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Zwischen Schönheit und Morbidität wandelt der Wiener Künstler Mr. Chaos und agiert als Gesamtwerk unbewusst gegen den bunt dominierten Mainstream. Erfrischend anders mit einem Hauch von Dunkelheit. Erstrahlt doch sein Werk aus dem düsteren Innen und Außen als etwas außergewöhnlich Ästhetisches. Wir durften den Künstler in seinem Pandemie-Atelier zu Hause besuchen und sind erstaunt, was das Interview und auch seine Kunstwerke zu Tage tragen.
Die Reise vom tiefen Inneren eines verschlossenen Jungen zum gesellschaftskritischen Unikat der Wiener Kunstszene bringt das Gesamtwerk Mr. Chaos trotz des Fehlens herkömmlicher im Kunstmarkt etablierter Ästhetik mehrmals um die Welt. Umbringen – ein Stichwort, das wohl so gut wie kaum ein anderes zum Stil des Künstlers passt. Doch verbirgt sich hinter seinen morbiden Kunstwerken eine ganz neue Art des Stilllebens in greifbarer Form und mit einer besonderen Tiefe.
Angefangen hatte er mit Ölmalerei, doch nach und nach stieg das Verlangen nach mehr Surrealität. Die Leinwand war ihm zu platt, die echte Welt zu verlogen. Und so erschuf er seine eigene. Die Kreationen von nun an plastisch, dreidimensional und greifbar. Aus allem, was die Welt zu bieten hat.
Vom Gemälde zur Skulptur, von ganz groß bis zu Miniaturen – auch, weil Menschen nicht wegen des Platzmangels in Wohnung zum Verzicht auf Kunst gezwungen werden sollten. Mr. Chaos zieht heran, was ihm die Welt schenkt. Sogar vor der Verwendung eigener Haare für seine Kunstwerke schreckt er nicht zurück. „Manche fanden das mit den Haaren abschreckend, andere wiederum fanden es cool, ein Stück des Künstlers zu ersteigen.“ Auf jeden Fall authentisch und grotesk, weg vom rein Dekorativen – weil das Dunkle viel zu häufig ignoriert wird.
Wie waren bei dir die ersten Schritte in der Kunst. Als Kind? Später, früher?
Wenn ich mich zurückerinnere, muss ich sagen, dass ich schon im Kindergarten viel gekritzelt habe. Das zog sich bis in die Volkschule weiter. Meine Eltern haben die Bilder auch in einer riesigen Kiste im Dachboden aufgehoben, aber ich hab schon ewig nicht mehr reingeschaut. Also damals schon kreativ ausgelassen, gab es dann eine Unterbrechung und erst mit 18 begann ich als Kommunikationsmittel eigentlich wieder damit, Wasserfarben auf Papier zu bringen.
Ich war verschlossen, introvertiert und wollte nicht wirklich über mich oder meine Kunst reden. Was ich gemalen hatte, versteckte ich. Alles heimlich. Meine Eltern waren auch nie kreativ, weshalb ich Angst hatte, sie könnten etwas Schlechtes denken, wie: „was macht der jetzt? Der soll die Zeit doch besser investieren.“
Bereits damals war meine Kunst schon etwas creepy, weshalb sich meine Mutter sorgen machte.
Ist dir schon damals der Gedanke gekommen, dass auch professionell ausführen? War das bereits das Fundament für das Kunststudium?
Erstmal wollte ich alles nur für mich machen und hatte eigentlich nicht vor, das professionell zu führen. Auch die Angewandte (Anm. d. Red.: Universität für angewandte Kunst Wien) war kein Ziel. Ich empfand meine Sachen als zu minder für die Uni.
Richie (Agent von Mr. Chaos) hatte mich dazu ermuntert, es auch auf der Angewandten zu probieren. Denn eigentlich habe ich Biologie beziehungsweise Zoologie studiert – das hat mich neben der Kunst schon immer interessiert, die Tier und Pflanzenwelt.
Daher auch der Einfluss in die Kunst, also. Man sieht das ja. Welche Rolle spielt das noch im Gesamtwerk Mr. Chaos?
Genau. Man sieht immer noch den Einfluss von Biologie und Anatomie. Kunst spiegelt also natürlich meine Interessen wider. Ich war auch schon 3-4 Mal im Narrenturm, wo ich mir das Archiv ansehen wollte mit den eingelegten Embryonen. Der Archivleiter hat mir damals leider erklärt, es wäre as ethischen Gründen geschlossen die Abteilung, was ich sehr schade finde.
