Fußballgott Zlatan Ibrahimović – Autobiographie im Zeichen der Wohlstandverwahrlosung

Nach seinem Bestseller „Ich bin Zlatan Ibrahimović“ aus dem Jahre 2013 legt der Ausnahmekicker seine zweite Autobiographie „Adrenalin“ vor. Wir haben das Buch für euch gelesen und geben unseren literarischen WARDA-Senf dazu. Check it!
Zlatan Ibrahimović die Erste: sein erstes Buch
Zlatan Ibrahimovićs Erstlingswerk „Ich bin Zlatan Ibrahimović“ hat durchaus eingeschlagen wie eine Bombe. Laut schwedischen Medienberichten erzählt er darin mehr über das vermeintliche Integrationsmusterland Schweden, als so mancher Sozialbericht. In Schweden verkaufte sich das Buch über 700.000-mal und ist eines der erfolgreichsten Bücher in Schweden überhaupt. Es wurde darüber hinaus in mehrere Sprachen übersetzt.
Die Stärken darin waren oder sind zweifelsohne die kompromisslosen Rundumschläge – gekoppelt mit Wortwitz und Wut –, die Ibrahimović auch noch heute auszuteilen vermag. Schonungslos rechnet der selbsternannte Fußballgott ab. Mit seiner Kindheit, aber vor allem mit dem Fußball. Eigentlich eher mit jenen Vertreter*innen der Zunft, von denen er sich auf den Schlips getreten fühlt.
Wie dem auch sei, die Ursprünge für seine markanten und amüsanten Sprüche, die in den darauffolgenden Jahren folgen sollten, kann man hier gut auf den Grund gehen. Das Erstlingswerk der lebenden Fußballlegende ist vor allem für Fußballinteressierte recht unterhaltsam, weil er austeilt wie Dieter Bohlen und nebenbei auch interessante Einblick in ansonsten interne Fußball-Geheimnisse gibt. Allem voran seinen Zwist mit dem Weltklassefußballtrainer Pep Guardiola, der den Ferrari Ibrahimović behandelt haben soll, wie einen Fiat.
Zlatans Ibrahimović Adrenalinpegel: Adrenalin light
Disclaimer: Zlatan Ibrahimovićs Buch „Adrenalin“ ist anders als der Vorgänger. Leider, muss man sagen. Der Junge aus der einstigen Gosse Schwedens – obwohl die Problemviertel dort um einiges unproblematischer sind, als in den meisten anderen Städten Europas, zumindest bezüglich Infrastruktur – ist jetzt reich und berühmt und hat plötzlich ganz andere Probleme als noch vor über 10 Jahren. Obwohl er damals natürlich auch schon berühmt, reich und erfolgreich war. Doch der Gossenjunge steckte damals zumindest immer noch in ihm. Das ist nun vorbei und was wir sehen und bedauerlicherweise auch lesen müssen, ist bedauerlicherweise das Lamentieren eines wohlstandsverwahrlosten Bonzen, der uns seine „Probleme“ schildert. Und bestätigt nebenbei, dass die Reichen eben doch die größten Klimasünder sind.
Der struggle der rich and famous
Zlatan ist ruhiger geworden, teilt er uns mit, erwachsen. Mitunter auch ein Grund, warum er in diesem Buch nicht mehr so unterhaltsam austeilt, wie man es eigentlich von ihm gewohnt ist. Und das ist schade, denn im Grunde war das einer der wenigen Gründe, warum man das erste Buch überhaupt in die Hand genommen hat. Anstatt flotter Sprüche bekommt man jedoch etwas anderes zu lesen. In seinem Buch Adrenalin suhlt sich Ibrahimovićs geradezu obszön in einem Opferpool, in den viele privilegierte Menschen mittlerweile gerne kopfüber eintauchen.
Man kann es gar nicht mehr hören, wenn Stars einem damit kommen, wie arm sie doch sind und wie der Ruhm sie alle kaputt gemacht hat. Ehrlich!? Das ist euer Problem? Dass ihr massenhaft Geld habt. Daran jedoch zugrunde geht, weil euch alle Türen offenstehen und ihr nicht wisst, was ihr tun sollt? Während andere versuchen ihr Leben irgendwie auf die Reihe zu bekommen, lamentiert ihr wohlstandsprivilegierten Hampelmänner und -frauen darüber, wie arm ihr doch seid und wie euch euer Geld nicht glücklich macht. Geht’s doch alle scheißen! Kann das überhaupt noch jemand hören?
