Zu dick, zu dünn, zu maskulin, zu feminin. Jeder muss in seinem Leben immer wieder Kritik am eignen Körper erfahren. Sei es von der Familie, dem potenziellen Schwarm oder – dank Social Media – sogar von wildfremden Menschen. Besonders dadurch hat sich der Druck, perfekt aussehen zu müssen, verstärkt. Während wir ständig mit anderen vergleichen, ist unser Web-Auftritt zugleich auch willkommene Angriffsfläche für Hater, über unseren Körper zu urteilen. Doch wie kann man mit Bodyshaming am besten umgehen und woher kommt dieser Drang, das Aussehen anderer zu kritisieren?
Bodyshaming – niemand ist davor sicher
Ob Ashley Graham, Kate Upton oder auch das deutsche Model Sarina Nowak. Diese und viele andere Plus Size Models sind schon lange fixe Größen auf den Laufstegen internationaler Brands. Trotzdem haben vor allem kurvige Frauen immer wieder mit Beleidigungen über ihre Körperform zu kämpfen.
Doch Bodyshaming kann auch in die andere Richtung gehen. Stichwort: Skinny Shaming! Bestes Beispiel ist das erst kürzlich gepostete Bild von Khloé Kardashian auf Instagram. Auf diesem zeigt sich die 38-Jährige anlässlich ihres Geburtstages in einem engen, pinken Latexkleid. „Khloé Kardashian auffällig dünn: Ihre Fans machen sich Sorgen“ oder „Reality-Star Khloe Kardashian wird immer dünner“, hieß es in den Medien, um nur einige Schlagzeilen zu nennen. Trotz der Body Positivity Bewegung bleibt Bodyshaming also nach wie vor an der Tagesordnung.
Social Media: Bodyshaming 2.0
Schönheitsideale sind einem stetigen Wandel unterworfen und jede historische Epoche bringt ihre ganz eigenen hervor. Schaut man sich beispielsweise die Venus von Willendorf an, kann man davon ausgehen, dass in der Altsteinzeit wohl kurvige Frauen sehr gefragt waren. Dasselbe gilt auch für das alte Rom, wo das Bäuchlein mit Wohlstand assoziiert wurde. Selbst die Ikonen der 50er Jahre wie Marilyn Monroe waren für ihre Kurven bekannt. Erst später erlebten sportliche, schlanke bis hin zu gar mageren Körperformen ihren Boom.
Was jedoch alle Schönheitsideale gemein haben: Sie waren immer schon umstritten und der Bewertung durch andere ausgesetzt. Insbesondere durch die sozialen Medien hat sich jedoch eine völlig neue Dynamik entwickelt – das zeigt auch das Störungsbild der Body Dysmorphic Disorder. Das Thema „Aussehen“ ist viel stärker in den Fokus gerückt: Ob Frauen, die ihre Follower vom ersten Beratungstermin bis zum Verband-Abnehmen nach der Beauty-OP mitnehmen. Oder Challenges wie die „Thigh Gap Challenge“ oder die „Collarbone Challenge“. Das Thema „Aussehen“ ist omnipräsent und überall findet man neue Ansätze zum Optimieren seines Selbst.
Jung, schlank und dynamisch zu sein, wird immer mehr an den persönlichen Erfolg geknüpft. Sich selbst im besten Licht zu präsentieren und seinen „Erfolg“ in den sozialen Medien zu teilen, ist schon ab den jungen Jahren gängige Praxis. „Wer sich an gängigen Körpernormen orientiert, lenkt Aufmerksamkeit auf sich, bekommt positives Feedback und ist in den Peerkulturen anerkannt. Wer hingegen mit den akzeptierten Attraktivitätsstandards bricht, läuft Gefahr, mit heftigem ‚Disrespect‘ konfrontiert zu werden“, heißt es etwa in einer Studie des Wiener Programms für Frauengesundheit aus dem Jahr 2016/2017. So wundert es nicht, dass vor allem Jugendliche unter dem ständigen Druck, makellos aussehen zu müssen, psychische Probleme oder Essstörungen entwickeln.
Völlig gestört!
