Italien hat seit Kurzem eine neue Regierung, welche sich anscheinend an Raver und feiernden Menschen stört. Die Fratelli d’Italia, bestehend aus rechtsextremen, rechtsradikalen, rechtsnationalen und rechtspopulistischen Teilorganisationen und Mitgliedern, konnte mit 26 % der Stimmen den ersten Platz in Italien für sich beanspruchen. Mit ausschlaggebend für den Wahlerfolg war die Parteivorsitzende Georgia Meloni. Am Halloween-Wochenende gingen nun die Behörden auf Anordnung des neuen Innenministeriums gegen feiernde und tanzende Menschen vor. Mit einem Polizeiaufgebot wurde eine Rave-Party aufgelöst. Gleichzeitig ließ man Faschisten unbehelligt Mussolini gedenken. Wie konnte es so weit kommen und was haben Raver und Technos in Italien in Zukunft noch zu befürchten?
Die Mitglieder der neuen regierenden Partei Fratelli d’Italia bezeichnen sich selber als nationalkonservativ und beziehen Positionen, die historisch im Faschismus verankert sind. Der „Römische Gruß“, ein verbotener faschistischer Gruß, zählt auf ihren Parteiveranstaltungen zum guten Ton. Die Feindbilder, die Meloni und ihre Partei dabei bedienen, sind die altbekannten Hassobjekte der Rechten: Migrant*innen und alles Fremde, Homosexuelle, Schwangerschaftsabbrüche, Frauenrechte und einfach alles, was in einer fortschrittlichen, solidarischen Gesellschaft Grundvoraussetzung ist.
Zu den verhassten Gruppen zählen dabei ebenso Raver und Szene zugehörige der Freetekno Bewegung. Kurz nach der Vereidigung schreitet Meloni nun zur Tat und möchte mit diskriminierenden Gesetzen Freetekno- und Rave-Veranstalter*innen an den Kragen! Doch was hat es genau mit den neuen Anti-Rave Gesetzesvorhaben in Italien auf sich?
Italien: Rechtsbündnis durch Kalkül an die Macht
Viele progressive Stimmen in Italien hatten es schon vor der Wahl befürchtet. Der Aufstieg des rechten Bündnisses unter Georgia Meloni lies in linken Kreisen den Puls nach oben schellen. Viele hatten Angst vor der Zukunft, darunter Minderheitenangehörige und Migranten. Nach dem Sieg und der anschließenden Wählerstromanalysen konnten Expert*innen die Gewissheit liefern.
Das Kalkül der Rechten war aufgegangen. Neben ihren aggressiven Inhalten konnte Georgia Meloni nämlich auch mit Identitätspolitik punkten. Und das, obwohl sie sich mit ihren frauenfeindlichen Positionen nicht hinterm Berg gehalten hatte. Regelmäßig wetterte sie gegen fundamentale Frauenrechte wie Schwangerschaftsabbrüche. Viele hatten schlichtweg gegen ihre eigenen Interessen gewählt. Eine paradoxe Tatsache, die Italien jetzt eine neue Ultra-rechte Regierung beschert hat.
Von wo der rückschrittliche Wind bei der Chefin der Fratelli d’Italia weht, bewies sie auch sofort nach ihrer Ernennung zur Ministerpräsidentin. Denn sie möchte auf keinen Fall mit dem weiblichen Titel angesprochen werden, sondern bevorzugt die männliche Variante „il presidente del consiglio“. Ein riesiger Rückschritt für Italien, das sich in den letzten Jahren besonders um feministische Teilnahme in der Sprache bemüht hatte.
6 Jahre Haft: Verordnung gegen Raver
Als hätte Italien, dessen Staatsverschuldung sich in den letzten 10 Jahren um über 35 % erhöht hat und bei ca 2,78 Billionen steht, also 150 % des BIPs, keine anderen Probleme, geht man nun mit neuen Gesetzen gegen Organisatoren und Besucher*innen von nicht angemeldeten Rave- und Tekno-Events vor. Dabei blühen den Feiernden bis zu 6 Jahre Haft und 10.000 € Geldbuße.
Italien zählt historisch zu den großen Rave-Nationen Europas. Neben der üppigen Clubkultur blüht in Italien seit vielen Jahrzehnten auch die Freeparty-Szene mit zahlreichen Veranstaltungen in verlassenen Lagerhallen oder ungenutzten öffentlichen Bereichen. Dabei geht es den Veranstalter*innen auch häufig um ein politisches Statement. Denn die illegale Nutzung zielt auch darauf ab, eine Debatte zu starten. Wem gehört der öffentliche Raum eigentlich? Und wofür darf dieser genutzt werden? Wie fast überall, wo solche Phänomene auftreten, sind Menschen, die unkontrolliert feiern, den Behörden natürlich ein Dorn im Auge. Außerdem eigenen sich solche Szenen perfekt als plakatives Feindbild.
Italien vor den Chaoten schützen
Denn von „verantwortungslosen Drogensüchtigen“ bis zu „linken Chaoten“ lassen sich auf eine dezentralisierte und unorganisierte Szene ohne fixe Sprecher*innen oder einer Lobby eben alle Feindbilder leicht projizieren. So arbeitet das Rechtsbündnis unter Georgia Melone in Italien nach derselben Blaupause, wie sie viele rechtsradikale Strukturen international nutzen. Man demonstriert der Bevölkerung, dass man die Ärmel hochkrempelt und mit dem Gesindel „aufräumt“. Das bedeutet konkret: Repressalien gegen auserkorene Bevölkerungsgruppen.
