Das Phänomen NEETS ist bereits ein Politikum und versetzt die Wirtschaft in Rage. NEETS sind Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 15 und 24 Jahren, die sich weder in Beschäftigung, Training noch in Ausbildung befinden. Gleichzeitig suchen Unternehmen händeringend nach Auszubildenden und jungen Fachkräften. Was sind also die Beweggründe vieler junger Menschen, dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung zu stehen?
Prekäre Verhältnisse sind prägend
Es sind Menschen ohne Orientierung, jene, die, die Schule oder das Studium abgebrochen haben, aber auch alleinerziehende Mütter. Es sind Menschen mit Migrationshintergrund, denen der Einstieg in die Arbeitswelt nicht gelingt. Menschen, die in prekären Verhältnissen aufgewachsen sind und es nicht anders vorgelebt bekommen haben. Suchtkranke, psychisch labile und genauso die, die nicht im Takt mit dem unentwegten Beschäftigtseinmüssen tanzen.
Daher auch die englische Definition NEETS: Not in Education, Employment or Training. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) etablierte den Begriff erstmal in den 2000ern, um die Ausbildungs-Beschäftigungslücke unter jungen Erwachsenen und Jugendlichen zu veranschaulichen. Spannend dabei ist, dass sich Österreich noch im besseren Mittelfeld und somit unter dem EU-Durchschnitt befindet.
Verschiedene Typen von NEETS
Um die Beweggründe und das Phänomen NEETS besser zu verstehen, ist es von Vorteil, die Teilgruppen genauer zu beleuchten. Diese können grob in vier Unterkategorien eingeordnet werden.
Es gibt Betroffene, die nicht erwerbsfähig sind, da sie beispielsweise eine Krankheit haben, die es ihnen nicht ermöglicht, einer Arbeit oder einer Ausbildung nachzugehen. Aber auch Menschen, die sich in Vollzeit-Care-Arbeit befinden. Dies kann zum Beispiel durch eine psychische Erkrankung oder ein erkranktes Familienmitglied, welches auf Pflege angewiesen ist, passieren.
Personen, die ihren NEETS Status gerne ablegen würden, fallen jeweils in die Kategorien erwerbsfähig und arbeitssuchend, sowie erwerbsfähig und auf der Suche nach einem Ausbildungs- oder Studienplatz. Die vierte Kategorie bezieht sich auf jene Personen, die erwerbsfähig wären, aber nicht auf der Suche nach Arbeit sind.
NEETS im Zusammenhang mit Bildungsabschluss und Migrationshintergrund
Die Berichtperiode von 2019 bis 2022 ergab, dass in Wien 21.633 NEETS leben. In ganz Österreich beläuft sich die Zahl auf 140.000. Teilweise waren diese Jugendliche aber durchaus aktiv in der Arbeitssuche oder haben bereits auf Arbeit gewartet. Entgegen der Vermutungen lässt sich der Verzicht auf Arbeit nicht auf den Bildungsstand zurückführen, da ein beträchtlicher Anteil der österreichischen Neets über mittlere oder höhere Abschlüsse verfügt.
In der bereits erwähnten Periode von 2019 bis 2022 lag der Anteil der Bevölkerungsgruppe mit ausländischer Bildung mit Zuwanderung aus einem Drittstaat beim höchsten Anteil von 28 %. Dies ist natürlich auch darauf zurückzuführen, dass Zuwanderer*innen beim Einwandern in Österreich auch meistens erst einmal der Sprache mächtig werden müssen, bevor sie sich der Bildung widmen können. Oder in die Arbeitswelt tauchen. Jugendliche mit Migrationshintergrund, welche in Österreich die Ausbildung gemacht haben, fassen einen Anteil von 12 %. NEETS ohne Migrationshintergrund erreichen rund 9 %.
Beweggründe der NEETS
Über die Gründe der wirtschaftlichen Inaktivität vieler junger Erwachsenen rätseln Soziolog*innen. Ein wesentlicher Grund sind aber auf alle Fälle die Auswirkungen der Pandemie. „Corona hat sehr vielen jungen Leuten über einen langen Zeitraum die Chance genommen, sich beruflich zu orientieren“, sagt Bildungsforscher Clemens Wieland von der Bertelsmann-Stiftung. Die Auswirkungen machen sich auch heute noch bemerkbar.
Viele junge Menschen, die die Schule abgeschlossen haben, wollen nach dem stressigen Schulalltag auch einfach mal kurz innehalten, um ihren Platz auf der Welt zu finden. Es ist nicht unüblich, dass man nach der Matura erstmal auf Reisen geht, um andere Länder und Kulturen kennenzulernen und sich einfach mal treiben zu lassen.
Oft weiß man auch erstmal nicht, was man nach seinem Abschluss machen sollen. Sich einfach mal im Studium einzuschreiben, obwohl man eigentlich gar nicht weiß, ob das wirklich den eigenen Interessen und nicht doch den Erwartungen der Eltern entspricht, macht eben auch wenig Sinn.
Die Kehrseite des Fachkräftemangels
Der Fachkräftemangel, der ja eigentlich einen einfachen Berufseinstieg versprechen sollte, hat aber auch eine Kehrseite. Der Bewerber*innenmarkt zeigt jungen Leuten die unendlichen Chancen, was das Ganze aber nicht einfacher macht. Für gut ausgebildete Schulabgänger scheint der Arbeitsmarkt oft wie ein riesiges All-you-can-eat-Buffet. Bei dem man sich nicht entscheiden kann, ob man jetzt lieber zum Fried Chicken oder zum Sushi greifen soll.
Sich dann schlussendlich für gar nichts zu entscheiden oder in der Entscheidungsetappe zu verharren, ist dabei natürlich auch nicht die richtige Lösung. Aber angesichts eines Überangebots und des gesellschaftlichen Drucks, genau über sein Leben und die eigene Zukunft Bescheid wissen zu sollen, eine ganz nachvollziehbare Reaktion.
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