Enhancement-Enthusiast*innen. Doch das ist ein technophiler Denkfehler, denn der Kopf ist eben keine Festplatte.
Wir müssen trotzdem viel wissen, da wir mithilfe des Wissens, dass wir in unseren Köpfen haben, viel differenzierter auf die Welt blicken können. Ein Botaniker, der über sein Wissen aktiv in seinem Hirn verfügt und dieses nicht extern irgendwo abgespeichert (also aktiv Zugang darauf hat), wie ein Beispiel aus der ARTE-Reportage erklärt, der nimmt eine Landschaft ganz anders wahr, als jemand, der die unterschiedlichen Gräser nicht kennt. Klar kann man auf die Information über die Gräser zugreifen, doch da diese nicht aktiv verinnerlicht sind, bringt einem dieses extern abgespeicherte Wissen für den aktiven Zugang zur Welt nichts.
Wissen in uns, hilft uns dabei, die Welt differenzierter wahrzunehmen. Und auch wenn man Google Maps hat, sollte man vielleicht auch ein wenig wissen, wie die Welt aufgebaut ist. Man sollte auch den Zahlenraum bis zu einem bestimmten Punkt ergründet haben, bevor man mit einem Taschenrechner arbeitet. Es gilt, mit der neuen Technik so umzugehen, dass man bestimmte Fähigkeiten nicht verliert. Eine Herausforderung, die wir wohl alle annehmen sollten.
Bilder © Shutterstock
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