Erst kürzlich veröffentlichte das Unternehmen Bumble, der Anbieter einer Dating-Plattform, eine Studie, wonach rund 51 Prozent der befragten Singles angaben, sich seit Corona nicht mehr so selbstbewusst zu fühlen wie vorher. Von diesen 51 Prozent haben wiederum 45 Prozent schon einmal ein Date aus Angst, Bodyshaming erleben zu müssen, abgesagt.
Die Lebensqualität leidet durch den Druck, einem von der Gesellschaft ernannten Ideal entsprechen zu müssen – und das vielleicht gar nicht zu können. Das ist allerdings noch gar nichts im Vergleich zu den psychischen Störungen, die sich durch den ständigen Perfektionsdruck entwickeln können: So steigen die Zahlen der Mädchen, die an Anorexie leiden, stetig.
Laut einer kanadischen Übersichtsarbeit mit 53 berücksichtigten Studien von Danel Devoe hat sich die Häufigkeit von schweren Essstörungen während der Pandemie noch einmal um fast die Hälfte erhöht. Ausschlaggebend seien dafür vor allem die Kombination aus Einsamkeit, dem Verlust der Tagesstruktur, dem Rückgang sozialer Beziehungen und der damit einhergehende kompensatorisch gesteigerte Konsum von digitalen Medien.
Positive Disziplinierungsmaßnahme – Warum Bodyshaming?
Wer in seiner Kindheit schon einmal mit Mobbing oder Bodyshaming – was im Übrigen ebenfalls eine Form von Mobbing ist – zu tun hatte, erinnert sich sicher an einen bekannten Spruch vieler Mamas, der einem Trost spenden soll: „Diese Menschen sagen solche Dinge nur, weil sie unzufrieden mit sich selbst sind.“ Im Grunde stimmt das auch so. Indem wir auf anderen herumhacken, sie beleidigen oder abwerten, wollen wir in den meisten Fällen tatsächlich einfach selbst besser dastehen.
Aber noch ein anderer Faktor spielt eine wichtige Rolle bei der Frage, warum wir andere Körperformen bewerten. Nachdem Dünn-Sein nun schon länger als gesellschaftliches Ideal gilt und damit für viele eine Menge Arbeit wie etwa regelmäßiges Treiben von Sport oder Restriktionen in der Ernährung einhergehen, stempeln wir mehrgewichtige Menschen gerne als faul ab. Wenn wir sie dann für ihr Verhalten bzw. ihre Körperform verurteilen, wird das in der Gesellschaft als positive Disziplinierungsmaßnahme angesehen.
Was wir dabei völlig außer Acht lassen: Eine Körperform ist nichts, was man sich aussucht! Klar, bis zu einem gewissen Grad können wir unser Aussehen beeinflussen, aber auch das hat seine Grenzen.
Hilfe, ich bin ein Hater!
Hand aufs Herz: Wir haben uns vermutlich alle schon einmal selbst dabei ertappt, wie wir etwas Fieses über die Figur eines anderen gedacht haben oder es sogar ausgesprochen haben. Das ist menschlich. Allerdings liegt es in unserer Hand, unser Denken zu verändern und unser Bewertungsmuster umzuprogrammieren, um Bodyshaming Einhalt zu gebieten.
Wann immer wir dazu verleitet werden, einen anderen aufgrund seines Körpers gedanklich abzuwerten, sollten wir uns fragen, warum wir diesen Drang verspürt haben. Anschließend sollten wir uns erinnern, wie unangenehm es für uns selbst war, als wir einmal der Empfänger von Hate waren. Auch das Sprechen über verschiedene Körperformen hilft.
Von Germanys Next Topmodel darf man da natürlich halten, was man will. Doch durch das Zeigen von „diverseren“ Körpertypen wurde der Diskurs über Körpernormen zumindest angeregt. Nur so lassen sich unsere abgespeicherten Bewertungsstandards auf lange Sicht verändern sowie die Gesellschaft und deren Perfektionsdrang ein klein wenig besser machen. Und eine Verbesserung ist mehr als notwendig. Denn Shaming ist mittlerweile leider ein Phänomen, das sämtliche Bereiche des Menschseins erfasst hat.
Titelbild © Alexander Krivitskiy via unsplash
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