So möchte Georgia Meloni ein komplett vage gehaltenes Gesetz erlassen, dass sich auch leicht gegen Demonstrationen oder politische Proteste perfekt einsetzen lässt. Denn im Gesetzesvorschlag ist lediglich die Rede von „Versammlungen„, wodurch antifaschistische Proteste und humanistische Gegner der Regierung ebenso zum Opfer werden könnten. Obendrein hat Italien bereits jetzt eine ausreichende Gesetzeslage, um gegen illegale Veranstaltungen vorzugehen. Warum braucht man hier also zusätzliche Gesetze?
Rave-Party am Halloween Wochenende
Zu Halloween stehen Rave-Partys egal, ob angemeldet oder nicht an der Tagesordnung. So trafen sich in Italien auch dieses Jahr an der Autobahnausfahrt Modena Süd 3500 feierwillige Menschen, um eine gute Zeit zu verbringen. Da hatten sie aber nicht mit Georgia Melonis Innenminister Matteo Pinatedosi gerechnet. Der entpuppte sich als echte Spaßbremse und Partyverderber. Der Innenminister wies nämlich lokale Behörden an, die Veranstaltung sofort aufzulösen. Doch wie hatte der Innenminister überhaupt davon erfahren? Und ist das alles nicht ein bisschen viel Trara wegen ein paar tanzenden Menschen?
Nicht so für Italiens rechte Regierung. Martialisch ließ man 300 Polizeibeamte anrollen, um die Party zu sprengen. Damit man auch jede*n Raver*in erwischt, wurde das Gelände weiträumig abgesperrt. Man nahm den frechen Jungs und Mädels Musikequipment im Wert von 150.000 € ab. Ein wahrer Erfolg für die Polizeibeamten, gerade in einem Land wie Italien, wo mafiöse Strukturen bis in höchste Kreise reichen. Trotz des abrupten Endes der Rave-Party blieben die anwesenden Gäste ruhig, zeigten sich kooperativ und räumten anschließend die Halle noch auf.
Neue Gesetzesvorhaben lösen Kontroverse in Italien aus
Die Jubelschreie von Georgia Melonis Fans und Anhängerschaft lies nach dem harten Vorgehen gegen die Raver nicht lange auf sich warten. Auffällig dabei, die Ministerpräsidentin sah sich bemüht, sich persönlich zur Partyräumung zu äußern: „Ich bin sehr zufrieden mit dem klaren Zeichen, dass hier gesetzt wurde“.
Der stellvertretende Ministerpräsident und Infrastrukturminister Matteo Salvini, aus der Vergangenheit dafür bekannt, internationales Recht zu brechen, um Flüchtende auf Rettungsschiffen nicht an Land zu lassen, ging auf Twitter noch weiter. Er bezeichnete die feiernden Raver als „Chaoten“ und verlangte „effektivere Instrumente„. Was ihm dabei wohl durch den Sinn schwebt? Eiserne Fußketten? Schusswaffengebrauch? Lebenslanger Kerker?
Kritik an der vorgeschlagenen Gesetzesänderung kam hingegen von Oppositionspolitiker*innen und Jurist*innen. Diese betitelten die Maßnahmen als verfassungsfeindlich. Die Linke bezeichnete das Gesetz als „freiheitsfeindlich“ und „gefährlich“. Amnesty International schaltete sich in der Causa ebenfalls ein und sprach hier von: „weitreichende, willkürliche und beliebige Anwendung zum Nachteil des Rechts auf friedlichen Protest, das geschützt und nicht unterdrückt werden muss„.
Raver schlecht – Faschisten gut?
Während man mit aller Härte gegen die Raver auftrat, ließ man eine Versammlung von 3000 Neo-Faschisten in Predapponi, dem Heimatort von Benito Mussolini, unbehelligt passieren.
Die Faschisten konnten ohne Repressalien ihre obskuren Rituale zur Faschismus-Verherrlichung abhalten. Darauf angesprochen meinte Matteo Salvini: „Predapponi ist eine Veranstaltung, die seit vielen Jahren stattfindet. Bezüglich der Rave Party gab es eine Beschwerde des Grundstücks Eigentümers.“
Viele Menschen hingegen sahen die Positionierung und das Vorgehen der Behörden kritisch. Dabei fürchten die Menschen vor allem, dass Polizeiwillkür gegen politische Gegner zum Teil der Tagesordnung wird. Viele Kommentator*innen in den sozialen Medien waren auch der Ansicht, dass Italien im Moment andere Probleme hätte als ein paar feiernde Menschen. Gerade jetzt, wo die Corona-Pandemie bis zu einem gewissen Grad abgeflacht ist und Menschen endlich wieder zusammenkommen können, um zu feiern.
Die Raveszene hat als Antwort eine Party vor dem Sitz der italienischen Ministerpräsidentin in Rom angekündigt. Die Sache ist also noch nicht vorüber. Und zum Schluss bleibt eigentlich nur eine Frage zu den neuen Anti-Rave Gesetzen in Italien offen: Was sagt eigentlich Gigi D’Agostino zu dem Ganzen?
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