Die Dämmerung senkt sich über die verlassenen Gassen der Stadt, während ein dichter Nebel aus Geheimnissen und Gefahren die Luft durchdringt. Inmitten dieser düsteren Kulisse wagen wir uns in das Labyrinth des Drogenhandels. Eine Welt, die sich den Blicken der Öffentlichkeit entzieht. In einem exklusiven Interview mit einem ehemaligen Wiener Drogendealer enthüllen wir die schaurige Realität jener, die im Schatten operieren.
Wir unterhalten uns mit einem Mann, dessen Identität aus offensichtlichen Gründen im Dunkeln bleibt. Wir werden ihn hier für das Interview André nennen. Seine Geschichte gibt Einblick in eine Welt jenseits der Legalität und verspricht Enthüllungen über Motive, Risiken und eine der geheimen Welt des Drogenhandels.
An dieser Stelle noch eine Warnung: Falls du selbst oder jemand aus deinem Umfeld Schwierigkeiten bei der Kontrolle über den eigenen Drogenkonsum hat, zögert nicht, die Suchthilfe Wien für Unterstützung zu kontaktieren.
Drogendealer: Job ohne Zukunft
Die mediale Darstellung von Drogendealern ist heute durch etliche popkulturelle Impressionen stark beeinflusst. Bei Dealern denken wir automatisch an einen rasanten Lebensstil, der Luxus und Gefahr in sich birgt. Wir denken dabei an eindimensionale Gangster, die sich in der Dunkelheit der Kriminalität bewegen. Doch wie sieht die Realität aus? Denn hinter jedem Drogendealer steckt auch ein Mensch mit Motiven, Verpflichtungen und zahlreichen falschen Entscheidungen.
Um als Drogendealer das große Geld zu machen, muss man in erster Linie in den richtigen Kreisen unterwegs sein und dann auch noch jede Menge Glück haben, wie mir André in unserem Gespräch erzählt. Er ist mittlerweile Anfang 40 und hat schon lange mit dem Dealen aufgehört. Seine aktive Zeit als Drogendealer liegt mittlerweile über 10 Jahre zurück. Er erklärt mir, dass die Wahrheit anders aussieht als die Bilder, die uns Hollywood über Kriminelle seiner Sorte zeigt. Laut André arbeitet der Großteil der Dealer nicht in der organisierten Kriminalität. Nein, es sind eher Kleinkriminelle.
Oftmals handeln diese aus demselben Suchtdruck heraus wie ihre Kundschaft. André erklärt mir, dass seiner Meinung nach gerade bei uns in Österreich der Löwenanteil der Drogendelikte in der Kleinkriminalität angesiedelt ist. Das liegt einerseits an einer Politik, die Drogensüchtige in erster Linie eher unterstützt, anstatt sie wie in manchen anderen Ländern nach Law-and-Order-Mentalität nur zu kriminalisieren. Auch wenn vieles besser sein könnte. Bereits bei unserem ersten Gespräch und dem Kennenlernen mit André merke ich, dass es hinter der Fassade des harten Drogendealers noch eine völlig andere Welt steckt.
André im Gespräch
Fangen wir doch mit dem Ende deiner Geschichte an. Warum wolltest du kein Drogendealer mehr sein und wann hast du aufgehört?
André: Also ich habe den Mist insgesamt über 10 Jahre lang gemacht. Meine aktivste Zeit hatte ich in meinen 20ern. In den letzten Jahren als Drogendealer hat mich meine eigene Paranoia komplett fertiggemacht. Ich konnte ab einem gewissen Punkt nicht mehr schlafen. Und das war jetzt nicht, weil ich irgendwie ein schlechtes Gewissen hatte, oder so. (Lacht!)
Nein, es war einfach die Paranoia. Ich hatte das Gefühl, dass jede Sekunde meine Tür eingetreten und die Polizei hereinstürmen wird. Mir ist es im Laufe der Jahre immer schlechter gelungen, dieses Gefühl auf die Seite zu wischen. Irgendwann ging es einfach nicht mehr. Zum Schluss sind dann auch noch in meinem engeren Umfeld einige Personen verhaftet worden. So kam dann zu den irrationalen Ängsten auch noch eine reale Gefahr. Ich habe das Ganze nicht mehr gepackt.
Außerdem wollte ich zuvor schon lange damit aufhören, fand aber nie den richtigen Antrieb. Irgendwann wurde alles so schlimm, dass ich gemerkt habe, dass ich das psychisch nicht mehr wegstecke. Und so wurde es dann für mich Zeit, das Kapitel hinter mir zu lassen. Aber ich wurde nicht verhaftet und es ist auch niemand gestorben, ich wollte es einfach nicht mehr machen.
