Jordan Peterson gilt als einer der wortgewaltigsten und reichweitenstärksten Prediger der neuen transatlantischen Rechten. Peterson ist ein kanadischer Psychologe, der durch seine konservativen Ansichten und kontroversen Aussagen weltweit bekannt geworden ist. Seine Anhänger*innen schätzen ihn als intellektuellen Vordenker, der sich gegen politische Korrektheit und linke Ideologien ausspricht. Kritiker*innen hingegen werfen ihm vor, veraltete und diskriminierende Ansichten zu vertreten, die rückwärtsgewandte Herrschaftsverhältnisse reproduzieren. Ist Peterson also letztlich nichts anderes als eine neue Verpackung für reaktionäres Geschwafel?
Jordan Petersons konservative Positionen beziehen sich auf Themen wie Geschlechterrollen, Familie, Religion und politische Ideologie. Er sieht die traditionelle Familienstruktur als Grundlage für eine funktionierende Gesellschaft und kritisiert feministische Ideen wie die Gleichstellung der Geschlechter. Auch in Bezug auf politische Ideologien vertritt er eine konservative Position und lehnt linke Ansätze wie den Marxismus vehement ab.
Jordan Petersons Aufstieg: Vom Psychologen zum Meinungsmacher
Peterson begann seine Karriere als akademischer Psychologe an der Harvard University und später an der University of Toronto, wo er sich auf die Themen Persönlichkeitspsychologie, Psychopathologie und Ideologie konzentrierte. Er wurde bekannt für seine Vorträge und Veröffentlichungen zu Themen wie Selbstverbesserung, Persönlichkeitsentwicklung und Religion.
Seine Popularität stieg jedoch erheblich an, als er begann, sich öffentlich gegen politische Korrektheit und linke Ideologien auszusprechen. Seine Videos auf YouTube, in denen er sich gegen Gendertheorie, Feminismus und Postmodernismus ausspricht, wurden viral und haben ihm eine große Anhängerschaft beschert.
Jordan Peterson liefert die passenden Feindbilder
International bekannt wurde der Psychologe, Autor und Redner, insbesondere durch seine umstrittenen Meinungen zu Themen wie Geschlechterrollen, politischer Korrektheit und Kulturmarxismus. Er wird hauptsächlich dafür gefeiert, Antimarxist zu sein, der Althergebrachtes als moderne Gegenwartsanalyse verkauft. Inhaltsleere Phrasen werden dabei umgedeutet, in einen anderen Zusammenhang gestellt und schließlich wortstark verpackt. Die Vergleiche sind stets dieselben, ebenso das gesellschaftliche Bild, das er zeichnet.
Dabei bedient er sich häufig einer Bildsprache und tierischer Vergleiche. Elemente, die man schon bei uralten rechten Ideologien findet und welche stets dasselbe Weltbild bedienen. Außerdem sind es packende erzählerische Stilmittel, die einfach fesseln. Der Mensch ist ein Tier und der Humanismus bloß ein Hirngespinst der Linken. Wir werden alle nur vor Instinkten angetrieben und haben einen natürlichen Platz und eine Funktion in dieser Welt.
Dass wir uns aber alle in einem künstlich generierten Wirtschaftssystem befinden, verschweigt der gebildete Professor gekonnt. Ebenso dass die Ordnung, die er einfordert, das Klassensystem als logische Konsequenz darstellt. Ein System, indem die Schwachen sich selbst überlassen sind. Und wenn sie sterben, dann ist das auch nur natürliche Auslese.
Was Jordan Peterson hier gekonnt macht, ist das Spiel mit Ursache und Wirkung. Dafür setzt er seine psychologische Ausbildung gezielt ein. Wie ein Therapeut, der einen Patienten perfide in die Irre führt. Die herrschende Klasse bleibt bei dessen rethorischen Kniffen für viele als Hassobjekt unerreichbar. So ergibt es durchaus Sinn seinen Frust auf Frauen oder Marxist*innen zu kanalisieren. Die Feindbilder, die er dadurch kreiert, sind Peterson komplett egal. Wenn man eine Ideologie der Verachtung predigt, dann gibt es eben auch Kollateralschäden.
Analysieren und Dekonstruieren
Seine größte Stärke besteht darin, zu analysieren und Gegenpositionen mit polemischen Spielereien zu dekonstruieren. Peterson argumentiert selten, er reißt eher das Narrativ durch psychologische Tricks an sich. Das daraus entstandene Vakuum befüllt er mit uralten Ideen, welche reaktionäre Verhältnisse festigen. Seine Thesen stehen niemals für sich allein, sondern sind stets in ein manipulierendes Bedrohungsszenario hineinprojiziert.
Die sprachlichen Tendenzen entlarven sich dadurch, dass er ein Problem erst konstruiert, bevor er es durch seine eigene Gegenposition dekonstruiert. Der Hauptteil der Analyse besteht darin, gesellschaftliche Verhältnisse als „Woke“, liberal oder links zu bezeichnen und mit einem rechtskonservativen bis rechtsradikalen Sprachkonstrukt, das stets in der Natur verankert ist, anzugreifen. Hier kommen ihm sein Charisma, Sprachgefühl und seine Argumentationsfähigkeit zugute. Das Psychologiestudium erledigt dann den Rest.
Dabei punktet Peterson bei seinem Publikum, das er in bereits vorgefertigten Ansichten weiter bestärkt. Mit alternativen Erklär-Modellen, welche aber zu den immer selben simplen Lösungen führen. Männer zu erklären, dass es eine „natürliche“ biologische Ordnung gibt, in der sich die Frau dem Mann unterordnen muss, ist dabei nichts Neues.
