Können wir das Altern besiegen? Dabei handelt es sich wohl um eine Frage, welche die Menschheit schon seit Anbeginn der Zeit begleitet. Schon unsere Vorfahren blickten gen Himmel und versuchten das Altern und das Sterben als erweiterten Prozess des Lebens erklärbar zu machen. Mittlerweile steht die modere Wissenschaft an einem anderen Punkt. Denn das Altern wird immer mehr als resultierender Prozess einzelner Veränderungen auf zellulärer Basis verstanden. Ein fatales Zusammenspiel, welches uns anfälliger für Krankheiten macht und gebrechlich werden lässt.
Auf die Frage, ob wir das Altern besiegen können, lautete die Antwort für lange Zeit: nein! Mittlerweile sind sich Wissenschaftler*innen bei der Beantwortung aber nicht mehr einig. Und spätestens seitdem eine Gruppe hochkarätiger Tech-Unternehmer*innen, darunter Jeff Bezos Anfang 2022 das 3 Milliarden Dollar schwere Unternehmen Altos Labs. gründete, scheint der Durchbruch für ein marktreifes Präparat, um das Altern zu besiegen, in greifbarer Nähe. Die Frage danach, wer sich in Zukunft ewiges Leben leisten kann, bleibt dabei natürlich noch offen.
Ist es moralisch vertretbar, das Altern zu besiegen?
Es scheint, als könnte die menschliche Biologie für eine längere Lebensdauer optimiert werden. Bei diesem Wettlauf, an dessen Ende unvorstellbare Reichtümer auf diejenigen warten, die den Code knacken, scheint es nun kurz vor der Ziellinie heiß zur Sache zu gehen. Die Altersforschung hatte lange einen eher schlechten Ruf. Denn Altern als etwas Pathologisches auszulegen, dass man im Endeffekt heilen oder besiegen muss, ist ein Blickwinkel, dem nicht alle Begeisterung abgewinnen können.
Zuerst hat es einen Imagewandel gebraucht und medizinische Möglichkeiten, um einer Lösung näherzukommen. Der Ansatz der Wissenschaftler*innen heutzutage setzt da an, krankhafte Veränderungen, die das Altern hervorruft, zu bekämpfen und nicht das Altern an sich.
Nicht ganz ohne Kalkül, denn Altern wird von Gesundheitsorganisationen und Zulassungsstellen nicht als Krankheit ausgelegt. Das bedeutet, ein Präparat, um das Altern zu besiegen, hätte niemals eine Chance, auf dem Markt zugelassen zu werden. Natürlich ist die Idee spannend, aber finanziell muss ich das Ganze im Endeffekt auch lohnen, sonst würden Unternehmer*innen wie Jeff Bezos niemals darin investieren.
Unabhängig davon gibt es zahllose Alterskrankheiten, Leiden und Schmerzen, gegen die ein Medikament, welches den kompletten Prozess des Alterns verlangsamt oder gar umkehrt, helfen würde. Hier geht es also auch um Lebensqualität beim Altern.
Von Mäusen und Menschen
In der Forschung arbeitet man daher schon seit einigen Jahren mit bereits am Markt zugelassenen Medikamenten und testet diese unter anderem an Mäusen. Zum Beispiel mit dem Präparat Rapamycin, das häufig nach Transplantationen gegen Organabstoßungen verschrieben wird, um die Immunantwort des Körpers zu unterdrücken. Dadurch erhöhte sich die Lebenserwartung von Mäusen bei der Abgabe im mittleren Alter um bis zu 60 %.
Ebenso wirkt das Medikament Senolytika bei betagten Mäusen und lässt diese trotz ihres Alters aktiv bleiben. Einer der vielversprechendsten Kandidaten ist das Diabetesmedikament Metformin, was ebenfalls großartige Ergebnisse zeigt. Daneben gibt es noch 90 weitere Präparate, die vielversprechend sind. Das Knifflige daran, was bei Mäusen wirkt, funktioniert nicht direkt im selben Ausmaß bei Menschen.
Altern besiegen: der Traum vom ewigen Leben
Die Hoffnung der Altersforschung setzt vor allem darauf, dass wir durch zusätzliche Medikamente bereits bevor wir erkrankt sind, locker 80 oder 90 Jahre erreichen könnten. Und das ohne Schmerzen und ohne Beschwerden. Hier könnte man die Angst vor dem Alter bekämpfen, indem man die gesundheitlichen Problematiken, die es mit sich bringt, minimiert. In weiterer Folge wäre es dann vielleicht möglich, die maximale Lebensspanne für eines Homo sapiens von 120 bis 125 Jahren zu erreichen.
In den Industrienationen erreicht etwa einer von 6000 die Jahrhundertmarke und bloß einer von 5 Millionen knackt die 110 Jahre. Die Rekordhalterin Jeanne Calment kam aus Frankreich und starb 1997 im Alter von 122 Jahren und 164 Tagen. Aktuell gilt die Spanierin Maria Branyas Morera heute mit 116 Jahren als die älteste lebende Person. Das gibt Anlass zur Hoffnung, dass die menschliche Biologie für eine längere Lebensdauer optimiert werden kann.
Google investiert gegen das Altern
Die Goldgräberstimmung rund um die Altersforschung und Investitionen wurde von Google 2013 losgetreten. Da gründete der Konzern das Bio-Technologieunternehmen „California Life Company“, welches Methoden gegen das menschliche Altern entwickelt. In den Jahren darauf folgten zahlreiche Investitionen in die Branche von Tech-Tycoons, Krypto-Millionären und zuletzt auch dem saudischen Königshaus. Es scheint, als würde jede*r mit zu viel Geld beim Rennen gegen das Altern vorne mitmischen wollen.
