Tantra 4.0. Modernes Masturbieren meets Meditation. Willkommen beim neuen Sex-Trend „Gooning“. Dabei sollen Stunden, teilweise sogar Tage durchgehend mit Selbstbefriedigung verbracht werden. Das alles, um einen Trance-Zustand zu erreichen. Was an dem Trend dran ist und warum dieser gefährlich werden kann, erfährst du in unserem Artikel.
Neue Kategorie: Gooning
„MILF“, „Gangbang“ „big tits“ Squirt“ und viele weitere. Die Kategorien der Pornoseiten bzw. die Bezeichnungen nach welcher Art von Porno die Menschen online genau suchen sind wohl jedem und jeder bekannt. Unlängst ist jedoch eine ganz neue und sehr spezielle Kategorie aufgetaucht. Still und heimlich deuten die Google-Suchanfragen einen wachsenden Trend an.
Das sogenannte „Gooning“ gewinnt zunehmend an Beliebtheit. Dabei handelt es sich um eine längere Phase der Masturbation, bei der ein Kontrollverlust, in den besten Fällen sogar das Erreichen eines Trance-Zustands erreicht werden soll, wie die Sexologin Sunny Megatron in einem ihrer YouTube-Videos erklärt.
Gooning vs. Edging
Gooning ist Megatron zufolge der spirituelle und transzendente Zustand eines Fast-Orgasmus, bei dem man sich in seinen Wünschen und Fantasien nahezu vollkommen auflöst und verliert. Was sich der Sexologin zufolge auf den ersten Blick anhört wie Edging – eine Masturbationsmethode, bei der der Höhepunkt (Orgasmus) immer wieder hinausgezögert wird, um das Begehren immer weiter anwachsen zu lassen – birgt jedoch einige Unterschiede.
Gehe es beim Gooning schließlich darum, die Verbindung zur Außenwelt ganz zu verlieren. Hilfreich dabei: ein Umfeld, das von Pornos dominiert wird. Viele Bildschirme sind beim Gooning daher ein Muss. Auf allen laufen verschiedene Pornos gleichzeitig. Das ganze Blickfeld ist umsäumt von Pornografie. Der Gooner taucht ein in die Vielzahl der Bildschirme, Geräusche und Empfindungen. Dabei erreicht er oder sie einen tranceartigen, euphorischen Zustand, verliert das Zeitgefühl und die Verbindung zur Realität, und lebt voll und ganz im Rausch.
Goon Cave
Sogar das Umfeld der Gooner hat einen eigenen Namen und nennt sich „Goon Cave“. Ein Gooner beschreibt gegenüber dem Magazin „Vice“ seine Erfahrungen folgendermaßen: „Ich kann auf einen Bildschirm oder ein Magazin starren, aber auch die Ränder meines Blickfelds sind ständig ausgefüllt und ich höre überall um mich herum Geräusche“, sagt er. „Das alles sorgt dafür, dass ich stundenlang beschäftigt bin.“
Die ganze Aufmerksamkeit wird so zwangsläufig auf das Erotische bzw. das Pornoesque fokussiert, wie ein anderer Gooner beschreibt: „Ich lasse mehrere Pornos laufen, manchmal gibt es langweilige Stellen, die mich nicht ansprechen. Anstatt vorzuspulen kann ich einfach auf einen anderen Bildschirm gucken.“
Gooning und die Drogen
Beim Erreichen eines Trance-Zustands ist für Gewöhnlich auch der Griff zu (oft bewusstseinserweiternden) Hilfsmittel nicht weit. Und in der Tat, bewusstseinserweiternde Substanzen spielen auch beim Gooning teilweise eine Rolle.
„Einige Gooner verwenden Poppers, verschreibungspflichtige Medikamente oder illegale Drogen, um ihre Sessions zu intensivieren oder in die Länge zu ziehen.“, liest man zum Beispiel im Vice. Ein Reddit-User schwört demnach auf amphetaminhaltige ADHS-Medikamente.
Das alles nur, um sich auf die Pornos um einen herum besser fixieren zu können. Aber nicht nur. Diese „Hilfsmittel“ machen auch weniger empfindlich, was es einem leichter macht, an der Orgasmusschwelle ausharren zu können, ohne in den Genuss des Höhepunkts zu kommen. Der Traum endlos zu Masturbieren ist da natürlich zum Greifen nahe.
