Depressionen sind seit Jahren sehr weit verbreitet in unserer Gesellschaft. Einschätzungen zufolge geht man davon aus, dass momentan etwa 3,8 % der Gesamtgesellschaft an Depressionen leiden – dies sind um die 280 Millionen Menschen. Weiters sterben jährlich über 700 000 an Suizid, als Folge dieser Erkrankung. Wir nehmen euch mit auf einen Exkurs, von den Anzeichen einer Depression, über die Ursachen und Symptome, bis zur Hilfesuche oder -leistung.
Etwa 60 Prozent der Menschen, die Suizid begehen, leiden unter Depressionen, oder umgekehrt: An Depressionen erkrankte Personen haben ein 25 Mal höheres Risiko an Suizid zu sterben. Suizid ist die viert häufigste Todesursache bei 15- bis 29- Jährigen. Umso wichtiger ist es, die Anzeichen einer Depression früh zu erkennen.
Weiters werden Depressionen zwar häufiger bei Frauen diagnostiziert, dennoch sterben in Österreich etwa 4-mal so viele Männer wie Frauen an Suizid. Statistiken zufolge nahmen sich 2020 234 Frauen und 838 Männer das Leben. Schaut man sich die letzten zehn Jahre an, kann man sehen, dass die weibliche Suizidrate immer um 300 herum ist, während sie sich bei Männern im 900 Bereich befindet.
Dies kann daran liegen, dass unsere Gesellschaft sich noch immer sehr schwer dabei tut, dem männlichen Geschlecht Räume zu schaffen über ihre Emotionen, Schwächen und Probleme (vor allem psychische) zu sprechen.
Warum werden Menschen depressiv: Sind Depressionen neurologisch oder psychiatrisch bedingt?
In den meisten Fällen gibt es nicht den einen Auslöser, vielmehr handelt es sich um ein Zusammenspiel von mehreren Faktoren. Diese kann man in zwei Gruppen unterteilen: erbliche und Umweltfaktoren. Unter erblichen Faktoren versteht man die genetische Veranlagung eines Menschen. Mehrere Studien legen tatsächlich nahe, dass Depressionen eine genetische Komponente haben.
Der Wissenschaft zufolge wird das Risiko, an Depressionen zu erkranken, durch folgende Faktoren erhöht:
- Missbrauch (körperlicher, sexueller und psychologischer)
- das Alter
- die Einnahme bestimmter Medikamente (Isotretinoin (verwendet gegen Akne), das antivirale Medikament Alpha-Interferon und Kortikosteroide)
- Familiäre Probleme oder generell Konflikte im Leben, Tod und Verlust einer geliebten Person oder Lebewesens
- das Geschlecht
- die Genetik eines Menschens
- große Lebensereignisse (auch wenn sie positiv sind)
- chronische Krankheiten
Es ist fast unmöglich, diese Erkrankung auf einen bestimmten Auslöser oder Faktor zurückzuführen. Depressionen sind auch heute noch ein sehr komplexes Forschungsgebiet. Die Anzeichen einer Depression können jedoch auch ohne die Ursachenbestimmung erkannt werden.
Depression: Die neurologische Seite
Untersuchungen haben gezeigt, dass die Hirnstruktur von klinisch depressiven Menschen Veränderungen aufweist. Der Hippocampus, ein kleiner Teil des Gehirns, in dem unsere Erinnerungen gespeichert werden, ist zum Beispiel von Betroffenen kleiner, als der von Menschen, die nie an Depressionen gelitten haben. Ein kleinerer Hippocampus bedeutet gleichzeitig weniger Serotonin Rezeptoren.
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Serotonin ist ein Neurotransmitter, welcher bei uns Menschen auch als „Glückshormon“ bekannt ist. Serotonin soll sich positiv auf die Stimmung auswirken und unser Wohlbefinden fördern. Weiters spielt dieses Hormon auch eine wichtige Rolle in der menschlichen Gedächtnisleistung und Schlaf. Ein Mangel an Serotonin kann unter anderem zu Angstzuständen und Aggressivität führen. Warum der Hippocampus kleiner ist, konnte bis jetzt noch nicht erforscht werden.
Sidefact: Eine Studie jedoch belegte, dass der Hippocampus von Marihuana-Konsument:innen kleiner ist als jener von nicht-Konsument:innen.
Außerdem zeigten Studien, dass das Stresshormon Cortisol bei depressiven Menschen in einem Überschuss produziert wird. Cortisol soll einen negativen Effekt auf die Entwicklung des Hippocampus haben. Andere Experten wiederum stellten die These auf, dass depressive Menschen einfach mit einem kleinen Hippocampus geboren wurden und deshalb anfälliger für Depressionen sind.
Weiters geht die Forschung davon aus, dass noch andere Hirnregionen – neben dem Hippocampus – eine Rolle bei der Entstehung von Depressionen spielen könnten. Es ist nicht möglich, eine bestimmte Hirnstruktur mit klinischen Depressionen in Bezug zu setzen.