Was für Zeug?
Sprechen wir über die Sachen, die du verkauft hast. Mit welchen Drogen hast du gehandelt?
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André: hauptsächlich mit Gras. Es gab dazwischen immer wieder Zeiten, wo ich auch andere Sachen im Angebot hatte, wie Kokain oder Ecstasy. Aber das waren eher Ausnahmen. Oder besser gesagt, einzelne Gelegenheiten, die sich zwischendurch ergaben. Mein Hauptding war immer Gras.
Motivation, Drogendealer zu werden
Wie bist du in diese gefährliche und illegale Welt des Drogenhandels geraten? Gab es einen bestimmten Wendepunkt oder eine Motivation in deinem Leben, die dich dazu gebracht hat, diesen riskanten Pfad einzuschlagen?
André: Ich habe mir diese Frage schon selbst oft gestellt. Aber bei mir war das nicht wie in so einem klischeehaften Drogenfilm. Ich hatte keine besonders harte Kindheit oder ein Trauma, von dem ich mich in die Drogenwelt geflüchtet hätte. Eigentlich hat bei mir eher das eine zum anderen geführt. Ich wurde mehr oder weniger unabsichtlich Drogendealer. (Lacht!)
Und ich war auch ständig von Menschen umgeben, die ähnliche Probleme wie ich hatten. Aber da alle funktionierten und noch nebenbei einem regulären Job nach gingen, sahen wir das nicht wirklich als problematisch an. Es war dann so, dass ich immer öfter für alle Gras geholt habe. Tja, und wenn man mehr holt, dann bekommt man auch irgendwann bessere Preise. So führte nach und nach das eine zum anderen.
Wird man als Drogendealer eigentlich reich?
Wie viel Geld hast du über die Jahre verdient?
André: Das kann ich so eigentlich nicht genau sagen. Zu Anfang wollte man als Drogendealer eigentlich nur so viel verdienen, dass man damit seinen eigenen Konsum finanzieren konnte, ohne dafür zusätzlich Geld auszugeben. Ich hatte neben dem Dealen auch immer einen Job.
Für mich war das, was ich als Drogendealer dazuverdiente, einfach eine nette Ergänzung, um das Konto auszufetten und der Familie etwas zu helfen. Aber es war nie so, dass ich völlig verzweifelt aus finanziellen Nöten gehandelt hätte. Es gab solche und solche Zeiten. Denn Drogendealer machen nur in Filmen immer Gewinn.
In der Realität kann auch mal was schieflaufen. Jemand bezahlt etwas nicht oder etwas von der Ware, die zum Verkauf gedacht war, verschwindet. Und wenn es mal schlecht läuft, dann kann es sein, dass man eine ganze Zeit lang einfach nur minus macht.
Als Drogendealer neigt man auch dazu, wenn es gut läuft, etwas mehr Geld auszugeben. Ich rede jetzt nicht von High-Fashion oder Luxus, nein, ich rede nur davon, dass man sich konstant mehr gönnt als sonst. Und das kann mit der Zeit auch aufs Geld gehen. (Lacht!)
Moralisches Dilemma?
Der Drogenhandel ist eng mit Gewalt, Kriminalität und sozialen Problemen verbunden. Wie bist du persönlich mit den moralischen und ethischen Konflikten umgegangen? Gab es da überhaupt welche für dich? Hast du dich jemals von deiner eigenen Rolle belastet gefühlt?
André: Um ehrlich zu sein: Nein, nicht wirklich! Ich habe mir das oft bei anderen gedacht, die mit härteren Sachen gedealt haben. Da ich aber als Drogendealer hauptsächlich Gras verkauft habe, hatte ich da nie moralische Bedenken. Ich halte das Cannabisverbot für grundsätzlich veraltet und falsch. Ich habe nie verstanden, was das alles bringen soll.
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Denn jemand, der Drogen nehmen möchte, lässt sich auch von einem Gesetz nicht abschrecken. Das zeigen ja auch die Statistiken. Man kann nur hoffen, dass da ein Umdenken stattfindet. Falls ich mal moralische oder ethische Bedenken hatte, dann eher nur meinetwegen selbst. (Lacht!)
Es gab viele Nächte, in denen ich nicht schlafen konnte und mir dachte: „Hey, du verbockst dir vielleicht gerade dein komplettes Leben!“ Und das nicht mal für das große Geld. Denn mit einem Zweitjob hätte ich wahrscheinlich in manchen Monaten besser verdient.