Mittlerweile kommen künstliche Intelligenz, Big Data und Methoden der zellulären Umprogrammierung zum Einsatz. Dies führt zu einem immer größeren Verständnis der Millionen Moleküle in unserem Körper. Manche Ergebnisse sind schon so vielversprechend, dass Forscher*innen bereits davon sprechen, das Alter „heilen“ zu können.
Klinische Studien mit zahlreichen Anti-Aging-Präparaten sind ebenfalls im Gange. Jedoch ist für die Wissenschaft einer der bedeutendsten Punkte die Tatsache, dass die Menschen mittlerweile die Forschung buchstäblich als real und realisierbar akzeptiert haben. Denn das bedeutet vor allem Mittel und Investitionen für ihre Forschungen.
Von der Tierwelt lernen
Das Mysterium der phänomenalen Langlebigkeit einiger Tiere hat ebenfalls Studien auf der ganzen Welt vorangetrieben. Forscher reisten dabei an entlegenste Orte, um langlebige Tiere wie den Grönlandhai zu untersuchen. Diese faszinierenden Geschöpfe können mindestens 250 Jahre und nohc viel älter werden.
Berichten zufolge stießen Wissenschaftler*innen beim Ausbuddeln von Muscheln vom Meeresboden nördlich von Island auf ein 507 Jahre altes Exemplar. Funfact: sie tauften es auf den Namen Ming! Und obwohl Grönlandhaie mehr als tausendmal so viele Zellen wie wir haben, was das Risiko einer krebserregenden Mutation beim Altern dramatisch erhöht, erkranken sie nicht an Krebs. In Studien konnte gezeigt werden, dass die Tiere erstaunlich effizient und zielstrebig darin sind, DNA zu reparieren und ihre Zellen „gesund“ zu halten.
Fledermäuse, welche spätestens seit Corona in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit bekommen haben, können Entzündungen meisterhaft kontrollieren. Sie beherrschen diese Fähigkeit in solch einem Ausmaß, dass sie in der Lage sind, Viren in sich zu tragen, ohne daran zu erkranken. Wissenschaftler*innen schätzen, dass chronische Entzündungen, die oft mit zunehmendem Alter auftreten, ein wesentlicher Faktor für mehr als die Hälfte aller Todesfälle weltweit sind.
Shinay Yamanaka: Nobelpreisträger, knackt den Meilenstein
2006 fand der japanische Arzt und Stammzellenforscher Shinay Yamanaka heraus, wie man erwachsene Zellen in ihren embryonalen Zustand durch „Umprogrammieren“ zurückversetzt. Die Entdeckung brachte ihm neben der höchsten Anerkennung und dem Nobelpreis auch den Ruf ein, die Zellbiologie grundsätzlich revolutioniert zu haben.
Denn Yamanaka hatte einen neuen Pfad auf der Suche nach Wegen zur Behandlung menschlicher Krankheiten aufgestoßen. Die Forschung ist mittlerweile davon überzeugt, dass sich die Technik der epigenetischen Reprogrammierung einsetzen lässt, um das Altern umzukehren und damit einhergehende Krankheiten zu vermeiden.
Yamanaka verwendete vier Proteine, welche die Genexpression, also die Aktivierung der genetischen Substanz initiieren und regulieren, um die Identität reifer Zellen zu löschen. Absolut vereinfacht ausgedrückt: Er trickst dabei die Zelle so aus, dass sie vergisst, dass sie gealtert ist.
In weiterer Folge wurde Yamanakas Formel abgeändert, indem man den Aktivierungsfaktor, der mit Krebs in Verbindung gebracht wurde, eliminierte und sie bei Mäusen einsetzte, um gequetschte Sehnerven nachwachsen zu lassen. Hier verfolgt man den vorher erklärten Ansatz, altersbedingte Krankheiten umzukehren als Teillösung gegen das gesamte Altern. Eine Versuchsreihe klappte 2020 bei fast blinden Mäusen. Die Tiere gewannen ihre Sehstärke zurück.
In Würde altern
So aufregend und Fantasie anregend all diese Forschungsansätze sind, gibt es natürlich auch einen ethischen und moralischen Hintergrund, wenn es um das Thema geht, das Altern zu besiegen. Denn Gesundheit wird auch immer mehr zu einer Einkommensfrage. Was passiert also mit uns Menschen, wenn wir im Durchschnitt 40 bis 50 Jahre länger leben? Hat Jeff Bezos bald 85-jährige Paketzusteller*innen für sich im Einsatz?
Und wohin mit den ganzen Menschen auf einem übervollen und verseuchten Planeten? Es bleibt zu befürchten, dass aus den Forschungsergebnissen Präparate resultieren werden, die nur für eine Handvoll Menschen bestimmt und leistbar sind. Zudem ist es derzeit fraglich, ob der Zustand unserer Gesellschaft und unseres Planeten als Ökosystem es uns überhaupt ermöglichen, dass wir höher Altern.
Aber es ist auf jeden Fall gut zu wissen, dass die Forschung mit ihren Ergebnissen so weit ist, dass wenn wir Menschen unsere anderen Probleme in den Griff bekommen haben, die Medizin für uns eine Lösung hat, um ein glückliches und schmerzfreies Leben im hohen Alter zu führen.
Titelbild © Shutterstock
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