Die Dating-Kultur weltweit weist viele Unterschiede auf. Jedes Land hat seine eigenen Gepflogenheiten und Traditionen. Oft sind diese, mit westlichen Vorstellungen nicht vereinbaren Beziehungsmodelle, leider auch jenseits liberaler Tragbarkeit. Der Dating-Markt in China wäre teilweise so eine moralische Baustelle. Aber schauen wir uns das einmal genauer an.
Partnerschaften in China: der lange Arm der Eltern
In der chinesischen Kultur spielen die Eltern nach wie vor eine ganz bedeutende Rolle beim Dating. Diese sind immer noch sehr stark in das anfängliche Matchmaking involviert und können das letzte Wort bei der Genehmigung eines potenziellen Partners, einer potenziellen Partnerin* für ihr Kind haben. Diese Tradition geht auf die Bedeutung von Familie in der chinesischen Gesellschaft zurück. Im Fokus der Eltern stehen vor allem der familiäre Hintergrund des potenziellen Partners, der potenziellen Partnerin* sowie der ökonomische Status.
Viele chinesische Städte verfügen sogar über ganze Märkte für Partnervermittlungen, auf denen sich hauptsächlich Eltern versammeln, um geeignete Partner für ihre erwachsenen Kinder zu finden. Diese Märkte finden häufig in Parks statt, und Eltern tauschen Informationen über das Alter, den Beruf, die Bildung und andere relevante Details ihrer Kinder aus. Dies wird in China als eine traditionellere Methode zur Partnersuche angesehen und ist nach wie vor recht beliebt.
Mit dem Einfluss westlicher Ideale begannen jüngere Generationen in China, romantische Liebe und persönliche Wahl zu schätzen, und wandten sich natürlich von arrangierten Ehen ab. Der Aufstieg des Internets und der mobilen Technologie führte zur Popularität von Online-Dating-Plattformen, wo User frei entscheiden können, wen sie treffen und wen nicht. Dennoch halten sich traditionelle Praktiken in modifizierter Form, und Familien haben in China nach wie vor ein Mitspracherecht im Vermittlungsprozess.
Die chinesische Regierung und der Dating-Markt
Die chinesische Regierung, vor allem in Form lokaler Behörden, schätzt die Bedeutung stabiler Familienstrukturen als Grundpfeiler für die gesellschaftliche Harmonie und ist somit auch als Player in der Vermittlungsarena aktiv. So organisiert die Regierung oft große Vermittlungsveranstaltungen, um vor allem das selbst verursachte Ungleichgewicht infolge der Ein-Kind-Politik auszugleichen.
Die frauenfeindliche Ein-Kind-Politik und entführte Bräute aus Vietnam
Während der Jahre zwischen 1980 und 2015 war es Ehepaaren erlaubt, nur ein Kind zu bekommen. Darüber hinaus hielt die konfuzianische Tradition diese an, die männliche Erblinie zu erhalten. So kam es in dieser Zeit zu einem Ungleichgewicht zwischen den Geburtenzahlen von Jungen und Mädchen. Bedeutet, dass Schwangerschaften mit weiblichen Embryonen und Föten abgebrochen wurden, weil es prestigeträchtiger war „kleine Kaiser“ großzuziehen. Daraus resultiert der heutige „Mädchenmangel“, der dazu führte, dass viele Männer heute „keine Frau finden“. Weil einfach zu wenige da sind und Frauen sich einen Mann praktisch aussuchen können.
Um dieses Problem zu lösen, hat sich neben dem offiziellen aber auch ein schrecklicher inoffizieller Markt entwickelt. In Chinas Nachbarland Vietnam werden nämlich Frauen bzw. Mädchen entführt und in China als Bräute verkauft. So wurden zwischen 2011 und 2017 laut der vietnamesischen Regierung 6.000 solcher Fälle von Frauenhandel registriert. Man kann sich vorstellen, dass die Dunkelziffer hierbei um einiges höher liegt. Umgerechnet rund 5.000 Euro lassen sich die chinesischen Käufer so eine Braut kosten. Der chinesische Frauenmangel als Problem ungeahnter Ausmaße.