Damit konnten die Macher der Bibel und aller anderen religiösen Schriften schon punkten. Die Inhalte von Petersons Thesen sind identisch mit dem, was Prediger vorangegangener Generationen bereits Vätern, Großväter und Urgroßvätern vorgebetet haben. Die einzig Neue daran ist der virale Faktor, der durch Social Media dazu kommt.
Jordan Petersons medialer Aufstieg durch Provokation
Peterson hat mehrere Bestseller veröffentlicht, darunter „12 Rules for Life: An Antidote to Chaos“, das in vielen Ländern ein Verkaufshit wurde. Er ist auch ein gefragter Redner und hat Vorträge auf der ganzen Welt gehalten. Ein Teil seines medialen Aufstiegs basiert auf seiner Fähigkeit, durch Provokation und Polemik Aufmerksamkeit zu erzeugen.
Jordan Peterson äußert sich oft kritisch gegenüber der Linken und dem Kommunismus, was ihm laufend neue Anhänger*innen unter Konservativen und Rechten beschert. Gesellschaftliche Herausforderungen und der internationale Aufstieg der politischen Rechten fungieren dabei als zusätzliche Katalysatoren.
Denn Peterson verzeichnet einen Großteil seines Erfolgs in genau diesen politischen Echokammern. Und wir wissen spätestens seit dem Skandal um die Wahlmanipulationen durch Cambridges Analytica, wie viel Geld auf dem internationalen Markt der Meinungsmache zu holen ist. So zitieren sich die stolzen Männer des rechten politischen Lagers stets gegenseitig, bis ihre Behauptungen und Meinungen zu universellen Wahrheiten werden. Denn Meinungsmache ist kein saisonales Geschäft, Wahlen finden zyklisch statt.
Jordan Peterson: Influencer für das Klassensystem
Jordan Peterson deckt dabei eher die gebildete Elite ab. Also all jene, denen Influencer wie Andrew Tate zu prollig sind. Das Produkt, das die beiden vertreiben, ist aber im Grunde dasselbe. Denn die Botschaften und Inhalte sind deckungsgleich. Tate schreit dabei ein wenig mehr und spricht eine primitivere Zielgruppe mit seinen Tiraden an. Machogehabe für Gebildete funktioniert hingegen eher mit Stil und einer bedächtigen Stimme, wie es Jordan Peterson vorlebt. Dabei kommen lediglich andere Elemente der Wortwahl und der Körpersprache zum Einsatz, die Intention hinter dem Gesagten ist stets dieselbe. Es geht darum, vorwiegend junge unsichere Männer hin zu politischen Ideologien des Rechtskonservatismus zu manipulieren.
Die brutalsten Formen des Kapitalismus bis hin zum Anarchokapitalismus werden stets als gott– oder naturgegeben gesehen. Ihre Thesen zu Unterdrückung und Herrschaft enthalten auch immer eine vorgefertigte Ordnung für Mann und Frau. In dieser Ordnung dominiert der Mann stets die Frau. Als wäre der Feminismus nur ein Irrtum der Zeit und man könnte alle erkämpften Rechte einfach mit einem Fingerzeig revidieren.
Und so steht Jordan Peterson immer wieder in der Kritik für seine Aussagen zu Themen wie Geschlechterrollen, Umverteilung, Rassismus, Menschen– und Transgender-Rechte. Insgesamt bleibt Peterson eine umstrittene Figur, die durch ihre provokativen Ansichten internationale Aufmerksamkeit erlangt hat. Grob betrachtet ist er aber bloß ein weiterer Meinungsmacher, der die öffentliche Debatte zugunsten von rechten Parteien beeinflusst. So wie zahlreiche weitere Influencer*innen der Eliten, die sich als Widerstandskämpfer inszenieren.
Jordan Peterson: intellektueller Vordenker oder reaktionärer Ideologe?
Kritiker*innen werfen Peterson vor, in seinen Ansichten veraltete und diskriminierende Vorstellungen zu reproduzieren. Kein Wunder, dass was der Mann da von sich gibt, wurde schon vor 100 Jahren gepredigt. Er vertritt ein traditionelles Männerbild, das Frauen als schwächer und emotionaler einstuft und verkauft das durch ein kreatives Wording als modernen Zugang.
Seine Kritik an feministischen Ideen stellt eine dauerhafte Diskriminierung von Frauen dar. Darüber hinaus werfen ihm einige vor, nationalistische und rassistische Tendenzen zu unterstützen, indem er sich etwa gegen Einwanderung ausspreche und die Bedeutung von Ethnien betone. Klar, er möchte nicht über Klasse sprechen, sondern eher über Rasse. Auch dieser Trick ist uralt.
Einige sehen in ihm einen Verteidiger westlicher Werte und Freiheiten, während andere ihn als reaktionären Ideologen und Gefahr betrachten. Besonders umstritten waren seine Aussagen in den vergangenen Jahren zu Themen zu Geschlechteridentität und Diskriminierung. Hier wurde ihm vorgeworfen, transphobe und diskriminierende Aussagen zu treffen, die zur Ausgrenzung von Minderheiten beitragen.
Insgesamt lässt sich sagen, dass Jordan Peterson durch seine konservativen Ansichten und kontroversen Aussagen hart polarisiert. Während ihn einige als intellektuellen Vordenker schätzen, werfen ihm andere vor, ein reaktionärer Ideologe zu sein, der letztlich nur rückwärtsgewandte Herrschaftsverhältnisse reproduziert. Was man aber eindeutig über ihn sagen kann: Jordan Peterson ist bloß ein weiteres neues Gesicht uralter Ideologien und Eliten, welche ihre bestehenden Machtverhältnisse beibehalten möchten. Ein Popstar, der für die Interessen der Mächtigen eintritt. Und dafür liefert der Psychologe die passenden Feindbilder für die Massen.
Titelbild © Shutterstock
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