Zlatans Ibrahimovićs Probleme
Interessiert es uns wirklich, was sich Zlatan bei der Namensgebung seiner Jacht gedacht hat? Oder dass er lieber im Privatjet fliegt, weil er gerne ruhig und ungestört verreist. Da muss man seine Frau fast schon in Ehren halten, da diese immer „lieber Linie fliegt und sogar die billigsten Flüge auswählt“. Dass der jüngste Sohn verblüfft ist, als er das erste Mal mit ihr fliegt und sich über die vielen Leute „in deren Flugzeug“ wundert (da er ja Privatjet gewohnt ist) verdeutlicht eigentlich nur, mit was für einem Verständnis die Reichen später dann durchs Leben gehen werden. Zlatans Liebe zu schnellen und vor allem teuren Autos? Alles nur, um diesem furchtbaren Ruhm zu entfliehen, Vollgas! Apropos Privatjets: ein Dauerthema in der millionenschweren Fußballspieler-Bubble.
Doch natürlich gibt Zlatan der Gesellschaft auch zurück – obwohl diese Behauptung extrem abstrakt bleibt. Genauso abstrakt wie das Zurückgeben der meisten reichen Menschen, die sich ihre vermeintlichen Wohltaten irgendwie zu Recht definieren. Sie haben eine Firma und stellen Leute an, schaffen Jobs. Das ist deren Wohltat. Wobei sie mit diesen Jobs ja eigentlich viel Geld verdienen, denn sonst würden sie ja niemanden anstellen, wenn es sich für sie nicht auszahlen würde. Aber genau das ist die Wohltätigkeit für sie. Ich stelle doch jemanden nur an, damit diese Person mit mehr Geld erwirtschaftet – einen Mehrwert. Niemand stellt jemanden an, wenn es sich nicht auszahlen würde. Aber genug davon.
Die fast verblasste schwere Kindheit
Darüber hinaus ist es auch umso erstaunlicher, wie Ibrahimović bei jeder Gelegenheit oder auch einfach nur so, seine schwere Kindheit herauf zitiert. Um was damit zu bezwecken? Uns vorzugaukeln, er wäre immer noch der Junge von der Straße, um so etwas wie Authentizität in seinen Aussagen zu bringen.
Zlatan so etwas wie Verstellung vorzuwerfen, wäre natürlich komplett daneben. Denn es stimmt, er ist total offen und ehrlich mit seinen Worten, er beschönigt nichts. Er sagt, wie es ist. Und das ist etwas, dass man ihm durchaus hoch anrechnen muss. Was jedoch sauer aufstoßen lässt, ist die schonungslose Schwelgerei im eigenen Luxus, der aber jedoch als große Last verkauft wird. Zlatan ist ehrlich und veranschaulicht wie kein anderer den gegenwärtigen Trend, sich als Opfer zu interpretieren, egal, ob man arm ist oder reich. Im Grunde sucht jeder nur nach irgendeinem Punkt in seiner Biografie, die er oder sie als Unterdrückung, Benachteiligung oder Ungerechtigkeit verkaufen kann.
Fazit
Von dem Buch hätte man sich mehr erwartet – einen weiteren verbalen Rundumschlag à la Chuck Norris, der die Fußballwelt und ihre Stars und Sternchen so richtig durch den Kakao zieht. Ein flotter Seitenhieb, gegen alles und jeden. Passiert jedoch alles nicht. Stattdessen gibt es die ultimative Beweihräucherung eines mittlerweile privilegierten Menschen, der phasenweise immer noch so tut, als wäre er es nicht. Ohne es zu wissen, offenbart uns Zlatan, die gegenwärtige Praxis der Reichen und Berühmte, die sich mittlerweile alles unter den Nagel reißen, sogar auch noch das eigentliche Privileg der Armen, arm zu sein. Sogar das nehmen sie den Armen noch.
Titelbild © Shutterstock
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