Nach der dritten oder vierten Stunde soll, laut Erfahrungsberichten, die Stimulation sogar ein ganz neues Level erreichen. Dabei soll der Wunsch in einem laut werden, niemals kommen zu wollen. Denn wenn man kommt, kann man nicht mehr edgen, und wenn man nicht mehr edgen kann, kann man auch nicht mehr goonen. Zwischen dem Gooning und dem Edging gibt es somit eine enge Interdependenz.
Goon-Kultur
Ein interessanter Aspekt des Gooning ist auch der Sharing-Charakter. Auch wenn die Goon Cave für viele Gooner natürlich ein heiliger Ort ist, der auch vor den jeweiligen Partner*innen geheimgehalten wird — bzw. wird die Goon Cave immer erst dann aufgebaut, sobald diese*r aus dem Haus ist — teilen die Gooner ihre privacy dennoch gerne mit anderen. Sodass sich sogar eine ernstzunehmende Gooning-Comunity gebildet hat.
Der Subreddit r/gooncaves zählt derzeit etwas über 54.000 Mitglieder. Die Mehrheit der Mitglieder nutzt dieses Forum, um Bilder ihrer Einrichtungen zu teilen oder um über die Videos zu sprechen, die sie sich gerade ansehen. Es gibt auch einige, die die Community darüber informieren, wann sie eine Goon-Session starten und bereit sind, über Direktnachrichten zu chatten.
Gooning: Warum der neue Sex-Trend gefährlich sein kann
Doch der Trend zum Gooning ist neben dem versprochenen Trance-Zustand aber vor allem eines: problematisch. Denn es ist nicht ungefährlich, sich über einen längeren Zeitraum hinweg ausschließlich der Masturbation und Pornografie hinzugeben.
Zum einen, weil es zu einer Isolierung führen kann — was, da das Gooning auch ein soziales Event ist, vielleicht nicht so wahrscheinlich ist. Zum anderen besteht jedoch auch die Gefahr, die Balance zu verlieren, wie auch eine Aussage im Vice nahelegt. Es ist naheliegend, sich komplett in seiner eigenen Fantasie, die nur aus Pornografie besteht zu verlieren. Und darüber hinaus den Kontakt zur Realität – zur sexuellen Zweisamkeit mit einem anderen menschlichen Wesen – zu verlieren, da man nur noch in seiner eigen Porno-Fantasie lebt.
Diese Flucht vor dem Alltagsleben und der schwindende Kontakt zur äußeren Welt können darüber hinaus auch dazu führen, dass Gooner soziale Aktivitäten und Freundschaften vernachlässigen und Schwierigkeiten mit langanhaltenden Beziehungen erleben.
Hinzu kommt natürlich das schon erwähnte Problem, dass einige Gooner auf Medikamente oder Drogen zurückgreifen, um ihre Sessions zu intensivieren. Was wiederum weitere Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit haben kann und sie noch stärker aus der Realität entzieht. Pornosucht ist da ein großer Faktor.
Gooning: ein Fazit
Im Grunde ist die Hinauszögerung des sexuellen Höhepunktes nichts Neues. Diverse Tantra-Ströme gingen schon in den 1960er Jahren damit hausieren, um sich die monetäre Gunst finanzstarker Westler*innen zu sichern. Auch da ging es darum, durch das Hinauszögern des Orgasmus (heute Edging genannt) einen höheren Zustand des Bewusstseins zu erreichen.
In diesem Sinne hört sich Gooning eigentlich so an wie all diese „speziellen“ Tantra-Lehren zusammen, gekoppelt natürlich mit einem exzessiven Pornokonsum. Die Gefahr ist dabei augenscheinlich. Die Befürchtung, dass es weniger um das Bewusstwerden (aka Erwachen) geht, als vielmehr um den nächsten sexuellen Kick, naheliegend. Spricht man doch vom Gooning mittlerweile schon als vom „ersten großen neuen Fetisch der 2020er“. Obwohl das einzig neue vielleicht der exzessive Pornokonsum ist, aber auch das ist eigentlich schon ein alter Hut.
Titelbild © Shutterstock
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