Die Angewandte hat den Ruf, die Künstler:innen in einen eigenen Mainstream zu drängen. Bei dir ergibt sich dieser Eindruck aber überhaupt nicht. Wie hast du das selbst wahrgenommen? Wie ging man mit deiner Art der Kunst um?
Es ist teilweise schon mehr Ausbildung als Bildung. In Aktzeichnen habe ich das sehr stark gemerkt. Wenn 80 Studenten oder so in einem Raum sind und die Professoren erklären jedem fast dasselbe, dann kann am Ende auch nur dasselbe dabei rauskommen. Das hat man dann auch gemerkt, als zwei Drittel der Studenten genau das gleiche Endprodukt hatten – was auch logisch ist.
Andere Professor:innen lassen dir dann aber auch wieder viel Freiheiten. Ich war ein Sturkopf, ich bin Steinbock (Anm. d. Red.: im Sternzeichen) und hab dann halt trotzdem das gemacht, was ich will. Habe viel Gemecker von den Professor:innen bekommen, aber der damalige Vizedirektor hat mich stets aufgebaut und gesagt, ich solle mein Ding machen. Das hat mich als Anfang Zwanziger positiv bestärkt und aufgebaut.
Auf dem internationalen Kunstmarkt schlug sich das nieder. Natürlich ist meine Kunst für manch einen am Anfang abschreckend, aber ich blieb mir treu. Und so stach ich letztlich hervor. Sollte man sich ernsthaft für Kunst nicht nur als dekoratives Element interessieren, dann gibt es bei mir etwas, in dem man sich verlieren kann.
Inwieweit spürst du die Kapitalisierung des Kunstmarktes?
Natürlich spürt man das, weil viele Investor:innen etwas kaufen, das sie nicht einmal gesehen haben. Hat natürlich alles seine Vor- und Nachteile. Die Medaille hat bekanntlich stets zwei Seiten. Es ist nett zu verkaufen, aber es ist auch traurig, wenn die Sammler:innen keinen Bezug zu den Künstler:innen und deren Werke haben.
Wie bist du auf die Kunstfigur Mr. Chaos gekommen?
Es hat sich eigentlich ergeben. Ich habe nicht nach einer Kunstfigur gesucht, aber sie hat mich – das mag vielleicht blöd klingen – in ein paar Nächten in meinen Träumen heimgesucht.
Ich hatte stets das Gefühl, dass mein Ich, das zu sehen ist, noch nicht so ganz mit meiner Kunst harmoniert. Und vor allem durch mein Schaffen bemerkte ich, dass noch etwas als Bindeglied fehlt. Die Maske ist weniger eine Maske, sondern eher wie eine Prothese. Dadurch passt das optische auch mehr zum Charakter.
Wie vollzog sich deine bisherige Entwicklung in der Kunst und wo glaubst du, dass es noch hingeht?
Von der Leinwand zum Haptischen – das war ein großer Sprung. Anfangs war vieles persönlich, wobei ich mittlerweile auch sehr gesellschaftskritisch kunstschaffe.
Der Selbstfindungsprozess ist schon fortgeschritten und mittlerweile kann ich auch mit Witz, Charme und meiner eigenen Ästhetik die Welt betrachten. Ich habe eine Zeit lang versucht zu überlegen, wie ich es schaffe, meinem Stil treu zu bleiben und dennoch etwas zu schaffen, das die Leute noch eher kaufen würden. Was ich wiederum als einen blöden Gedanken empfinde, sich da selbst so zu stressen.
Aktuelle versuche ich mich ein wenig in bunteren Sachen. Farbenfroher. Weg vom Dunklen und Schweren, weil ich auch einen anderen Weg gehen möchte. Mein Inneres hat sich ja auch verändert.
Zum Abschluss bekam ich noch ein Kunstwerk von Mr. Chaos, das meinen persönlichen Geschmack sehr trifft. Für die Kunst selbst gilt festzuhalten, dass er eine klare Bereicherung darstellt. Nicht der EInheitsbrei, aber auch ohne gedrückt rebellisch zu sein. Er selbst halt. Das Chaos gefangen in ästhetischen Formen.
Über den Künstler:
Mr. Mag. Chaos
Wien
www.mrchaos.at
Kontakt: mr.chaos@gmx.at
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