„Coming of Age“- Filme erfreuen sich schon seit Jahrzehnten an großer Beliebtheit. „Coming of Age“ ist ein Sammelbegriff für Filme, in denen Kinder und Jugendliche die Hauptrollen besetzen und sich mit Themen rund um das Erwachsenwerden beschäftigen. Es geht vor allem um die starken Emotionen und Auseinandersetzungen, die gefühlt jeder Teenager im Zuge des Heranwachsens durchlebt. Viele dieser Filme ähneln einander. Das ist nicht sonderlich überraschend, da sie alle das gleiche Thema behandeln. Doch eine Gemeinsamkeit ist besonders auffallend und mitunter auch problematisch: Der sogenannte Antagonist – vereinfacht der Widersacher – dieser Filme ist in den meisten Fällen das beliebte, feminine Mädchen, welches gerne shoppen geht und Klamotten und Schminke liebt.
Girly Girls als das Statussymbol der Familie
In vielen Filmen übernimmt das Girly Girl die Rolle des Antagonisten. Oftmals ist sie die Person, die andere zurückhält. Im ersten Teil der Disney Produktion „Camp Rock“ kann man dies beobachten, als die blonde Antagonistin Tess Tyler der Protagonistin Mitchie (Demi Lovato) einredet, sie wäre nicht gut genug für einen Solo-Gig. Woraufhin sie ihre Gegenspielerin dann zu ihrer Backgroundtänzerin degradiert. Tess ist nicht nur stylisch und schön, sie ist auch aus einem guten Elternhaus und wohlhabend.
Dies kann in der Tat auf den Großteil der westlichen Geschichte zurückgeführt werden. Denn Mädchenhaftigkeit war ein bestimmter Standard, der gepflegt werden musste. Historisch gesehen hatte der Adel sehr strenge Regeln, was die Kleidung anging. Von der Farbe (häufig Pink) bis hin zu der Form der Kleidungsstücke – alles hatte eine tiefere Bedeutung und war mit der eigenen Stellung in der Gesellschaft konnotiert. Kurz gesagt: Mädchenhafte Mädchen waren ein Statussymbol für ihre Familien.
Tomboys vs. Girly Girls
Highschool Musical hatte Sharpay, Mean Girls hatte Regina George und Gossip Girl hatte Blair Waldorf und sie alle haben etwas gemeinsam: Sie waren die Antagonisten ihrer Geschichte. Das Gegenstück zum Mädchen von Nebenan.
Es scheint fast so als würde Hollywood Tomboys verehren und Girly Girls nicht ausstehen können. Immer wieder findet man in der Popkultur diese Gegenüberstellung vom Tomboy (oftmals auch in Form des Cool Girls) und des Girly Girls.
Ein Beispiel hierfür sind Kat und ihre Schwester Bianca aus dem Film „10 Dinge, die ich an dir hasse“. Stellt man Bianca und Kat nebeneinander, wirken sie wie zwei Pole, wie Yin und Yang. Bianca tragt gerne Pastell Töne, verspielte Kleider. Sie ist sehr beliebt und abhängig von der Anerkennung, welche sie durch ihre Popularität bekommt. Kat auf der anderen Seite wird als stolze und nicht konforme Feministin beschrieben.
Die New York Times beschrieb den Charakter Kat als „a breath of fresh air in the stifling materialistic atmosphere of todays Hollywood teen-age movies.“ (deutsch: ein Hauch frischer Luft in der erstickenden materialistischen Atmosphäre der heutigen Hollywood-Teenagerfilme.)
„Nicht wie andere Mädchen“ als Identität
Die übertriebene und sehr deutliche Unterscheidung dieser zwei Pole in Filmen wie Highschool Musical hat inhaltlich gesehen einen ganz einfachen Grund: Es geht darum, dass das (großteils junge) Publikum die Mädchen unterscheiden und einordnen kann.
Das Problem liegt vor allem in der ungleichen Handlungssträngen und Charakterisierungen der Personen. In vielen Fällen ist das Girly Girl nur ein Mittel zum Zweck oder auch ein Accessoire. Denn oftmals wird das Girly Girl nur benutzt, um den Zuseher dazu zu bringen, Mitleid mit dem unscheinbaren Mädchen (welches oftmals in der Hauptrolle steht) zu haben. Und weiters eine emotionale Bindung aufzubauen.
Auch das kann man ganz gut bei der Disney Produktion „Camp Rock“ beobachten. Mitchie verstrickt sich in ein Netz aus Lügen, um Tess zu gefallen und dazuzugehören. Als Tess die Wahrheit erfährt, nämlich dass Mitchie aus einem einfachen Familienhaus kommt und keinerlei Connections in der Musikbranche hat, stellt sie diese vor allen bloß. Der Zuseher kann nicht anders, als mit Mitchie mitzuleiden.
Handlungsstränge wie diese tragen dazu bei, dass ultrafeminine Frauen als hinterhältig und kalkuliert abgestempelt werden. Da unsere Gesellschaft mädchenhaftes Verhalten schon seit Jahrzehnten oftmals als tussig und anstrengend betrachtet und sich dieses Bild in unseren Köpfen etabliert hat, passiert es, dass der Tomboy im Film von Anfang an mit Eigenschaften wie Mut und Originalität in Verbindung gebracht wird. Denn der Tomboy widersetzt sich aktiv gesellschaftlichen Normen, während das Girly Girl passiv und konform lebt.