Aber ich will das jetzt auch nicht verharmlosen. Natürlich hat man sich als Drogendealer auch in einer Welt bewegt, wo viel Scheiße passiert ist und es nicht immer nur friedlich zuging. Sicher gab es da auch Tage, an denen man sich dachte: „Scheiße, das hätte ich jetzt wohl nicht tun sollen!“
Risiken und Herausforderungen für einen Drogendealer
Welche Einblicke kannst du uns in die Dynamik des Drogenhandels geben? Welche Faktoren treiben den Markt an, und wie funktioniert das Netzwerk von Produktion, Vertrieb und Verkauf? Kannst du uns etwas über die Risiken und Herausforderungen erzählen, denen du in diesem Geschäft gegenübergestanden bist?
André: Auf die Frage allgemein zu antworten ist nicht einfach. Denn Drogendealer ist nicht gleich Drogendealer. Auch wenn da gerne alles pauschalisiert wird. Ein Drogendealer in einer reichen Gegend ist etwas anderes als ein Drogendealer in einer armen. Der Drogenmarkt ist auch total länderabhängig. Es gibt Länder, die für die Vertriebswege der organisierten Kriminalität wichtig sind und daher auch die Gewalt total explodiert. Wie jetzt zum Beispiel in Holland.
Bei uns in Österreich läuft vieles, gerade wenn es ums Gras geht, über den privaten Bereich und im kleinen Rahmen ab. Es gibt im ganzen Land viele Menschen, die Gras anbauen, die absolut nichts mit der organisierten Kriminalität oder so einem Blödsinn zu tun haben. Das ist eine völlig andere Welt als die der Gangs, Gewalt und Waffen.
Natürlich gibt es aber auch bei Drogendealern so etwas wie Gruppierungen. Aber ich hätte da jetzt nichts mitbekommen, dass die großartig verfeindet waren. Denn jeder, der nicht absolut dumm ist, will einfach nur sein Geschäft machen, ohne die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich zu lenken. Also ich glaube, man kann abschließend dazu sagen, dass es völlig unterschiedlich ist. Wie gesagt, Drogendealer ist nicht gleich Drogendealer .
Aus der Vergangenheit gelernt?
Würdest du das Ganze noch mal machen, wenn du die Chance dazu hättest?
André: Nein, das würde ich auf keinen Fall tun. Nicht, weil ich geläutert bin oder so. (Lacht!) Es ist viel simpler. Ich habe, nachdem ich aufgehört habe, lange daran gearbeitet, meine eigenen Suchtproblematiken besser in den Griff zu bekommen und zu begreifen. Ich habe irgendwann verstanden, dass diese Probleme immer der Antrieb und der Auslöser waren. Egal, ob ich daneben funktioniert habe oder nicht.
Hätte ich selbst nicht so viel gekifft und wer ständig am Nachschub holen gewesen, dann wäre ich wohl niemals Drogendealer geworden. Und nachdem ich meine Suchtproblematiken besser in den Griff bekommen habe, würde es für mich keinen Sinn machen, diesen Scheiß zu wiederholen. Klingt jetzt so banal, hat mich aber viele Jahre meines Lebens gekostet, um es zu verstehen.
Reue für die Zeit?
Bereust du manches, was du in der Zeit getan hast?
André: Ich bin bei der vorigen Frage kurz darauf eingegangen. Wie zuvor erwähnt, im Großen und Ganzen nicht wirklich. Denn ich bin ja selbst da so hereingerutscht und glaube auch nicht, dass es damals wirklich etwas gegeben hätte, was ich hätte anders machen können.
Aber es gibt doch einzelne Situationen und Begebenheiten, die ich bereue. Freundschaften, die wegen Stolz und dem Geschäft zerbrochen sind und Situationen, in denen Gewalt nicht wirklich die richtige Lösung war. Aber damals wäre mir auch nichts anderes eingefallen, wie man die Situation sonst hätte lösen können. (Lacht!)
Vielleicht klingt das jetzt abgehoben, aber das soll es nicht sein, ich glaube, da draußen gibt es Menschen, die niemals Drogendealer waren und trotzdem mehr als ich zu bereuen haben.
Das nenne ich mal einen Schlusssatz. Wir wünschen dir weiterhin viel Glück und Erfolg auf dem geraden Weg. Und bleib weiterhin so positiv, vielleicht kannst du ja damit andere Personen motivieren, über ihr Verhalten zu reflektieren. Danke für deine Zeit, André und alles Gute!
Titelbild © Shutterstock
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