Ich stelle mir oft die Frage, ob man gewisse Dinge nach dem Geschlecht beurteilen kann. Und meistens finde ich, dass eine pauschale Aussage, die hauptsächlich aufgrund des Geschlechts getroffen wurde, etwas Falsches ist. Aber bei gewissen Themen merke ich, dass unser patriarchales Umfeld immer noch Spuren hinterlässt, egal in welchen Kreisen wir uns bewegen und egal, wie sehr wir versuchen uns davon zu entfernen. Vor allem dann, wenn über Sex gesprochen wird.
Das erste Mal, das mir der Gedanke gekommen ist, dass Männer und Frauen unterschiedlich über Sex reden, hatte ich an einem Abend, an dem ich die einzige Frau in einer Gruppe voller Männer war. Ich hatte zwar schon immer das Gefühl, dass Frauen eine größere Hemmschwelle haben, wenn es darum geht, über Sex zu reden. Aber an diesem Abend ist mir erstmals bewusst geworden, dass es Unterschiede in der Sprache gibt und in der Art und Weise, wie mit dem Thema generell umgegangen wird.
Ich bin mir zwar bewusst, dass es von Person zu Person unterschiedlich ist, wie solch eine Unterhaltung verläuft, aber ich habe immer öfter begonnen genau hinzuhören. Ich habe mit Frauen gesprochen und mit Männern, einmal jung, manchmal alt. Menschen, die viel Sex haben, und welche, die auf die richtige Person warten. Und so konnte ich – für mich – feststellen, dass es einen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt, wenn über Sex gesprochen wird. Zumindest, wenn es um die Leute geht, die ich kenne. Solch eine Annahme zu pauschalisieren, fände ich schwierig. Ich sehe diesen Text mehr als einen Denkanstoß, für den ich viel Zeit und Mühe investiert habe, da ich glaube, patriarchale Denkweisen schleichen sich fast immer ein, selbst, wenn es um etwas geht, das allen gleich viel Spaß macht – Sex.
So reden Frauen über Sex
Wenn ich mit Frauen über ihre sexuellen Abenteuer gesprochen habe, dann lief es oft ähnlich ab.
Das Erste, was mir auffiel, war, dass es einen großen Unterschied macht, wie gut man sich kennt und wie hoch das Vertrauen gegenüber der anderen Person ist. Denn, wenn ich mit guten Freundinnen darüber gesprochen habe, gab es nichts, was nicht erzählt wurde. Habe ich jedoch Frauen nach ihrem Sexleben gefragt, die ich gerade erst kennengelernt habe, dann waren viele an dem Gespräch interessiert, aber hatten Angst, verurteilt zu werden. Phasen, in denen sie sich ausgelebt haben und das getan haben, was sie wollten, war ihnen unangenehm Preis zu geben.
Auch ist mir aufgefallen, dass sich Frauen oft für Dinge rechtfertigen, die sie getan haben. Gründe haben, warum sie einmal mehr mit jemanden Sex hatten, als vielleicht notwendig war. Und, dass sie es oft bereuen, wenn sie mit einem Mann geschlafen haben, den sie im Nachhinein doch nicht so cool fanden. Denn nur, weil sie es in dem Moment so gewollt haben, ist das im Nachhinein kein guter Grund, wieso sie Sex hatten. Mir ist somit aufgefallen, dass sich viele Fragen oft so fühlen, als müssten sie einerseits gute Gründe für Sex haben und andererseits sich rechtfertigen, wieso sie mit genau diesem Menschen geschlafen haben.
Wenn es dann irgendwann dazu kommt, dass Frauen über Sex berichten, dann werden nicht nur ein paar sexuelle Details erzählt, sondern auch, wer die Person war, mit der man geschlafen hat. Wie es dazu gekommen ist, wie lang man Zeit miteinander verbracht hat, was er studiert, wie er heißt, was er so tolles gesagt hat und ob man sich wiedersieht. Um den Sex geht es zwar auch, aber nicht nur. Ich habe mitbekommen, dass Frauen oft nur sagen, ob der Sex gut oder schlecht war, und wieso. Aber eine genau Auflistung an den Praktiken, die man zusammen gemacht hat, kommt meist erst auf Nachfrage.
So reden Männer über Sex
Als ich an diesem Abend in der Gruppe voller Männer gesessen bin, lief ein Gespräch über Sex genauso ab, wie ich es danach immer wieder mitbekommen habe. Auch, wie lang man sich kennt, macht meistens keinen Unterschied. Hier wird lediglich immer nur zelebriert, dass man Sex hatte. So, als wäre es etwas, was die Frau für den Mann getan hat. Auch, wenn es um Oralsex geht, dann ist es immer etwas, dass die Frau für den Mann gemacht hat. Der Gedanke, dass es Frauen für sich machen, weil es ihnen Spaß macht, kommt kaum.
Ich habe unter anderem ein Gespräch zwischen zwei Männer mitbekommen, dass den Unterschied zwischen beiden Geschlechtern gut darstellt.
A: „Wie war dein Date gestern?“
B: „Gut, ich hatte nämlich Sex. War auch wirklich wieder nötig.“
A: „Nice, wie war’s?“
B: „Gute Brüste, sie hat auch geblasen. War guter Sex, sie hat alles mitgemacht, was ich wollte.“
A: „Cool!“
Fazit
Ich finde der Unterschied liegt vor allem in der Objektivierung des anderen Geschlechts. Bei Männern geht es oft darum, ob die Frau einen guten, dünnen Körper hatte, ob sie Oralsex praktiziert hat und bei welchen Stellungen sie dabei war. Bei Frauen eher darum, welche Person sich hinter dem Sexpartner versteckt und was man so gemeinsam erlebt habt. Warum das so ist, würde ich auf das Patriarchat zurückführen, auf die immer noch anhaltenden Unterschiede der Geschlechter. Ich meine, stellt euch die Frage, wie frei unser aller Sexleben und der Diskurs darüber wäre, gäbe es keine Differenzen der Geschlechter mehr…
Titelbild Credits: Shutterstock
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