Nach den gigantischen Erfolgen der südkoreanischen Serien Squid Game und Hellbound war es nur eine Frage der Zeit bis Netflix eine weitere Serie aus Südkorea raushaut, um an diesen Erfolg anzuknüpfen. Und siehe da, mit The Silent Sea glaubt man diesen Nachfolger wohl gefunden zu haben. Wir von WARDA haben den vermeintlichen Hit auf sein Potenzial hin überprüft.
Südkoreanische Filme und Serien auf den Spuren des Erfolges
Südkoreanische Filme (z.B. der Oscar-Abräumer Parasite) und Serien (vor allem Squid Game und Hellbound) sind in letzter Zeit – auf allen nur denkbaren Ebenen – erfolgreich gewesen. Von internationalen Filmauszeichnungen bis hin zu sich immer weiter übertreffenden Streaming-Rekorden. „Made in Südkorea“ scheint ein Erfolgsgarant zu sein.
Squid Game und Hellbound – Grundsteine des Erfolges
Und warum auch nicht? Filme und Serien aus diesem Teil Ostasiens sind (für gewöhnlich) gut strukturiert und vor allem auch hervorragend produziert. Einst ein Nischenprodukt, ausschließlich geschätzt von Cineasten und Cineastinnen, haben Filme und Serien aus Südkorea, was den internationalen Mainstream betrifft, fulminant expandiert und mit Squid Game und Hellbound zwei beachtliche Serien geschaffen, die in einem von televisionärer-Fischzucht übersättigten Serien-See durchaus zwei Exemplare sind, die man sich angeln sollte.
Denn man kann über Squid Game und Hellbound sagen, was man will, unterhaltend sind beide Serien allemal. Und trotz Schwächen bei weitem sehenswerter, als die meisten anderen Serien. Was beide Erfolgsserien auszeichnet, ist vor allem eine schnell voranschreitende Handlung, unterstützt von rasanter Action und atemraubender Spannung. Vor allem in Squid Game sind die Cliffhanger gut gesetzt. Und die oft hakenschlagenden Handlungsverläufe (in beiden Serien) sorgen für den einen oder anderen WTF-Moment.
The Silent Sea und das Problem zu großer Fußstapfen
Die Erwartungen waren nach den phänomenalen Erfolgen der Vorgänger für The Silent Sea beängstigend hoch. Ist doch allen klar, dass sie mit Squid Game und Hellbound verglichen werden wird. Was für eine Challenge. Um etwas Druck von der nächsten südkoreanischen Serie zu nehmen, hat man sich vermutlich für ein Sci-Fi-Horror-Format entschieden. Denn nichts ist weiter weg von Squid Game und Hellbound als der Weltraum bzw. der Mond, auf dem die Handlung von The Silent Sea angesiedelt ist.
The Silent Sea – eine Story des ultimativen Klischees
Die Story des Squid Game und Hellbound Nachfolgers ist recht simpel: In einer mehr als beängstigenden Zukunft neigt sich das Wasservorkommen der Erde dem Ende zu. Die Folgen: Wüstenbildung, Nahrungsmangel usw. Wie in jeder solcher Geschichten liegt die Rettung der Erde natürlich irgendwo out there im Weltall.
Für das Team rund um den Missionsleiter Han Yun-jae (gespielt von Gong Yoo – der „Watschenkönig“ aus Squid Game – leider das einzige Verwandtschaftsverhältnis zu der Erfolgsserie zusammen mit dem Schauspieler Heo Sung-tae) geht es jedoch nicht ganz so weit weg. Denn ihre Mission führt sie „nur“ zum Mond und einer dort verlassenen Weltraumstation. Dort gilt es eine mysteriöse Probe aus einer verlassenen Forschungsstation zu beschaffen. So weit so gut. Eine Ausgangslage, die aus allen anderen Filmen und Serien dieser Art mehr als bekannt ist.
Copyright: Netflix
The Silent Sea – Same ol‘ shit
Aber wie man bei Squid Game gesehen hat, muss man das Rad der story-creation nicht unbedingt neu erfinden, um eine unterhaltsame Serie zu erschaffen. Denn wenn man Squid Game auseinandernimmt, dann bietet die Serie im Grunde auch nichts Neues. Es ist vielmehr eine Ansammlung schon altbekannter und erfolgsversprechender Konzepte. Aber warum auch nicht? Was schon einmal funktioniert hat, verwendet man einfach wieder und setzt noch einmal eines drauf.
Die Frage, die wir uns jetzt stellen sollten, ist daher nicht, ob The Silent Sea etwas Neues bietet (tut es nämlich überhaupt nicht!), sondern vielmehr, inwiefern die Serie dazu in der Lage ist, das (geradezu schmerzhaft) Altbekannte und Vertraute unterhaltsam zu verarbeiten und vielleicht auch neu zu interpretieren.
