Mit dem Lied „Nazis“ und einer deutlichen Botschaft fügt Kid Pex seinem musikalischen Manifest ein weiteres Kapitel hinzu. Was von ihm selbst in den sozialen Medien als kleines Comeback betitelt wurde, wirft dabei aber eine Frage auf. War Kid Pex jemals weg?
Nicht wirklich. Doch hat man in den letzten Jahren eher mehr von seinem Engagement bei der humanitären Initiative „SOS Balkanroute“ gehört als von musikalischen Veröffentlichungen. Bis auf einen Featurepart letztes Jahr kam da schon länger nichts. Außer natürlich als Live Dauergast bei diversen linken politischen Veranstaltungen, sowohl als Redner, aber auch als musikalischer Act für diverse Afterpartys. Sein politisches Engagement wurde von der hiesigen Hip-Hop Szene wahrgenommen und letztes Jahr mit dem Sonder-Award des „The Message Magazine“ geehrt.
Für seine neueste Veröffentlichung hat sich Kid Pex zusätzliche Unterstützung seiner Musikerkollegen Fuchs MC, Def Ill sowie dem Musikurgestein, Drahdiwaberl Bandmitglied und Falco Wegbegleiter JB Rabitsch geholt. „Nazis“ ist keine leichte Kost. Im Gegenteil, es ist ein mahnendes Werk, welches die gefährlichen politischen Tendenzen unserer Gesellschaft und den absoluten Werteverfall gegenüber dem Humanismus und den Menschenrechten kritisiert.
Rap & Politik: Kid Pex im Wandel
Wie Kid Pex in zahlreichen Interviews selbst angibt, hat sein verstärktes politisches Engagement in der Öffentlichkeit um das Jahr 2012/2013 mit der Besetzung der Votivkirche durch Fluchtbetroffene begonnen. Ein Protestmarsch von betroffenen Flüchtlingen, der auf die schlechte humanitäre Situation im Lager Traiskirchen aufmerksam machen wollte, endete damals, am 24 November 2012, in der Besetzung der wiener Votivkirche.
In den folgenden Wochen gab es zahlreiche Solidaritätsbekundungen, aber auch Kritik rund um die Proteste. Linke Aktivisten sowie Rechte lieferten sich einen politischen Schlagabtausch. Ein unrühmliches Kapitel der österreichischen Asylgeschichte wurde damals den Chroniken hinzugefügt. Der Staat kriminalisierte die Betroffenen, was wie üblich in einer kompletten Blamage endete und schlussendlich zu einem taktischen Rückzug der Staatsanwaltschaft führte. Wer die genaue Chronologie der Ereignisse von damals nachlesen möchte, kann dies gerne hier tun.
Kid Pex und A.geh Wirkich? solidarisierten sich damals mit einem Track namens „Recht auf Leben“ mit den Betroffenen. Eine Annäherung an die linksaktivistische Szene hatte begonnen. Zahlreiche Initiativen spielten das Lied und versuchten ihren politischen Protest dadurch eine hippe Hip-Hop Facette zu verleihen. Je nach Klientel mal erfolgreicher mal weniger. Zu dem Zeitpunkt gewann Kid Pex sicherlich auch zahlreiche neue Fans aus dem linken Spektrum die mit Hip-Hop an sich noch wenig am Hut hatten.
Der Output an politischen Hip-Hop hielt sich zu der Zeit noch in einem überschaubaren Rahmen. Heute hingegen gibt es zahlreiche Interpreten, die sich dezidiert politisch positionieren und ihre Musik auch demnach ausrichten. Das Segment des politischen Raps ist allgemein in den letzten Jahren stark angewachsen. Was von manchen heutzutage als Segen empfunden wird, wird wiederum von anderen als Fluch wahrgenommen.
Skandalrapper vs Skandalisierung
Wer Kid Pex Diskografie genauer studiert, wird schnell feststellen, dass man „Recht auf Leben“ als Auftakt verstehen kann. Eine Initialzündung für anhaltendes Engagement, das schlussendlich in der Gründung der Hilfsorganisation „SOS Balkanroute“ 2018 mündete.
Aber um den Heldenkult, der oft um politisch aktive Musiker inszeniert wird, hier am Boden zu halten: Als einer von vielen Aktivsten! Seit der Anfangszeiten gilt Kid Pex als prominentes Gesicht der Hilfsorganisation. Was ihn aber nicht daran hindert, selbst tatkräftig an der Front beim Verteilen von Spenden anzupacken.
