Cherophobie, Reaktanz und Co: Gerti Sengers lesenswerter Beziehungs- und Sexratgeber
Sagen wir es doch, wie es ist: Das Einzige, was in der Kronenzeitung wirklich lesenswert ist, das ist die Kolumne von Gerti Senger und ihr wöchentlicher Beitrag in der Krone-Beilage am Sonntag. Dort entführt sie uns gekonnt in die skurrilen bis heiteren Sphären des zwischenmenschlichen Beziehungsalltags. Wie zum Beispiel Lovebombing und Gaslighting, aber vielem mehr. Verfeinert natürlich mit Ratschlägen zum Thema Sex. Aufbereitet in einer verständlichen Sprache und mit wirklich sehr, sehr brauchbaren Tipps. Nun hat Gerti Senger ein neues Buch geschrieben. Wir haben es für euch gelesen.
Gerti Senger: Lieben, Krisen, Trennungsschmerz und Liebeskummer
Zu allem, was in zwischenmenschlichen Beziehungen und romantischen wie sexuellen Vereinigungen so passieren kann, hat die studierte Psychologin und Pädagogin Gerti Senger einen hilfreichen Tipp. Oft an der Grenze zum Plauderton schafft sie es dennoch gekonnt so etwas wie Erkenntnise zu vermitteln.
Stets am Puls der Zeit sieht sie oft Trends voraus oder reagiert am schnellsten auf neue Entwicklungen im Bereich Sexualität und Beziehung. Ihr Buch Lieben ist nichts für Feiglinge funktioniert dabei wie die Kolumne: schnell, knackig und frisch bekommt an einen guten Einblick vermittelt, was am Beziehungsmarkt gerade so am Laufen ist.
Cherophobie: die Angst vor dem Glück
Nicht lange um den heißen Brei herumredend, geht es auch in ihrem neuen Buch sofort in medias res: Cherophobie. Simone und Leopold wirken on first sight wie eine Art Traumpaar. Dennoch endet die vielversprechende Beziehung schnell ganz traurig. Kaum kam die Zweisamkeit in Fahrt, da beendete Leo auch schon mittels Reißleine. Warum er plötzlich keinen Bock mehr hat? Er weiß es selbst nicht!
Schnell stellt sich heraus, dass der gute Leopold einem „bewährten“ Muster folgt: Immer wenn er besonders glücklich ist, macht er Schluss. Der Gute leidet an einem Phänomen, das laut Gerti Senger immer mehr um sich greift: Cherophobie, die Angst vor dem Glück. Erst tut man alles, um glücklich zu werden und das Glück zu stabilisieren, nur um dann sofort das ganze Konstrukt zum Einsturz zu bringen. Warum?
Gerti Senger: der schlechte Selbstwert und die Vermeidung des eigenen Glücks
Auch andersherum ist es möglich: Michaela hält Paul, der ihr eigentlich guttun würde, emotional auf Distanz. Das Problem? Das Glück, das ihr seelisches Gleichgewicht bedrohen würde, muss sie sich vom Lieb halten. What? Again: Glück bedroht ihr seelisches Gleichgewicht? Ja will die Alte denn nicht glücklich sein? Nein, will sie nicht. Und das ist das Problem.
Cherophobie hat unterschiedliche Gründe. Einige Menschen haben einen schlechten Selbstwert, sodass sie glauben, sie sind es nicht wert, Freude und Glück zu erfahren. Andere wiederum verhindern das auf sie zukommende Glück aus Angst vor dem Ende oder der Bestrafung für ein schönes Gefühl.
Sie bestrafen sich selbst, wenn sie glücklich sind, da sie insgeheim der Annahme folgen, sie hätten es nicht verdient, wären seiner nicht würdig. Wie zum Beispiel Kurt: Aus Angst, seine Partnerin könnte eines Tages zurück zu ihrem reichen Ex laufen, verlässt er sie schon lieber einmal vorher. Aus Angst vor einem Ende, das so niemals eintreffen muss.
Der häufigste Grund sein eigenes Glück zu sabotieren ist, laut Gerti Senger, die Angst vor seelischer Nähe und vor dem Verschmelzen mit dem anderen. Bindungsphobiker*innen sind oft auch Menschen, die Angst vor ihrem eigenen Glück haben.
Gerti Senger: von der Cherophobie zur Reaktanz
Ein weiteres Problem vorzeitig beendeter Beziehungen ist die sogenannte Reaktanz. Den meisten Bindungsphobiker*innen sind die Ursachen und Zusammenhänge ihres Verhaltens natürlich nicht bewusst. So vollzieht sich auch die Reaktanz im Unbewussten und gilt, wie die Cherophobie, als weitverbreitetes Phänomen.
Im Grunde ist Reaktanz schnell erklärt: Der Reiz des Verbotes ist anziehend! Peter und Sophie arbeiten in derselben Firma und haben eine Affäre, was natürlich verboten ist. Aber sie tun es trotzdem und kosten es voll aus. Doch im Grunde ist alles, was ihre Leidenschaft aufrechterhält, eben diese Tatsache des Verbots. Als Pärchen würden sie außerhalb der Firma und außerhalb dieses Verbots überhaupt nicht wirklich funktionieren. Angesichts dieser Erkenntnis bekommt Shakespeares Romeo und Julia eine ganz andere psychologische Dimension.
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Vermeintliche Freiheitseinschränkungen auflösen
Menschen lassen sich nicht gerne einschränken. Bei den meisten löst eine wahrgenommene Beschneidung der Freiheit das spontane Bedürfnis aus, diese Freiheit – auch wenn nur eine Illusion – wiederherzustellen.
Peter und Sophie kosten mit ihrer Affäre eine verloren geglaubte Freiheit aus. Menschen beenden Beziehungen vorschnell, weil sie sich in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlen. Hinter so manchen Begehren steckt in diesem Sinne vielleicht nur ein Aufbegehren gegen eine eingebildete Freiheitseinschränkung.
Gerti Senger: Cherophobie, Reaktanz und viel, viel mehr
Cherophobie und Reaktanz sind jedoch nur einige der vielen Punkte bzw. neuen Phänomene, die Gerti Senger in ihrem lesenswerten Buch Lieben ist nichts für Feiglinge ins Beziehungsgefecht führt.
Was es zum Beispiel mit dem einsamen Wolf auf sich hat, warum Reziprozität ein nicht zu unterschätzender Faktor ist oder wie Echoist*innen ein Co-Abhängiges Verhältnis mit narzisstischen Typen eingehen. Aber noch viel, viel mehr Einblick erwarten einen jeden, der dieses Buch aufschlägt. Für einen guten Überblick über unsere derzeitige Beziehungs- und Sex-Kultur gibt es vermutlich kein besseres Werk.
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Die Sklavenzentrale. Mir gehört ab sofort also ein Sklave.
Liebe Kronenzeitung, wie könnt ihr sowas veröffentlichen?
„Upskirting“ heißt das in vielen Ländern strafrechtlich relevante Phänomen der sexuellen Belästigung, welche allerdings in vielen primitiven Köpfen nicht als solche gewertet wird. Männer fotografieren unter Röcke bzw. Kleider von Frauen, ohne Einwilligung der Betroffenen.
Seit einigen Tagen wird auch in Österreich über eine Strafbarkeit dieser massiven Grenzüberschreitung diskutiert. Allerdings sei noch unklar, ob auch die bloße Aufnahme oder erst die Veröffentlichung der Fotos strafbar sei. Ein Leser der Kronenzeitung hat dazu offenbar die passende Lösung.