In vielen dieser „Coming of age“- Filmen findet man eine Szene, in der die männliche Hauptrolle zu der weiblichen Hauptrolle sagt: „Du bist nicht wie andere Mädchen.“ Und sich anschließend unsterblich in sie verliebt. Diese anderen Mädchen sind dann in diesem Kontext die Girly Girls. Dies ist nur ein weiteres Beispiel, wie Hollywood dieses Stereotyp ausschlachtet.
Die Rolle der Makeovers
Neben der Gegenüberstellung dieser zwei popkulturellen Phänomene (Girly Girl vs. Cool Girl) ist ein weiterer Handlungsstrang besonders beliebt in Hollywood: Makeovers.
Kurz gesagt: Das nerdige beziehungsweise Tomboy-Mädchen wird in die „Mädchenwelt“ eingeführt. Diese Verwandlung währt oftmals nicht ewig. Denn kurz bevor der Film zu Ende geht, erkennt die Protagonistin, dass ihr „altes“ Ich ihre wahre Identität ist. Solche Handlungsstränge findet man unter anderem in Filmen wie „Plötzlich Prinzessin“ oder „Mean Girls“.
Die Problematik liegt nicht an der Storyline an sich. Denn sein wahres Ich zu erkennen und einen eigenen Stil zu finden ist insbesondere für junge Frauen, welche sehr unter gesellschaftlichen Zwängen leiden, wichtig. Das eigentliche Problem hierbei ist die Intention solcher Szenen. Denn sie lassen die Girly Girls als oberflächlich hohle Bösewichte dastehen.
Warum die Verteufelung des Girly Girls alles andere als Feminismus ist
Viele Menschen sehen das Girly Girl als eine Fantasie oder Produkt des Patriarchs. Oftmals wird der Hass und die Verteufelung von diesen „ultra weiblichen“ Eigenschaften damit gerechtfertigt, dass sie antifeministisch seinen und nur zur patriarchalen Wunscherfüllung dienten.
Doch die Essenz der Freiheit des weiblichen Geschlechts liegt vor allem in der Freiheit selbst zu entscheiden. Und die eigene Wahrheit zu leben, ohne dafür verurteilt zu werden.
Für manche Frauen sieht diese Wahrheit anders aus als für andere. Es gibt Frauen, die gerne ihre Weiblichkeit stark betonen und diese in vollen Zügen ausleben, indem sie Pink lieben und jede Woche zur Mani- und Pediküre gehen. Oder Frauen, die lieber shoppen gehen als wandern. Frauen, die lieber Sekt trinken als Bier. Das äußere Erscheinungsbild und ihre Vorlieben machen eine Frau weder zu einem besseren noch zu einem schlechteren Menschen.
Elle Woods – Eine Revolutionärin
Filme wie „Natürlich blond“ und „Clueless“ spielten zwar auch mit den Stereotypen des blonden Püppchens, das gerne pink trägt, aber schafften es diese zu durchbrechen und ihren Charakteren im Laufe der Filme mehr Tiefgang und Multidimensionalität zu geben.
Um den Handlungsstrang von „Natürlich blond“ kurz zusammenzufassen: Elle Woods wird von ihrem reichen versnobten Freund verlassen. Und um ihm eins auszuwischen, bewirbt sich an der Harvard University und schafft es sogar, genommen zu werden. Sie wird eine Musterstudentin und schockiert damit sowohl die Professoren, als auch ihre Kommilitonen.
Nebenbei löst sich noch einen Mordfall und findet einen neuen Freund, der nicht nur attraktiv, sondern auch klug ist. Und weil Rache bekannterweise süß ist, wird sie auch noch die Bff der Ex-Verlobten ihres Ex -Freundes. Dieser hat zwar schlussendlich seinen Abschluss gemacht, aber ohne Auszeichnung und ohne Freunde.
Der Bruch mit dem stereotypischen Bild
Das ist aber nicht alles. Denn Elle durchbricht auch noch das stereotypische Bild der dummen Blondine, indem sie hartnäckig, fleißig, geistreich und zielstrebig ist. Es handelt sich hier viel mehr als bloß um eine Teeniekomödie: Der Film wurde konzipiert, um frauenfeindliche Klischees aufzuzeigen und zu widerlegen. Man darf nicht vergessen, dass dieser Film 2001 veröffentlicht wurde. Für viele junge Frauen war das der erste Berührungspunkt und die Einführung in die feministische Filmwelt.
Zwar ist Elles Motivation nach Harvard zu kommen anfangs ihr Ex-Freund, den sie zurückgewinnen möchte. Doch im Laufe des Filmes kann der Zuschauer beobachten, wie Elle Woods Charakter über die Rolle des Girly Girls hinauswächst. Sie entdeckt eine tiefe Leidenschaft für ihren Studiengang und das Rechtssystem.
Der springende Punkt ist, dass Elle nicht ein einziges Mal auch nur mit dem Gedanken spielt, ihre Weiblichkeit und ihr äußeres Erscheinungsbild für ihren Erfolg zu opfern und sich an ihr Umfeld anzupassen. Ihre Leidenschaft für Modezeitschriften, Stars und die Farbe Pink wird im Film nie als dumm oder hohl dargestellt. Diese Eigenschaften und Vorlieben werden viel mehr als selbstverständlicher Teil ihrer Persönlichkeit präsentiert. Diese erweisen sich im Laufe des Films sogar als nützlich. Zum Beispiel als sie die Unschuld ihrer Klientin Brooke Taylor Windham beweist.
Titelbild © Pexels
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