Die Ausgangsbeschränkungen sind vorbei. Homeoffice und ein vermehrtes zuhause Sein bleiben aber – und damit auch die Veränderungen und ungewohnten Situationen, die Paare durchmachen müssen. Ob Corona eher Streit oder Harmonie in Beziehungen bringt und mit welchen Tipps Paare auch diese Zeit überleben, hat uns Psychoanalytikerin Katrin Wippersberg verraten.
Die gemeinsame Quarantäne endete in einer Krise – viel Streit und dem Beenden ihres Verhältnisses. Doch zurück zum Anfang. Lara* und Markus* lernten sich vor ein paar Monaten kennen. Aus sich mögen wurde mehr. „Es war halt so eine Prä-Beziehung“, versucht Lara ihr Verhältnis zu beschreiben. Es hätte nicht besser laufen können zwischen den beiden. Und dann kam Corona. Und der Lockdown.
Lara und Markus – die Trennung
Markus wohnt in Niederösterreich, Lara in einer Wohnung in Wien. Um die Quarantäne nicht getrennt verbringen zu müssen, entschied sich Lara dazu, Markus bei sich aufzunehmen. „Die erste Zeit war auch super angenehm und wenig stressig. Dann hab‘ ich halt gemerkt, dass unser Alltag ganz schön verschieden ist“, erzählt Lara.
Laras Uni lief normal weiter. Ihr Studium ist zeitintensiv und sie musste viel lernen. Der Unibetrieb von Markus hingegen schlief komplett ein. Obwohl Markus Vollzeit arbeitete, merkte Lara nach einiger Zeit, dass sie seine Anwesenheit belastete: „Markus konnte sich nicht selbst beschäftigen. Er war es gewohnt, ständig unterwegs zu sein.“
Lara konnte ihn nicht ignorieren und sich auf ihre Uni konzentrieren, schließlich war Markus ja ihr Gast: „Wenn jemand anderer in der Wohnung ist, der eigentlich nicht da wohnt, spielt man halt immer die Gastgeberin. Auch wenn das nicht seine Absicht war, hab‘ ich mich für ihn verantwortlich gefühlt.“
Also erzählte Lara Markus, dass sie gern Mal alleine zu Hause wäre, um besser lernen zu können. Das Gespräch ging nicht sehr gut aus. „Er war leider sofort eingeschnappt und hat das gar nicht verstanden. Er hat es einfach viel zu persönlich genommen“, erinnert sich Lara. Die beiden versuchten den Kontakt aufrechtzuerhalten. Aber seit dem Auszug war es nicht mehr das Gleiche wie vorher. Gespräche und Streit spielten sich nur noch über WhatsApp ab. „Irgendwann ist es dann eskaliert. Seit zwei Wochen haben wir keinen Kontakt mehr“, erzählt Lara.
Beziehungs-Tipp #1: Augen zu und durch
Dass Gspusis und frisch verliebte Paare aktuell schwierige Voraussetzungen haben, weiß auch Psychoanalytikerin Katrin Wippersberg. So wie Lara und Markus zogen viele Paare Hals über Kopf zusammen. „Wenn man sich noch nicht so gut kennt und plötzlich einen gemeinsamen Haushalt teilt, erhöht das natürlich das Konfliktpotenzial. Ich habe aber keinen anderen Tipp als: Augen zu und durch“, meint Wippersberg. Auch wenn eine gemeinsame Quarantäne ein Trennungs-Risiko mit sich bringt, kann die Situation als Chance gesehen werden. „Die ersten Wochen ist das ja oft so, dass man eine rosarote Brille trägt. Wenn man gleich am Anfang der Beziehung eine Belastungsprobe macht, dann merkt man schneller, ob es passt oder nicht“, erklärt die Psychoanalytikerin.
