Sex unter Einfluss von synthetischen Drogen: Was du über Chemsex wissen solltest

Das Phänomen „Chemsex“ ist vor allem in der Gay-Community weit verbreitet. Der Begriff bezeichnet den menschlichen Sexualverkehr unter Einfluss von synthetischen Drogen. Doch für eine homosexuelle Person bedeutet „Chemsex“ als Praktik viel mehr, als Sex in Zusammenhang mit Ketamin und Co.
Chemsex und Co – eine Begriffserklärung
Das Wort „Chemsex“ ist sprachlich ganz einfach und schnell erklärt. Es setzt sich aus dem Begriff „Chemicals“ (synthetischen Drogen – chems) und Sex zusammen. Unter „Chemsex“ versteht man somit im Allgemeinen den menschlichen Sexualverkehr unter Einfluss von synthetischen Drogen.
In den USA wird dieses Phänomen auch oft als PnP bezeichnet (Party and Play). Im Großbritannien läuft das Ganze auch unter dem Slogan High and Horny (HH). Beim Chemsex wird zumeist auf Ketamin, Mephedron, Poppers, GHB/GBL und Crystal Meth zurückgegriffen.
Chemsex – Hotspot Schwulenszene
Am verbreitetsten ist das Phänomen Chemsex in der Schwulenszene. Und das weltweit. Doch (unbewusst) oft aus ganz anderen Gründen, als man vielleicht annehmen könnte. Klar, mithilfe der Chems kommt es zu tagelangen und hemmungslosen Sexorgien, die die Grenzen der Ekstase immer weiter nach vorne verschieben. Dennoch, beim Chemsex geht es um weit mehr, als nur um Partymachen und Sex haben, und wie man diese beiden Dinge am einfachsten miteinander verbinden und die orgiastischen Zustände immer weiter intensivieren kann.
Auch wenn eine Studie zeigt, dass Chemsex unter Männern, die mit anderen Männern Sex haben, häufig praktiziert wird, um die Intimität und die sexuelle Lust durch ein künstlich bzw. chemisch herbeigeführtes Rauschgefühl zu verstärken. So hatte der „Erfinder“ des Begriffs etwas ganz anderes im Sinn. Und sein Ansatz geht viel tiefer, als die gängige Definition es erahnen lässt.
Chemsex unterscheidet sich von anderen Drogenkulturen
Auch wenn es beim Chemsex für viele darum geht, den Sex nicht nur an sich zu genießen, sondern mithilfe der Drogen auch noch auf ein höheres Level der Lust zu pushen, so geht es, laut Namensgeber David Stuart, um mehr als „nur“ das. Dieser hat das Wort Chemsex im Jahre 2001 geprägt. Und zwar mit dem Versuch, etwas zu beschreiben, was er in seiner eigenen Gay-Community beobachtet hatte. Und das war ein Phänomen, dass sich von den ihm bekannten Drogenkulturen unterschied.
Laut Stuart geht es in der Schwulenszene beim Konsum von Drogen (im Zusammenhang mit Sex) vor allem um komplexe Themen (zum Großteil hemmende Empfindungen), die den Genuss homosexueller Sexualität und des homosexuellen Seins verhindern. So ist Schwulsein immer auch gekoppelt an, in der Gesellschaft schon etablierte Vorurteile. Diese hemmenden Gefühle sind natürlich auch in den homosexuellen Menschen selbst zu finden.
Das Überwinden verinnerlichter Hemmungen
Homosexuell zu sein, ist somit ein permanenter Kampf. Nicht nur gegen die gesellschaftlichen, sondern vor allem gegen die Vorurteile, die man in Form der Scham selbst verinnerlicht hat. So ist die gesellschaftliche Homophobie, gegen die man Tag ein Tag aus zu kämpfen hat, oft auch in einem selbst zu finden.
Vor allem in Form der verinnerlichten kulturellen Homophobie (Selbsthass), der Angst vor den Auswirkungen und den Gefahren von HIV/ Aids, die mit dem Schwulsein verbunden sind. Aber auch die Scham über seine eigene Orientierung ist etwas, das man möglicherweise immer noch empfindet. Gegen die vermeintliche Norm zu leben ist nie einfach, da man ja permanent vorgelebt bekommt, etwas laufe falsch mit einem.
Um diese inneren Schranken (Selbsthass, Scham usw.) zu überwinden, greifen, Stuart zufolge, viele Männer der Szene auf chemische Hilfsmittel (Drogen) zurück, um die Scham, die oftmals mit schwulem Sex verbunden ist, zu überwinden. „Chems“ sind daher für viele Männer, die mit anderen Männern Sex haben, zu einem Werkzeug geworden, um diese widerständischen Kräfte (Innen wie Außen) zu umgehen.
Die Gefahren von Chemsex I – Psychosen, Depressionen, Überdosierungen
Drogen waren und sind jedoch niemals ein gesundes Mittel, um etwas zu bekämpfen. Daher ist die Verwendung von „Chems“, um sich befreiter zu fühlen und sein Leben frei zu leben, mit großen Gefahren verbunden. Die Folgen eines übertriebenen Konsums sind oftmals: Abhängigkeit, Todesfälle durch Überdosierungen, Suizide infolge von Depressionen oder „einfach nur“ ein neurochemisches Ungleichgewicht, das durch den Konsum von Chems verursacht wird.
Dazu zählen häuft kurzfristige drogeninduzierte Psychosen, insbesondere in Verbindung mit Schlafentzug. Eine solche Psychose ist für die Person, die sie durchlebt, extrem beängstigend, traumatisch, und kann zu selbst- oder fremdschädigendem Verhalten führen.
Die Gefahren von Chemsex II – HIV, Hepatitis C und Co
Auch HIV, Hepatitis C und andere Geschlechtskrankheiten können unerwünschte Folgen von Chemsex sein. Vor allem, da die dabei verwendeten Drogen sehr enthemmend wirken. Leute unter deren Einfluss fühlen sich unverletzlich, extrem selbstsicher, und vor allem auch gleichgültig gegenüber den Konsequenzen ihres Handels.
Der Konsum dieser enthemmenden Drogen in sexuellen Settings kann somit dazu führen, dass Safer-Sex-Praktiken weniger Bedeutung beigemessen wird und es in einer kurzen Zeitspanne zu Sex mit einer höheren Zahl von Partnern kommt.
Fazit
Die Befürchtungen des Begründers des Begriffs Chemsex mögen heutzutage vielleicht nicht mehr so extrem zutreffen, wie noch vor 20 Jahren. Dennoch ist Sex in Zusammenhang mit Drogen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Der beste Weg, sich vor den negativen Auswirkungen von Chemsex zu schützen, ist da natürlich ein reflektierter Umgang mit sich selbst.
Vor allem die Fähigkeit ein tieferes Verständnis dafür zu entwickeln, wer man selbst ist und wie man sich selbst das Sex- und Liebesleben wünscht, sind wichtige Aspekte. Auch das sich selbst Ziele setzen und Grenzen klar zu definieren sind relevante Faktoren. In einer, im Allgemeinen hypersexuellen Welt, in der es mehr um den Konsum von Sex geht, als um die innige Verbindung mit einem anderen Menschen, ist dieser Ansatz wohl etwas, das alle beherzigen sollten und vor allem noch lernen müssen.
Titelbild © Unsplash
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