„SOS Balkanroute“ hilft Menschen, die auf der Flucht in Bosnien gestrandet sind, mit den nötigsten zu versorgt. Eine Situation für die ein gewisser Sebastian Kurz die Verantwortung mitträgt, oder sich zumindest dafür rühmt, sie herbeigeführt zu haben. Stolz auf Leid zu sein, ist ja eher unchristlich, gilt aber bei der angeblich christlichen ÖVP als gängiges Usus? Ein Paradoxon, das übrigens auch ihre Wähler kaum weiter interessiert.
Kid Pex hat im Laufe der Jahre zahlreiche musikalische Positionierung und Provokationen geliefert. Einen Höhepunkt stellt dabei eine Auseinandersetzung mit einem großen Werbetestimonial eines Trachtenvertriebs dar. Das Kunst aber im Gegensatz zur Unterhaltung auch gerade daran gemessen werden kann, ob sie die Herrschaftsverhältnisse reproduziert oder sich damit auseinandersetzt, ist leider noch nicht ganz in Österreich angekommen.
Und so kommt es, dass man in regelmäßigen Abständen von angeblichen Skandalen des Rappers im Boulevard lesen kann. Jedoch selten von skandalösen Verhältnissen, die der Rapper eigentlich in seinen Tracks thematisiert. In tu felix Autria gilt es bereits als Skandal Kritik am Bestehenden zu äußern. Wenn wenig passiert, muss man sich sein Geschehen halt selber schaffen.
„Weil uns do so fad is, hamma hoit die Nazis…“
Ein kleiner Textausschnitt aus dem Refrain des Tracks „Nazis“ mit dem JB Rabitsch es ziemlich auf den Punkt bringt. Passivität und Wohlstandsverwahrlosung scheinen beim Aufstieg der Rechten in den letzten Jahren eine tragende Rolle gespielt zu haben. Das Bemerkenswerte dabei ist die Hofiermentalität der Bürgerlichen „Mitte“. Solange etwas einen nicht selbst bedroht, ist es keine Bedrohung, die mangelnde Fähigkeit, die Kausalitätskette über den Tellerrand zu spinnen, scheint dabei der Motor dieser Dynamik zu sein.
Kid Pex – Coverbild „Nazis“
Nach dem eindringlichen und melodiösen Gesang des JB Rabitsch in der Hook übernimmt Fuchs MC. Bei dem mir besonders der Stimmeinsatz natürlich neben den textlichen Inhalt aufgefallen ist. Sein Reggae affiner Flow und seine Betonungen spielen für die Abwechslung des Tracks eine tragende Rolle. Eine angenehme delivery, die uns aber knallharte Fakten serviert.
Als vierter im Bunde des Features hat Kid Pex den wohl kompromisslosesten Rapper Österreichs eingeladen. Das technische Genie Def Ill liefert uns einen für seine Verhältnisse langsam gespitteten Part voller erfrischender Radikalität. Dass uns Def Ill ein bisschen Zeit beim Rappen gibt, heißt aber nicht, dass er nicht gnadenlos verdichtete Inhalte liefert. Wo er auch über unsere Landesgrenze hinaus blickt. Plus ein paar technisch versierte Spielereien, wie man sie von ihm stets gewohnt ist.
Neues von Kid Pex?
Wie euch vielleicht aufgefallen ist, habe ich bei der Aufzählung einen Part übersprungen, und zwar den des Initiators selbst. Hierfür spreche ich euch lediglich die Empfehlung aus, einfach mal in den Track zu klicken und zu hören, was Kid Pex da zu sagen hat. Als Einleitung in den Track bringt er mahnende Worte, die vor der bereits beginnenden Zukunft warnen. Warum genau, das benennt er spezifisch in seinem Part. Den Rest der kritischen Analyse liefert uns der Wiener Rapper durch seinen Inhalt selbst.
Ein anderes Zuckerl kann ich euch aber zum Schluss noch verraten. Nach einigen nachhaken konnte ich für euch herausfinden, dass es sich bei „Nazis“ bereits um die erste Auskopplung aus einem bald kommenden Kid Pex Album handelt. Das heißt Fans des Rappers können sich bald auf mehr neuen Output freuen.
Titelbild Credits: Michael Kendlbacher
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