Der Dating-Markt in China: offizielles Bemühen des Matchmaking
Im Gegensatz dazu haben einige Städte natürlich ganz offizielle und vor allem legale Vermittlungsdienste eingerichtet, die eine Plattform für Singles bieten, um sich zu treffen. Diese Dienste sind in der Regel kostengünstig und fördern persönliche Interaktion durch organisierte soziale Veranstaltungen.
Diese staatlich geförderten Initiativen betonen traditionelle chinesische Kulturwerte und langfristige Beziehungen. Und stehen natürlich im Gegensatz zum liberaleren Ansatz privater Vermittlungsdienste und Dating-Apps. China navigiert durch diese vielschichtige Vermittlungslandschaft und bleibt gleichzeitig in seiner kulturellen Tradition und seinen familiären Werten verwurzelt.
Diese Traditionen beherrschen aber natürlich auch den privaten Dating-Markt. In China, wie in vielen anderen asiatischen Ländern, spielen gesellschaftliche Normen und familiäre Erwartungen nämlich nach wie vor eine recht bedeutende Überrolle bei der Beziehungsgestaltung.
Diese Vorstellungen lasten natürlich auch schwer auf den Menschen, besonders ab einem bestimmten Alter. Familie gründen und Karriere machen. Der gesellschaftliche Druck, zu heiraten und eine Familie zu gründen, führt oft dazu, dass Einzelpersonen diese Vermittlungsdienste überhaupt erst in Anspruch nehmen.
Der Dating-Markt in China: Kinder als Altersvorsorge
Ein weiterer Faktor ist natürlich die fehlende Altersvorsorge. In Asien, auch in China, ist man immer noch der Meinung, dass sich Kinder um ihre alt gewordenen Eltern kümmern sollen. Die Antwort auf die wachsende ältere Bevölkerung, liegt also nicht darin, wie im Westen Altersheime einzurichten. Kinder gelten daher auch als Investition, als Altersvorsorge. Die Älteren sind somit auf die Pflege durch die jüngeren angewiesen.
Bleibt der eigene Nachwuchs alleine und kinderlos, ist das so gesehen natürlich problematisch. Die chinesische Dating-Tradition hat somit auch einen ganz praktischen Hintergrund. Mit diesem Hintergrundwissen verwundert es also nicht, dass Eltern eine aktive Rolle im Dating-Leben ihrer unverheirateten Kinder einnehmen, sind diese doch im Alter davon abhängig, dass sich die Kinder bzw. Enkelkinder um sie kümmern.
Zwiegespaltene Jugend
Diese Praxis zeigt, wie sich die im Westen verbreiteten und modernen Datingzeiten in China an traditionelle Vermittlungsmodelle angepasst haben. Obwohl junge chinesische Menschen eher dazu neigen, ihre eigenen romantischen Entscheidungen zu treffen, stimmen viele immer noch Treffen zu, die von ihren Eltern arrangiert wurden. Sei es aus Respekt oder um familiären Erwartungen zu entsprechen.
Nirgendwo sonst ist so erkennbar zu sehen, wie das Dating-Leben sich in einen Markt verwandelt hat. Einen Markt bei dem als Bedingung für eine Heirat, natürlich der finanzielle Hintergrund eine große Rolle spielt. Liebe alleine ist in China nicht genug. Ein gesundes, wirtschaftliches Fundament dient als Voraussetzung einer jeden Ehe, heißt es. Natürlich konzentrieren sich diese Märkte mehr darauf, die familiären Hintergründe und Werte in Einklang zu bringen, anstatt die persönlichen Vorlieben der beteiligten Einzelpersonen zu berücksichtigen.
Der Dating-Markt in China: ein Fazit
Der Dating-Markt in China ist eine komplexe Angelegenheit. Traditionelle Werte, aber auch sozio-ökonomisch problematische Grundvoraussetzungen (keine staatliche geregelte Altersvorsorge z. B.) stellen sich postmodernen und romantischen Ansätzen der freien Entscheidung entgegen. Wohin am Ende das Pendel schwingt, bleibt nicht vorauszusehen. Doch wie überall sonst auf der Welt, gilt auch in China, dass erst, wenn die sozio-ökonomischen Grundvoraussetzungen passen, auch die Freiheit, auch jene der Partner*innenwahl, ungestört gedeihen kann.
Titelbild © Shutterstock
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