Welche Anzeichen einer Depression gibt es?
Problematisch an dieser Erkrankung ist die Tatsache, dass ihr oft unspezifische Frühsymptome voraus gehen. Diese Anzeichen sind oftmals schwer einzuordnen, da sie auf verschiedene andere Erkrankungen hinweisen können. Weiters können diese Frühsymptome plötzlich und ohne Anlass auftreten. Oder sie treten erst langsam als Reaktion auf eine belastende Situation auf, welche sich schon vor Wochen oder Monaten abgespielt hat. Diese Symptome können sich dann zu einer depressiven Phase entwickeln.
Mögliche erste Anzeichen für Depressionen sind:
- Müdigkeit, fehlender Antrieb und keine Energie: Neben der gedrückten Stimmung verspüren Betroffene oftmals ein dauerhaftes, tiefes Erschöpfungsgefühl. Weiters kommt es zum völligen Verlust von Freude und Interesse an der Welt. Man könnte hier von einem apathischen Zustand sprechen. Betroffene fühlen sich oftmals isoliert und von der Welt abgeschnitten.
- Verlust der Libido
- Reizbarkeit, missmutige Stimmungslage
- Körperliche Schmerzen (oft unspezifische Kopf- oder Bauchschmerzen)
- Schlafstörungen: Betroffene schlafen zu viel oder gar nicht. Wir haben übrigens 10 Tipps gegen Schlafstörungen von einer Therapeutin für euch.
- Angstgefühle: Angststörungen und Depressionen können in vielen Fällen Hand in Hand gehen. Anxiety wird als eines der Symptome klinischer Depressionen gelistet. Weiters ist es in vielen Fällen so, dass Depressionen als Folge einer Angststörung (generalisierten Angststörung, Separation Anxiety Disorder) auftreten.
- Appetitlosigkeit
Sollten mehrere dieser Symptome gleichzeitig und dauerhaft über einen Zeitraum von zwei Wochen anhalten, sollte unbedingt ärztlicher Rat herangezogen werden. Es könnte sich eben um Anzeichen einer Depression handeln.
Symptome, die eher seltener thematisiert werden:
Aggressives Verhalten: Vor allem bei Männern Anzeichen einer Depression
Eine Thematik, die viel zu selten thematisiert ist, ist die Tatsache, dass die Symptome einer Depression geschlechtsabhängig sein können. Aggressionen gelten als eines der „selteneren“ Symptomen einer klinischen Depression.
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Doch Tatsache ist, dass Aggressionen das häufigste Symptom bei depressiven Männern sind. Das heißt nicht, dass nur Männer dieses Symptom aufzeigen. Viele Frauen neigen zu reizbarem, aggressivem Verhalten.
Depressionen können Dissoziationen zur Folge haben
„Weggetreten sein“, „nicht man selbst sein“, „neben sich stehen“ – solche gängigen Redewendungen beschreiben Zustände, die jeder von uns ab und zu erlebt. Kurz gesagt: Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen, die wir sonst gleichzeitig erleben sind voneinander getrennt. In der Psychologie spricht man von dem Verlust der psychischen Integration des Erlebten.
Betroffene Personen reagieren auf belastende Ereignisse mit der Abspaltung von Erinnerungen oder gar ganzen Teilen ihrer Persönlichkeit. Dies kann zu einer Art Amnesie oder einem Taubheitsgefühl im Körper fühlen. Betroffene fühlen sich wie isoliert oder in Watte gepackt. Als wären sie nicht wirklich in ihrem Körper drinnen.
Depression Brain – Gedächntnisverlust
Dissoziationen und Gedächntnisverlust gehen Hand in Hand. Was dazu führen kann, dass Menschen, die mit Depressionen zu kämpfen haben, oftmals Gedächtnislücken aufweisen. Weiters spricht man hier von einer sogenannten Cognitive Disfunction (CD) – bekannt als Hirnnebel (Brain Fog) oder Depression Brain. CD wirkt sich auf die Fähigkeit klar zu denken, auf das Gedächtnis, die Reaktion- und Ausführungsfähigkeiten aus. CD betrifft etwa 85-94 Prozent der an Depressionen erkrankten Personen.
Überkompensation durch erzwungene Glücksgefühle: Erzwungene Fröhlichkeit als Anzeichen einer Depression
Diesen Zustand, den Betroffene erleben, nennt man auch „Smiling Depression“ (Lächelnde Depression). Der Begriff beschreibt jemanden, der an Depressionen leidet, dies aber nicht nach außen hin zeigt.
Betroffenen scheinen ihr Leben im Griff zu haben. Mehr noch: Sie scheinen glücklich und zufrieden. Oftmals sind sie sich selber nicht bewusst, dass es sich um Depressionen handelt. Das Lächeln und die guten Laune sind hier sozusagen ein Schutzmechanismus. Weiters empfinden Betroffene oftmals einen starken Drang, alles richtig zu machen und perfekt zu sein. Sie haben unglaubliche Angst davor, jemanden zur Last zu fallen und sind überzeugt davon alles alleine schaffen zu müssen.
