Alkohol während der Schwangerschaft: Verharmlosung, hohe Quoten und Gefahren

Ein Glas Wein am Tag ist doch in Ordnung. Solche und andere Mythen, die den Alkoholkonsum während der Schwangerschaft verharmlosen sind ein großes Problem. Erstens, weil sie nicht stimmen und zweitens, weil es wissenschaftliche Erkenntnisse immer schwerer haben, sich medial durchzusetzen. Doch Tatsache bleibt. Alkohol vor und während der Schwangerschaft ist gesundheitlich fatal. Nicht nur Frauen, sondern AUCH Männer und Väter müssen endlich Verantwortung übernehmen.
Alkohol und Schwangerschaft: Trinkgewohnheiten variieren weltweit
Während die schädlichen Auswirkungen von Alkohol auf den sich entwickelnden Fötus wissenschaftlich gut erforscht sind, trinken viele Frauen während der Schwangerschaft weiter. Das Tinkverhalten während der Schwangerschaft variiert jedoch von Land zu Land. Nach Angaben des Center for Disease Control gibt eine von 10 (10,2%) der schwangeren Frauen in den USA an, in den letzten 30 Tagen Alkohol getrunken zu haben. Darüber hinaus berichten 3,1% der schwangeren Frauen von Rauschtrinken – 4 oder mehr alkoholische Getränke bei einer Gelegenheit.
Eine kürzlich durchgeführte Studie untersuchte 7000 Frauen in 11 europäischen Ländern und bewertete den Anteil der Frauen in Europa, die während der Schwangerschaft Alkohol trinken. Fast 16% der in Europa lebenden Frauen konsumierten während der Schwangerschaft Alkohol. Die Länder mit dem höchsten Anteil an Frauen, die während der Schwangerschaft Alkohol konsumierten, waren Großbritannien (28,5 %), Russland (26,5 %) und die Schweiz (20,9 %). Die Länder mit dem niedrigsten Anteil von Frauen, die Alkoholkonsum angaben, waren Norwegen (4,1 %), Schweden (7,2 %) und Polen (9,7 %). Interessanter Punkt der Studie: Die Frauen, die Alkoholkonsum während der Schwangerschaft angaben, waren eher älter, besser ausgebildet und erwerbstätig.
Grund für dieses fahrlässige Trinkverhalten?
Trotz zahlreicher Studien uns wissenschaftlicher Beweise, dass der Konsum von Alkohol während der Schwangerschaft eine Reihe von negativen Auswirkungen hat, muss man sich fragen, warum so viele Frauen während der Schwangerschaft weiterhin Alkohol zu sich nehmen. Hauptgrund dafür sehen viele im Fehlen einer klaren Botschaft und Aufklärung über die Risiken des Alkoholkonsums während der Schwangerschaft.
Die International Alliance of Responsible Drinking (IARD) unterhält eine Datenbank mit Richtlinien, die von Regierungsbehörden auf der ganzen Welt zum Alkoholkonsum von Schwangeren herausgegeben wurden. Während einige Länder überhaupt keine Richtlinien veröffentlichen, empfehlen die meisten Länder, während der Schwangerschaft keinen Alkohol zu konsumieren. Die Sprache, die dabei verwendet wird, um die Botschaft zu übermitteln, variiert jedoch erheblich. Heißt: die Schädlichkeit von Alkohol in der Schwangerschaft wird nicht klar genug kommuniziert, so die Annahme.
Verharmlosende Darstellungen des Themas „Alkohol während der Schwangerschaft“ in den Medien
Die Darstellung dieses Themas in den Medien spiegelt leider vermehrt die gesellschaftlichen Normen und Überzeugungen wider, anstatt den wissenschaftlichen Standpunkt klar zu vertreten. Dies führt zu teils sehr widersprüchlichen Empfehlungen zum Alkoholkonsum von Frauen während der Schwangerschaft.
Ein Artikel in der britischen Zeitung The Guardian. Der Titel: „Nur wenig Beweise dafür, dass leichtes Trinken in der Schwangerschaft schädlich ist, sagen Experten“. Ziel dieses Artikel: Frauen, die sich Sorgen über Ratschläge zur Abstinenz machen, sollte damit gesagt werden, dass es kaum Beweise dafür gibt, dass das ein oder andere Glas Wein dem Baby schadet. Um ein allgemeines Klima des sich Wohlfühlens und der Akzeptanz zu kreieren wird schlicht und einfach darauf verzichtet, die Menschen wirklich aufzuklären. Denkt man an das Wohl des Kindes, ist dieser Ansatz moralisch und ethisch mehr als Katastrophal.
Ein Glas Wein am Tag ist ok, oder? – Falsch!
Wie gravierend selbst kleine Dosen von Ethanol sind – die Bezeichnung für Alkohol, wenn man in der Wissenschaftlich darüber spricht -, erklärt die Neurowissenschafterin Dr. Manuela Macedonia in ihrem Buch Iss dich klug!
