Hauptsache auffällig teuer war einmal. Fettes Bling-Bling und protzige Logos sind out. Die Superreichen haben, anstatt mit ihrem Luxus zu protzen, einen neuen Ansatz für sich entdeckt: weniger ist mehr. Oder doch nicht? Wir verraten dir, warum die zur Schau gestellte Bescheidenheit der Oberschicht, alles andere als zurückhaltend ist. Denn bei deren Outfits geht es um diskrete Statussymbole, die nur Eingeweihte erkennen können. Das Phänomen des stillen Luxus ist somit nicht mehr als eine Farce. Aber darüber mehr in unserem Artikel.
Stiller Luxus oder teure Schlichtheit
Ein dezenter Rollkragenpullover, eine Wildledertasche in Schwarz, ein Blazer aus Wolle mit Knöpfen aus Horn. Ende Oktober 2023 ging A1, die erste, 150 Kleidungsstücke umfassende Kollektion der Modedesignerin Phoebe Philo online. Die Aufregung um das Debüt der ehemaligen Céline-Designerin war riesengroß. Die Erwartungen ebenso hoch.
Dabei fiel ihre Mode besonders schlicht aus. Die Entwürfe der britischen Designerin kamen nämlich ohne Logos und Schnickschnack daher. Die Preise allerdings bewegen sich weiterhin in himmlischen Höhen. Blazer: 3.000 Pfund. Rollkragenpullover: 1.100 Pfund. Wildledertasche: 5.800 Pfund. Schlicht und trotzdem teuer. Qualität made in Italy kostet halt. 24 Stunden später ist das halbe Sortiment ausverkauft!
Ach ja, noch etwas zu italienischer Textilqualität: Auch in Italien schuften Textilarbeiter*innen unter katastrophalen Bedingungen für die Modebranche. Wobei Luxusmarken wie Louis Vuitton, Prada & Co. oft skandalöse Armutslöhne zahlen!
Luxus, den man nicht (sofort) sieht
Warum sich aber etwas Teures kaufen, das man nicht wirklich präsentieren kann, da es ohne Logo, recht beliebig und unscheinbar daherkommt? Weil man sich als reicher Mensch natürlich von dem stillosen Prunk und der geschmacklosen Neureichen abgrenzen will! Es gilt sich abzusondern, von dem Bling-Bling, der Protzerei, den Logos, dem neureichen und visuellem Mief der Kardashians. Unauffälliger Wohlstand nennt sich dieser Trend und fasziniert und provoziert zugleich.
Denn kaum ein Phänomen in der Welt der Mode wurde 2023 leidenschaftlicher diskutiert als der stille Luxus. Die Vogue bezeichnete „Quiet Luxury“ sogar als den „wohl größten Trend des Jahres“. Für die Faz war der stille Luxus sogar das „Buzz-Word der Stunde“.
Stiller Luxus: Trendsetterin Gwyneth Paltrow?
Losgetreten hat das ganze niemand Geringeres als Star-Schauspielerin Gwyneth Paltrow. Diese stand im März 2023 wegen eines Ski-Unfalls vor Gericht. Natürlich interessierte sich die Presse mehr für ihren Look, als für den Prozess – war aber beim Johnny Depp und Amber Head-Prozess vermutlich auch nicht anders.
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Wie dem auch sei, Paltrow erschien in einer Reihe unscheinbarer Outfits zu ihren Prozessterminen. Doch ihre modische Zurückhaltung entpuppte sich recht schnell als Teil des Themas, worüber wir heute sprechen: den stillen Luxus.
Denn alles an ihrem Körper, wie schlicht auch immer es wirkte, war teure Designerware. Paltrow positionierte sich als eine Art „Anti-Kardashian“, als Superreiche, die es nicht nötig hat, mit Mode Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und sich stilistisch in Zurückhaltung übt. Was aber nicht minder luxuriös ist.
Der stille Luxus ist nämlich lange schon ein Trend der noblen Modehäuser. „Je luxuriöser die Marke, desto subtiler sind die Logos“, erklärt Christoph Fuchs, Professor für Marketing an der Universität Wien gegenüber dem Standard. Preisschilder sucht man natürlich vergebens, denn wer dort einkauft, muss sich über den Preis wirklich keine Gedanken machen.
Minimalismus und Zurückhaltung
„Wie Logo-freier Luxus den Modemarkt neugestaltet“, zieht das britische Modeportal Business of Fashion das Fazit. Schwer verkäufliche Exzentrik und protzige Extravaganz haben ausgedient. Gutes Beispiel für diese Trendwende ist auch der Neubeginn bei Gucci. Sabato De Sarno, der neue Kreativchef der Marke, ersetzte in seiner ersten Kollektion die Gucci-Weirdness durch graue Hoodies und Minishorts. Weniger ist mehr. Natürlich nicht beim Preis, versteht sich.
Die Billigmarken ziehen da natürlich mit und ahmen den sogenannte „Old Money Look“ nach, so gut sie können. Unter dem Hashtag #OldMoneyVsNewMoney wird der Stil des alten Geldadels mit jenem der Neureichen verglichen. Doch im Grunde verdeutlichen die „How to Dress Like Old Money“-Videos nur, dass der stille Luxus nicht viel mehr, als eine ausgeklügelte Form des sich Abhebens und auch der Überheblichkeit ist.
Stiller Luxus: unsichtbar und fated to pretend
In seinem Roman Haunted aus dem Jahre 2005 – wo der Plot im Grunde nur die alibimäßige Rahmenhandlung für eine Serie von 23 Kurzgeschichten ist – erzählt Fight Club-Kultautor Chuck Palahniuk die Geschichte eines alten und wohlhabenden Ehepaares, das vorgibt, obdachlos zu sein und so versucht, der wohlstandsverwahrlosten Langeweile zu entkommen.
An einem Punkt dieser Geschichte fangen sogar mehrere wohlhabende Menschen plötzlich an, arm bzw. obdachlos zu spielen, um ihrer Problemfreiheit zu entkommen, sich aber zugleich auch von anderen Reichen zu distanzieren. Wer schafft es, die inszenierte Armut auf die Spitze zu treiben?
Im Grunde ist der stille Luxus nichts anderes, als das. Das Spiel über-privilegierter Bonzen, die sich irgendwie die Zeit vertreiben wollen, um sich von wem auch immer abzugrenzen. Ein Spiel, das nie aufhören wird. Denn sobald die Kardashians und ihresgleichen (andere Neureiche) anfangen, auch auf stillen Luxus zu machen, werde sich die Altreichen wieder etwas anderes überlegen, um sich erneut abzugrenzen. Und wer weiß, vielleicht bald den Obdachlosen-Look für sich entdecken. Mal sehen, womit Gwyneth Paltrow so vorpreschen wird in nächster Zeit.
Titelbild © Shutterstock
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