Bundesheer-Lovestory Eismayer: prägnante Studie mit Wiener Schmäh
Ein Film, so ehrlich und hart wie Wien selbst. Der Dramafilm von David Wagner verspricht neue Einsichten in das Leben zweier schwuler Soldaten. Ohne viel drum herumzureden oder Zeit mit Romantik zu verschwenden, wird dem Publikum, das Outing von Charles Eismayer näher gebracht.
Eine wichtige Message in Wiener Schmäh und Drama verpackt
Am 28. Oktober 2022 war Premiere des neuen Dramafilms „Eismayer„. Wir durften schon vorab mit Hauptdarsteller Gerhard Liebmann ein Gespräch führen. Der Film verspricht viel — so hat er dieses Jahr bei den 79. Filmfestspielen in Venedig, den Preis für den besten Spielfilm gewonnen. Regisseur und Drehbuchautor David Wagner sei durch seine eigenen Bundesheer-Erfahrungen und durch die Figur Eismayer auf die Story gekommen.
Schon vor dem Spielfilm war Charles Eismayer vielen Wienerinnen und Wienern bekannt. Als Vizeleutnant hat dieser, in der Maria Theresia Kaserne bei der Grundausbildung vielen Bundesheerlern einen Schrecken fürs‘ Leben eingejagt. Genau das Thema wird auch im Film behandelt, ebenfalls die Gerüchte, die sich um den berüchtigten Eismayer schüren. Bereits in den ersten Szenen erkennt man, dieser Film hat es in sich. Mit dem Satz: „Der wird dich zum Frühstück ficken“, wird Charles Eismayer (Gerhard Liebmann) angekündigt. Der rebellische Soldat Mario Falak (Luke Dimic), scheint diese Warnung nicht zu beunruhigen und so handelt er sich schon in der ersten Szene Ärger mit dem Vizeleutnant ein. Man kann die Angst der restlichen Grundwehrdiener auf den Kinositzen spüren. Am ersten Tag treten sie bleich und mit starrem Blick vor Eismayer auf – nur Mario Falak, scheint sich in der Situation wohl zu fühlen.
Die zum Scheitern verurteilte Ehe des Vizeleutnants
Nach einigen Minuten wird auch die Ehe der Eismayers‘ näher dargestellt. Seine Frau (Julia Koschitz) scheint oft auf ihn zu warten und sein Sohn scheint dies nicht wirklich wahrzunehmen. Mit Ausreden und Lügen versucht Charles, den Annäherungsversuchen seiner Frau zu entgehen. Einer der ersten „Aha“ Momente, erleben wir hier, als Charles seine Frau anruft und meint, er müsse wegen eines Notfalls in der Kaserne bleiben. Jedoch sehen wir ihn in der nächsten Szene in ein fremdes Auto steigen. Den Zuschauern wird es selbst überlassen, sich hier ein Bild der Situation zu machen, denn mehr bekommt man erstmal nicht zu sehen.
Das Prickeln auf der Leinwand
Das erste Mal viel Haut sehen wir, als sich Mario Falak mit einem Kameraden seiner Kompanie streitet, weil er ihn darum bittet, zu sich in die Dusche zu kommen. In dieser Szene outet sich Falak nicht nur, er rennt Sekunden später auch nackt nach draußen und zeigt dem Vizeleutnant Eismayer, seinen Arsch. Dieser ist natürlich alles andere als begeistert von dieser Arschaktion und schreit sich (wie so oft im Film) die Seele aus dem Leib. Doch schon bei diesem Auftritt merkt man: da prickelt es zwischen den zwei Hauptdarstellern.
© Golden Girls Film
Ein Film, der andere Fassetten zeigt
Ich ging in diese Filmvorstellung in dem Glauben, es würde die Liebesgeschichte der zwei Soldaten vorgestellt werden. Auf einer Art und Weise ist das auch so, jedoch ist das nicht Hauptthema. Zum Hauptthema wird der Konflikt von Eismayer, mit sich selbst und seinem geheimen Leben als Homosexueller gemacht. Doch das Publikum bekommt erst so richtig mit, dass der Vizeleutnant homosexuell ist, als dieser nach etwa der Hälfte des Filmes, erneut in das fremde Auto steigt. Diesmal jedoch, sehen wir eine Sexszene mit ihm und einem nicht-bekannten Mann.
Ein Konflikt, der Eismayers‘ ganzes Leben bestimmt, für Falak im Film jedoch keine Sekunde lang eine Rolle spielt. Das spätere Liebespaar könnte in dieser Hinsicht nicht unterschiedlicher sein. Mario Falak geht offen mit seiner Sexualität um, während Charles Eismayer über Jahrzehnte lang ein Doppelleben führt. Genau dieser Punkt wird auch im Film als Problem dargestellt.
Authentisch und ehrlich
Der Film zeichnet sich mit kurzen Szenen, einprägenden Dialogen und einer Menge Wiener-Humor aus. Doch genau dieser Mix und die Wahl der Schauspieler*innen macht ihn so authentisch. Ebenfalls stimmt für mich die Story — die junge Generation kommt mit der Sexualität der beiden sofort zurecht, doch bei der älteren Generation hapert es noch. Ein Kampf der Generationen, den jede*r schon einmal erlebt hat. Der Konflikt von Charles Eismayer wird ausführlich gezeigt, ohne, dass zu viel erklärt wird. Die wenigen Liebesszenen zwischen Falak und Eismayer, zeigen nur umso deutlicher: Die beiden sind keine Disneycharaktere, sondern Soldaten von denen einer mit seinen inneren Konflikten ringt. Auch die Hintergrundmusik (Lylit) gibt uns das passende, düstere Gefühl zum Film. Die Szenerie spielt in Wien, Steiermark, Niederösterreich und Salzburg, was dem österreichischen Flair nur die Krone aufsetzt. Der österreichische Dialekt macht das Meisterwerk an Authentizität komplett.
Man muss hoit a Österreiche*in sein um ois zum checken
Gut, ich gebe es zu – wenn man nicht aus Österreich kommt, ist der Film nur halb so gut. Ich habe den Fehler gemacht und bin mit einem Berliner ins Kino gegangen, somit musste ich einige Ausdrücke, Sätze und vor allem „Witze“ erklären. Er kannte die Geschichte des Eismayers‘ auch nicht, weshalb er nach dem Film meinte, die Story kam zu kurz. Viele Filmszenen sind tatsächlich sehr kurz gehalten und ein zwei Dinge hätten, auch meiner Meinung nach, etwas in die Länge gezogen gehört (87 Minuten sind einfach zu kurz, um dieses Thema ausreichend darzustellen).
Doch vielleicht macht genau dieses Setting den Film aus. Vielleicht sind die genauen Details nicht wichtig. Vielleicht wollte man mit diesem Film etwas anderes herausarbeiten. Etwas, das viel bedeutender ist als ein erneutes Liebesdrama. Den Streit, den wir mit uns selbst führen, den Zwiespalt, den wir erleben, wenn wir uns anders fühlen. Den Clinch gegen den wir, und gegen den C. Eismayer kämpfen musste, um sich und seine Sexualität zu akzeptieren — egal was andere davon halten.
Titelbild © Golden Girls Film
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