Diese Erfahrung machte auch Lara: „Ich glaub schon, dass es anders gelaufen wäre ohne Corona. Nur die Probleme, die wir letztendlich miteinander hatten, wären halt später aufgetaucht. Ich würd‘ sagen, so hab ich Markus halt schnell gut kennengelernt. Bei manchen Paaren zieht sich das Jahre hin, bis sie wirklich zusammenwohnen und rausfinden, dass es doch nicht passt. Bei mir war’s halt früher. Das ist wahrscheinlich auch die schmerzlosere Variante.“
War also Corona schuld an dem Aus von Markus und Lara? Nein – sagt Psychoanalytikerin Katrin Wippersberg: „Paare, die sich aufgrund der aktuellen Situation trennen, haben schon vorher Konflikte oder nicht aufgearbeitete Probleme gehabt.“
Auch Lara und Markus kämpften mit Problemen, die nichts mit Corona zu tun hatten. Missverständnisse und Meinungsverschiedenheiten, das Was-sind-wir-eigentlich-Gspusis-oder-bald-ein-Paar? – Gespräch und noch nicht verdaute Geschichten von der Ex waren immer wieder Thema. Corona ist also vielleicht der Auslöser vieler Trennungen aber nicht die Ursache.
Anastasia und Niko – gerade noch Happy End
Kein Beziehungsende aber mehr Streit bedeutete die gemeinsame Isolation für Anastasia* und Niko* – seit vielen Jahren beste Freunde und seit vier Jahren ein Paar. Obwohl die beiden eine harmonische Beziehung führen, standen sie vor großen Herausforderungen, meint Anastasia: „Wir sind beide sehr freiheitsliebende Menschen und in derselben Wohnung ohne Tapetenwechsel eingesperrt zu sein, war nicht sonderlich easy.“
Streitauslöser, wenn man 24/7 aufeinander pickt? Oh, das müssen keine wichtigen Dinge sein. Da können schon Mal ein Klodeckel, der volle Mülleimer oder eine Pfanne Auslöser sein. „Wir haben uns so zwei- bis dreimal die Woche wegen irgendwelchen Kleinigkeiten gestritten. Ich hab‘ Mal was zu essen aufgewärmt aus netter Absicht und wurde dann mega angebrüllt, weil die Pfanne seiner Meinung nach nicht heiß genug war“, erinnert sich Anastasia.
Zu wissen, dass man nicht so leicht weggehen, sich nicht einfach mit einer Freundin treffen oder paar Tage getrennt voneinander verbringen kann, macht die Zeit nach einem heftigen Streit für Anastasia umso schwieriger: „Irgendwann hab‘ ich realisiert, dass ich derzeit nicht weglaufen kann, emotional und auch räumlich. Und auch wenn ich’s wollen würde, ich muss mit den Dingen so klarkommen wie sie sind.“
Auch wenn die gemeinsame Isolation nicht immer einfach war, ging die Geschichte für Niko und Anastasia gut aus: „Nach der Quarantäne mach ich instantly Schluss Gedanken kamen mir in der Zeit schon ein, zwei Mal, aber die sind dann auch wieder verflogen. Nach einem Streit geht man sich aus dem Weg und nach paar Stunden geht‘s wieder.“
Beziehungs-Tipp #2: Zeit alleine verbringen
Sich aus dem Weg gehen. Nicht alles zu zweit erledigen. Auch Mal Zeit für sich nehmen. Genau das empfiehlt auch Psychoanalytikerin Wippersberg Paaren, die gemeinsam in Isolation oder im Homeoffice sind: „Gut ist es – das gilt allgemein – wenn man sich daheim kleine Inseln schafft, wo man nur für sich ist. Dann kann einer lesen und der Andere Serien schauen, ohne sich gegenseitig zu stören.“
Wohnen Paare auf engstem Raum zusammen und kommen vielleicht sogar noch Kinder ins Spiel, erschwert das natürlich das aus dem Weg gehen. „Es kann hilfreich sein, alleine Besorgungen zu machen. Auch Mal alleine spazieren zu gehen. Gleichzeitig kann man auch mit Freunden oder der Familie telefonieren und hat so das Gefühl, sich eine Pause von seinem Alltag zu gönnen“, meint Wippersberg.
Obwohl viele Paare aktuell mehr Zeit miteinander verbringen, birgt die gemeinsame Isolation eine Gefahr: sich zu distanzieren – ironischerweise. Wann seid ihr das letzte Mal auf ein Date gegangen? Wann habt ihr euch zuletzt einen Abend nur für euch freigenommen? Euch füreinander schick gemacht?
