Borderline – der große innere Kampf gegen sich selbst. Davon gehört haben wir alle, doch wie lebt es sich mit dieser Diagnose? Unsere Redakteurin hat Betroffene gefragt und erfrischend ehrliche Einblicke in das Seelenleben der Borderliner erhalten.
Der Begriff „Borderline“ ist allseits bekannt und mit vielen Vorurteilen behaftet. Menschen, die nicht davon betroffen sind, können die Symptome oftmals nicht nachvollziehen. „Wieso sind die so manipulativ? Sind tieftraurig und feiern im nächsten Moment ihr Leben? In Beziehungen werden sie zu Drama-Queens/Kings und können nicht treu sein.“ Das denken die meisten Leute, wenn sie auf Borderline Persönlichkeiten treffen. Die Liste der Vorurteile ist lang. Aber ist das wirklich so?
Für alle, die nicht genau wissen, wie das Krankheitsbild einer Borderline-Persönlichkeitsstörung aussieht, habe ich die 7 zu erfüllenden Kriterien zur Abklärung der Diagnose aufgelistet.
Credits: Screenshot Neurologen und Psychiater im Netz
Die Diagnostik ist um einiges komplexer und verbindet noch viele andere Faktoren mit der psychischen Krankheit. Falls ihr mehr über die Borderline Persönlichkeitsstörung erfahren wollt, klickt bitte hier.
Aber, genug der Theorie. Wie lebt es sich als Borderliner? Ich habe mich auf die Suche gemacht und vier komplett unterschiedliche Bordie’s getroffen, die mir einen kurzen Einblick in ihre aktuelle Gefühlslage gaben:
Martin, 45, in einer Beziehung, hat seine Krankheit im Griff, ohne Therapie:
Credits: Pixabay, Pexels.com
Borderline? Das erkläre ich Außenstehenden immer so: Man nehme eine Portion Selbsthass, mixe diese mit einer Prise „kein Selbstbewusstsein“ und gebe einen Schuss „ich hab keine Ahnung wer ich bin“ dazu. Dann quetscht man noch ein paar Traumata hinein und schlägt alles kräftig durch, bis man eine Art verzerrtes Selbstbild erhält. Wahlweise kann man dann noch Magersucht/Drogensucht oder diverse andere selbstschädigende Dinge hinein mischen. Je nach Geschmack.
Danach etwas gehen lassen, bis man vor unbändiger Langeweile entschließt, dass es genug ist mit dem Gehen lassen. Wir bewundern kurz die wunderschöne Form unseres Meisterwerkes, um alles sofort darauf kurz und klein zu schlagen, weil – tja – eben alles Mist ist.
Wir wenden uns nun von unserem Gebäck ab, da wir Angst haben, eine zu enge Beziehung dazu zu entwickeln. Nach etwa einer halben Stunde haben wir uns doch wieder entschieden, zum Gebäck zurückzukehren, weil wir es vermissen. Obwohl wir es hassen. Ein Stückchen Dissoziation und eine Scheibe Paranoia geben wir auch dazu. Und – voilá – fertig. Hat man nun das Gericht am Tisch, nimmt man eine Rasierklinge und schneidet solange drauf los, bis nur noch Matsch übrig ist. Dann zerfließt man in Selbstmitleid, Hass und Angst und beginnt von Neuem zu backen.
Anna, 24, seit 3 Jahren in Therapie. Sehr ausgeprägtes selbstverletzendes Verhalten/Drogenkonsum:
Credits: Leah Kelley, Pexels.com
Im Februar hatte ich eine sehr schlimmes Tief – Phase in der einfach nichts mehr ging und ich mich am liebsten zuhause eingeschlossen hätte. So heftig hatte ich das schon lange nicht mehr gehabt und war völlig überfahren vom Ausmaß meiner Depression. Rund um die Uhr musste ich wirklich auf mich aufpassen, damit ich nicht vor ein Auto laufe oder mich anderswie in Gefahr bringe. Meine Selbstverletzung erlebte kurzfristig einen neuen Höhepunkt und ich hatte das Gefühl, dass meine Schutzschicht immer dünner und dünner wurde.
Selbst die einfachsten Dinge fielen mir plötzlich endlos schwer. Einen groben Drogenrückfall hatte ich auch. Es war so schlimm, dass ich mich teilweise dabei ertappte, wie ich meinen Fuß über eine halbe Stunde lang intensiv beobachtete, nur um danach dazu überzugehen, meine Handinnenflächen zu analysieren. Möglich, dass das ganze eine Art „Borderline-Burn-out“ war. Jedenfalls spürte ich, wie ich langsam aufhörte zu existieren. Arbeit und Therapie holten mich jedoch Stück für Stück aus diesem Loch heraus und gaben mir sogar genug Kraft, damit ich mich auf die Hinterbeine stellen und mit neuem Schwung durchstarten konnte.