Eine Studie aus dem Jahre 2016 verweist auf ein Experiment, in dem Rattenembryos, die im Mutterleib über die Mutter Alkohol bekamen, Mikroblutungen im Gehirn zur Folge hatten. Man könnte jetzt annehmen, es müsse sich dabei jetzt um große Mengen handeln. Um binge drinking, also übermäßigen Konsum an Ethanol. Dem war aber nicht so! „Mikroblutungen konnten bereits beobachtet werden, wenn die Rattendamen die einem Glas Wein entsprechende Alkohol-Menge pro Tag verabreicht bekamen.“, so die Expertin.
Zur Erklärung: „Eine Mikroblutung ist der Austritt von Blut an einer bestimmten Stelle, ein kleiner Schlaganfall sozusagen. Betroffen sind Neurone und Netzwerke, die sich bereits gebildet haben. Die Zellen sterben, und die Verbindungen unter ihnen gehen kaputt. Dadurch sind die Speicherungen von Informationen und ihr Abruf beeinträchtigt.“, so Dr. Macedonia weiter. Konsequenzen dieser Alkoholzunahme: unter anderem motorische Defizite und Schäden im Kleinhirn (Zuständig für die Bewegungssteuerung). Dies führt später zu Beeinträchtigungen beim Lernen, Auffälligkeiten im sozialen Verhalten, Veränderung der Reaktion auf Stress und Suchtanfälligkeit.
FAS – das fötale Alkoholsyndrom
Leider kommen immer noch zu viele Babys mit Ethanolschäden auf die Welt. In Deutschland sind es um die 7.000 im Jahr. Fliehendes Kinn, fehlende Rinne zwischen Nase und Mund, Mandelaugen und ein verkürzter Nasenrücken sind typische Gesichtsmerkmale dieser Entwicklungsstörung.
Im Körperwuchs sind FAS-Kinder kleiner als Gleichaltrige. Auch deren Wahrnehmung ist in Mitleidenschaft gezogen. Sie können Höhe, Tiefe oder Hindernisse nicht richtig einschätzen. Daher verletzten sie sich auch öfter. Ihre kognitiven Fähigkeiten sind natürlich auch eingeschränkt. Sie lernen später sprechen, können sich schlecht konzentrieren, ihr Kurzzeitgedächtnis ist schwach und ihr Intelligenzquotient ist auch geringer als der eines Kindes ohne FAS.
Männer stehen genauso in der Pflicht wie Frauen – Alkohol vor der Schwangerschaft
Sollten Männer sich diesbezüglich jetzt zurücklehnen und die Verantwortung für das Wohl des Kindes allein den Frauen zuschieben wollen – dann muss man sie leider enttäuschen.
Eine schwedische Studie belegt, dass, um Alkoholschäden bevor, während und nach der Schwangerschaft vorzubeugen, eine gemeinsame Verantwortung übernommen werden muss, von Frauen und Männern. Warum? Auch die Spermien des Vaters machen laufend Veränderungen durch – abhängig vom Lebensstil des Vaters. „In diesem Sinne kann sich Alkoholkonsum bereits vor der Zeugung auswirken.“, so Dr. Macedonia in Bezug auf eine wissenschaftliche Studie.
Genauso wie jedes Erlebnis der Mutter das kindliche Gehirn erreicht, auch Stress – in Form von Cortisol wird es über die Plazenta an das Ungeborene weitergegeben, wordurch epigenetische Veränderungen im Fötus ausgelöst werden können – hat auch die Spermienstruktur einen Einfluss auf das Kind. „In der sozialen Interaktion sind Nachkommen von Tieren, die im Experiment Ethanol aufnehmen mussten, aggressiver, ängstlicher und depressiver als ihre Zeitgenossen, deren Väter nicht der Wissenschaft zuliebe dazu gezwungen wurden.“ Was man dagegen tun kann? Männer sollten mindestens ein halbes Jahr vor der Zeugung keinen Alkohol mehr trinken!
Alle zu gleichen Teilen verantwortlich
Geht es um das Wohl des Kindes, darum dass dieses ein gesundes und leistungsfähiges Gehirn entwickelt, sind beide (Mann und Frau) also zu gleichen Teilen verantwortlich. Doch nicht nur das Unterlassen des Alkoholkonsums ist wünschenswert. Eine ungesunde Ernährung wirkt sich ebenfalls nachteilig auf die Nachkommen aus.
Zugegeben machen diese neuen Erkenntnisse (von Dr. Macedonia in ihrem Buch gut zusammengefasst) das Kinderkriegen nicht einfacher. Doch ist die Verantwortung für ein anderes Leben zu übernehmen keine Kleinigkeit. Und um das beste für sein Kind herauszuholen, muss man und das ist vermutlich nicht ganz einfach, auch das besste für sich selbst wollen. In einer Welt der industriell vorgefertigten Verlockungen und einer breiten Palette an Drinks, bestimmt keine leichte Aufgabe.
Titelbild Credits: Shutterstock
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