Eine Mission, die für Regisseur Choi Hang-yong und Co leider so was von in die Hose gegangen ist. Was schade ist, denn es gibt genug Sci-Fi-Horrorfilme, von denen man sich inspirieren lassen hätte können. Aber wer weiß, vielleicht hat man das ja auch getan. Aber – und das ist das Problem! Das unübersehbare Problem von The Silent Sea – man hat es nicht gut genug gemacht.
The Silent Seas träge Story
Ein Team landet also (mehr oder weniger erfolgreich) auf dem Mond und findet sich in einer verlassenen bzw. von Toten gesäumten Weltraumstation wieder. Recht vorhersehbar haust dort natürlich auch ein seltsames Wesen, das sein Unwesen treibt. Alien lässt grüßen. Obwohl man von dort leider viel zu wenig Anleihen mitgenommen hat – wenn man es von sich aus schon nicht besser machen kann. Wie schon erwähnt: the same old shit!
Aber egal! Denn das ist noch immer kein Grund, warum die Serie nicht funktionieren sollte. Und von ihrem Grundkonzept her müsste sie ja funktionieren. Aber das tut sie nicht! Es ist verwunderlich! The Silent Sea scheitert nicht an seinem 08/15 Konzept, sondern hauptsächlich an dessen behäbiger Umsetzung.
The Silent Sea oder die Revolutionierung der Langeweile
Langeweile ist das unangenehme Gefühl, das bei einer als monoton oder unterfordernd empfundenen Tätigkeit aufkommen kann. Und genau das ist The Silent Sea. Die mehr als bekannte Story (unterfordernd an sich, weil zum Einschlafen vertraut) wird in einer dermaßen uninspirierten Art dargestellt, in einem derart sloth-liken Tempo erzählt, dass den Zusehenden ganz unwohl wird dabei.
Ein echter Horror. Aber ganz anders als es das Film-Team vermutlich beabsichtigt hat. Und genau in diesem Punkt ist die Serie The Silent Sea geradezu „revolutionär“. Bietet sie doch eine unerwartete Anti-These zum für gewöhnlich beindruckenden südkoreanischen Serien- und Filmreigen, der vor allem mit Tempo und hektischer Spannung punktet.
The Silent Sea – eine zu sehr gestreckte Droge
The Silent Sea ist in diesem Sinne der Höhepunkt eines Phänomens, unter dem etliche Serien schon vorher gelitten haben und auch noch weiterhin leiden werden. Denn viele Serien sind einfach zu lang. Auch Squid Game ist phasenweise etwas zäh, obwohl das recht gekonnt überdeckt wird.
In letzter Zeit ist es leider geradezu Usus geworden, eine Story, die man im Grunde in einem 90-minütigen Film erzählen könnte, auf Serienlänge zu strecken. Zu strecken wie ganz schlechten Stoff. Und was passiert, wenn man eine Droge zu sehr verdünnt? Richtig! Das Zeug wirkt einfach nicht mehr. Und anstatt voll abzugehen, wartete man gespannt, bis der Stoff endlich seine Wirkung entfaltet. Aber nichts passiert! Doch man hört nicht auf. Man nimmt das Zeug vielmehr weiter und wartet hoffnungsvoll. Nur um am Ende zu erfahren, dass man sich so viel von dem gestreckten Zeug reingezogen hat, aber die erhoffte Wirkung einfach nicht eingetreten ist. Und auch nicht eintreten wird. Less ist more! Das ist das große Fazit von The Silent Sea, dass uns die Serie in ihrer epischen Fadesse geradezu vors Gesicht knallt. Aber langsam. Oder soll man lieber sagen langsaaaaaaam, wie das Beamtenfaultier in Zoomania seine Aufträge bearbeitet.
Fazit
Trotz vielleicht ganz überzeugender Special-Effects, bleibt die Serie The Silent Sea hinter den (vielleicht zu hohen) Erwartungen zurück. Und bietet zu wenig, um ein würdiger Nachfolger von Squid Game und Hellbound zu sein. Außer in Bezug auf das Phänomen der Langeweile, da ist diese Serie ganz „großes Kino“.
Wer sich also für den Philosophen Martin Heidegger interessiert – der das Phänomen der Langeweile einer eingehenden phänomenologischen Deutung unterzogen hat – findet in The Silent Sea vielleicht ein gelungenes Serienbeispiel a la Slavoj Žižek, um dessen Standpunkt besser zu erörtern. Alle anderen, die das Thema Langeweile vielleicht nicht so brennend interessiert, sind mit diesen Filmen vielleicht besser bedient.
Titelbild Credits: Netflix
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