Ich kann nur hoffen, dass ich diesmal etwas länger die Hochphase genießen kann. Da schwebe ich über allem. Das Gras ist grüner, die Gefühle intensiver. Fast wie eine Manie. Es tut verdammt weh, danach wieder in ein Loch zu fallen. Weil ich nicht gut genug, schön genug, perfekt genug oder einfach zufrieden genug mit mir bin.
Elli, 18, hin und wieder in Therapie. Keine Selbstverletzung, jedoch schnell wechselnde Beziehungen (auch freundschaftlicher Art):
Credits: Leah Kelley, Pexels.com
Als Plan B (oder C oder auch D) habe ich mir Stimmungs-regulierende Tabletten verschreiben lassen, die bei mir jetzt zuhause im Apothekerschrank herumgammeln. Eigentlich wollte ich diese Pulver ja wirklich längerfristig ausprobieren. Im Endeffekt waren aber die ersten paar Einnahmen wenig berauschend, woraufhin ich beschlossen habe, dass meine Angst vor diesen „Geisterpulvern“ dann doch zu groß ist. Also werde ich sie solange lagern, bis sie abgelaufen sind. Am besten ich lege sie direkt neben die Magenpulver, die Nerventabletten und das Schmerzmittel mit der giftgrünen Verpackung.
Allesamt „Medizinleichen“, die seit Jahren auf ihre Erprobung durch mich warten. Laut Arzt sind sie ja alle „völlig unbedenklich“. Wenn ich mir jedoch die Packungsbeilagen durchsehe, überkommt mich beim reinen Lesen das Gruseln: nässende Hautausschläge, Sprachstörungen, Erregbarkeit, Wahnvorstellungen, sexuelle Funktionsstörungen… Oder wie ist das mit dem Magenmittel, das Übelkeit, Erbrechen und Durchfall auslöst? Ich versuche, auf meine Art damit klar zu kommen. Für Außenstehende ist es nicht zu verstehen. Ich kann mich einfach nicht “zusammenreißen”.
Mit einem Partner schwebe ich auf Wolke 7 und vergöttere ihn. Nur, um ihn Stunden später abgrundtief zu hassen. Ähnlich geht es mir mit Freunden. Eigentlich möchte ich sie gar nicht wegstoßen, aber ich tue es trotzdem. Vielleicht sollte ich doch versuchen, diese “Geisterpulver” zu nehmen. Könnte ja sein, dass sie doch helfen. Gleich morgen. Vielleicht.
Susanne, 30, Therapie nach 4 Jahren beendet, 2 Kinder, in Trennung lebend, hat ihr Borderline mittlerweile im Griff:
Credits: Matheus Bertelli, Pexels.com
Schon beim Aufwachen fühle ich mich schlecht. Nicht körperlich, sondern seelisch. Es ist wie eine Winterdepression. Aus Termingründen in den Sommer vorverlegt. Ich kenne das alles schon zur Genüge und hoffe, dass es einfach schnell vorbei geht. Nach jeder guten Phase kommt unausweichlich ein Tief. Ich weiß, was mir gut tut und wie ich mich vor mir selbst schütze.
Ich weiß, dass meine Erkrankung aus meiner Kindheit herrührt. Darüber rede ich allerdings nicht gerne. Ich weiß, wann sich ein Tief ankündigt. Wie ein Gewitter braut es sich langsam zusammen. Man muss die Zeichen nur zu deuten wissen. Das Gefühl, sich am Liebsten aus seiner eigenen Haut herausschälen zu wollen ist riesig an manchen Tagen. Wer ich bin, weiß ich oft nicht.
Ich bin mal so, mal anders. Irgendwie nie gut genug. Dank meiner Therapie habe ich es allerdings sehr gut im Griff. Das war ein harter Weg. Kaum hatte ich eine Sucht abgelegt, tauchte die nächste auf. Es endete erst, als ich mich ein paar traumatischen Erinnerungen stellte. Ein Wunder, dass ich nicht einfach aufgegeben habe.
So verschieden, wie die Menschen, so verschieden kann auch die Ausprägung der Borderline-Persönlichkeitsstörung sein. Hilfe, Rat und Therapiemöglichkeiten findet ihr unter http://www.psyonline.at/, https://www.psychotherapie.at/ und http://www.borderline-plattform.de/
Titelbild Credits: Kat Jane, Pexels.com
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