Dies hat zur Folge, dass oftmals Erschöpfungssymptome und Minderwertigkeitsgefühle auftreten. Betroffene fühlen sich wie Hochstapler. Da die Außenwelt nicht erkennt, wie es einem wirklich geht, kommt es auch zu Gefühlen von Einsamkeit und Isolation. Dies kann auf lange Sicht zu Suizidgedanken führen.
Depressionen – Darstellung der Symptomatik in Medien
Wenn man sich die mediale Darstellung dieser Erkrankung ansieht, insbesondere Werbungen, welche für Antidepressiva und ähnliche Substanzen werben, könnte man von einer pharmazeutischen Stigmatisierung von Depressionen sprechen. Weiters wird mit diesen Werbungen vermittelt, dass Depressionen ein weibliches Problem seien.
Doch nicht nur das: Die Frauen in den Werbefilmen schauen oftmals ungepflegt und übermüdet aus. Nach der Behandlung, für die geworben wird, werden sie oftmals viel attraktiver dargestellt und in vielen Fällen mit einem Mann an ihrer Seite.
Doch nicht nur Werbungen prägen unser gesellschaftliches Bild dieser Erkrankung. Eine Analyse von Artikeln über Depressionen aus beliebten Männermagazinen – wie zum Beispiel Mens Health und Sports Illustrated – haben gezeigt, dass männliche Depressionen fast ausschließlich als Erfolgsgeschichten dargestellt werden. Der Fokus wird auf den Erfolg in der Karriere gelegt und nicht auf die Gefühle oder die Details der Erkrankung.
Neben der geschlechterspezifischen Darstellung findet man auch heute noch viele Stigmata und verzerrte Bilder von psychischen Erkrankungen in den Medien. Was zur Folge hat, dass Vorurteile bestärkt und Betroffene noch mehr ausgegrenzt und isoliert werden.
Was tun, wenn man selbst oder eine geliebte Person betroffen ist?
Bemerkst du Anzeichen einer Depression bei jemanden aus deinem Bekanntenkreis, solltest du auf jeden Fall handeln. Wichtig ist es, nicht zu werten oder die Person gleich mit gut gemeinten Ratschlägen zu bombardieren. Nachfragen und vor allem zuhören ist der erste und vielleicht auch der wichtigste Schritt. Kommentare wie : „Aber du hast es so gut, andere haben es schlimmer“ sollte man auf jeden Fall unterlassen.
Viele Menschen, die an Depressionen leiden, empfinden oftmals eine tiefe Scham. Was es natürlich schwer macht, für sie sich Hilfe zu suchen. Weiters kosten Depressionen einem Menschen viel Kraft. Dies führt dazu, dass die einfachsten Aufgaben wie Telefonate oder Terminbuchungen zu einer unüberwindbaren Hürde werden. Anzubieten diese Aufgaben zu übernehmen, kann depressive Menschen entlasten.
Sollte sich die betroffene Person weigern einen Psychologen aufzusuchen, kann man ihr zu erst einmal raten, zu einem Allgemeinmediziner zu gehen. Auch ein einfacher Besuch beim Hausarzt ist schon ein gr0ßer Schritt. Denn es ist eine Verbindung zu einer ersten Form der Hilfe. In weiterer Folge bekommen Betroffene auch Therapie auf Krankenschein.
Depressionen kosten nicht nur viel Kraft. Betroffene haben auch Angst. Oftmals wissen sie, dass etwas nicht in Ordnung ist. Aber es ist nicht leicht sich einzugestehen, dass man ein psychisches Problem hat. Dies kann zu einer Aversion gegenüber Psychologen und Helfern führen.
Einfache Unterstützung und Verständnis
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Unterstützung im alltäglichen Leben. Man könnte zum Beispiel anbieten, im Haushalt zu helfen oder zusammen einkaufen zu gehen. An Depressionen erkrankte Menschen haben oftmals nicht nur keine Energie für den Haushalt, auch Sachen wie Körperpflege können einem schwer fallen.
Man kann Betroffene zu einem Bad oder einer Dusche motivieren, indem man alles vorbereitet. Weiters kann man ihre Haare bürsten oder ihnen saubere Kleidung rauslegen. Betroffene sehen oftmals keinen Sinn mehr in solchen Kleinigkeiten. Dennoch können diese dazu beitragen, dass sie sich etwas wohler in ihrem Körper fühlen. Auch ein kleiner Spaziergang und etwas frische Luft können schon von großer Bedeutung für das Wohlergehen sein.
All dies soll man mit Gefühl und sanft an die betroffene Person herantragen. Man darf depressive Menschen auf keinen Fall zu sehr bedrängen oder ihnen Vorwürfe machen. Sätze wie: „Natürlich geht es dir nicht besser, wenn du nur zuhause sitzt.“ sind kontraproduktiv. Sie erzeugen enormen Druck bei Erkrankten und können die Symptome sogar verstärken.
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