Beziehungs-Tipp #3: Nicht auf Dates vergessen
Kinos, Restaurants und Bars haben derzeit geschlossen, klar. Das heißt aber nicht, dass es keine Möglichkeiten gibt, ein schönes Date zu erleben, meint die Psychoanalytikerin: „Man muss einfach bisschen kreativ sein. Man kann zuhause ein schönes Date haben und sich dafür herausputzen. Oder auf ein Picknick in den Park gehen. Das Wichtige ist einfach, sich explizit Zeit füreinander zunehmen.“
Falls all diese Tipps euch nicht so richtig weitergeholfen haben und ihr den gemeinsamen Alltag zuhause fast nicht mehr aushaltet: das ist okay so. Wir leben aktuell in keiner normalen Situation. Es herrschen keine normalen Umstände. Seid also nicht so streng mit euch und eurer PartnerIn. „Gemeinsames Homeoffice auf engstem Raum halte ich tatsächlich für fast unmöglich“, meint Wippersberg.
Christian und Andrea – verliebter denn je
Während die aktuelle Situation rund um Corona viele Paare vor Herausforderungen stellt, gibt es auch Paare, die Positives daraus schöpfen können. Paare, die durch die Quarantäne und die aufgezwungene Entschleunigung wieder zueinander finden. Die aufgrund der gemeinsamen Überwindung der Krise sogar enger zusammenschweißen.
So war es bei Christian* und Andrea*. Die beiden sind seit über zehn Jahren ein Paar und leben im gemeinsamen Patchwork-Haushalt in Niederösterreich. Vergangenes Jahr kriselte es ziemlich zwischen den beiden, bis Christian im Dezember Hals über Kopf in eine kleine Wohnung nach Wien zog. Die beiden hatten regelmäßig Kontakt. Sie waren nicht getrennt, aber ein richtiges Paar waren sie auch nicht mehr. In den vergangenen Jahren hatte sich bei ihnen viel aufgestaut. Es gab einige Baustellen, an denen sie arbeiten mussten. Andrea und Christian entschieden sich für eine Paartherapie und machten wieder mehr Ausflüge miteinander. Zurück ins gemeinsame Haus zog Christian aber noch nicht. Doch dann kam Corona. Und die Ausgangsbeschränkungen.
„Ich wusste, dass ich diese Zeit nicht allein durchstehen wollte. Vor allem nicht in einer kleinen Wohnung ohne Garten. Nachdem es in letzter Zeit eh wieder besser gelaufen ist zwischen uns, haben wir uns dazu entschieden, dass ich wieder nachhause ziehe. Wir wollten das gemeinsam durchstehen“, erzählt Christian. Und siehe da, knapp zwei Monate wohnt das Paar nun wieder gemeinsam unter einem Dach. Und es läuft sehr gut zwischen ihnen.
Mehr daheim, mehr Sex, Babyboom?
Christian und Andrea sind kein Einzelfall. „Der allgemeine Tenor ist, dass viele Beziehungen aktuell strapaziert werden. Die Coronakrise hat meines Erachtens aber gar keinen so großen Impact auf Beziehungen“, meint Psychoanalytikerin Wippersberg. Paare, die vorher schon Probleme hatten oder die sich schwer tun mit dem Ausdruck von Gefühlen und zu viel Nähe, durchleben aktuell eine schwierige Zeit. „Dem Rest aber geht es sehr gut. Viele Paare genießen die gewonnene Freizeit und unternehmen viel miteinander. Väter kommen mehr zum Einsatz und das tut vor allem den Kindern gut und damit der gesamten Familienkonstellation“, berichtet Wippersberg.
Katrin Wippersberg erhält seit Ausbruch des Coronavirus in Österreich auch nicht vermehrte Anfragen für Paartherapie, sondern Einzeltherapie. „Mehr Menschen sind belastet durchs allein Sein als durch Paarbeziehungen“, erzählt sie.
Auf die Frage, ob es nach der Coronakrise einen Babyboom oder einen Scheidungsboom geben wird, muss Katrin Wippersberg schmunzeln: „Naja, steigt das eine, steigt das andere meistens. Laut einer Studie ist der Umsatz der Kondomindustrie um 30% gestiegen. Ich glaube, dass sich viele Menschen mehr auf die Familie besinnen. Unentschlossene Paare geben sich vielleicht einen Ruck, Kinder zu bekommen. Es kann also gut sein, dass es bei uns einen Babyboom geben wird.“
*= Namen von der Redaktion geändert
Mag. Katrin Wippersberg ist Psychotherapeutin und Psychoanalytikerin und Mitglied der Gruppenpraxis Wiener Couch.
Titelbild Credits: Pixabay
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