Der Wiener DJ und Produzent Ferdinand Hübl veröffentlichte kürzlich sein zweites Album. Wir haben ihn auf eine Melange getroffen, um über Techno und Sex zu reden. Und darüber, was die beiden Dinge gemeinsam haben.
Wer in der heimischen Techno-Szene unterwegs ist, der müsste schon Mal über Ferdinand Hübl gestolpert sein. Der 1995 geborenen Wiener ist bekannt für seinen unkonventionellen Zugang zu elektronischer Musik. Techno bildet stets die Basis, vollendet durch Elemente aus Disco, Soul und Jungle. Dieser unkonventionelle Zugang hört nicht bei seiner Musik auf. Mit seiner Liebe zur extravaganten Mode und ästhetischen Musikvideos zieht Ferdinand Hübl die Grenzen des Techno neu.
Mit Tracks wie „Approximation“, „Encounter“ und „Choices“ gelang Ferdinand Hübl der Sprung zu mehreren deutschen Labels. Sein Debütalbum „A Mind Called Galaxy“ folgte. Die darauf erschienene Single „No Place“ erreicht über 50.000 Views auf YouTube und mehrere Beatport Charts Platzierungen. Jetzt erschien Ferdinand Hübls zweites Album „A Time Called Now“. Ferdinand Hübls Ansatz ist es zum Nachdenken und zum Tanzen zu bewegen. Was er damit meint? Wir haben ihn gefragt.
Wie würdest du deine Musik in drei Worten beschreiben?
Ferdinand Hübl: Elektronisch, lyrisch, Avantgarde.
Welcher Song deines neuen Albums ist der für dich wichtigste und warum?
Ferdinand Hübl: Wenn ich mich festlegen müsste, wahrscheinlich Relax (feat. Aunty). Die Bewegung der freien Sexualität ist mir nicht nur allgemein ein wichtiges Thema, sondern auch durch Corona umso wichtiger. Corona brachte Distanz. Durch Corona berührt man sich nicht mehr, öffnet sich nicht mehr, lernt sich nicht mehr richtig kennen. Ich glaube aber, dass das sich öffnen und sich angreifbar machen sehr wichtig ist. Erst wer sich angreifbar macht, kann, glaube ich, Vertrauen lernen. Deshalb ist mir das Thema und der Song sehr wichtig.
Im neuen Song Relax (feat. Aunty) heißt es in den Lyrics „Relax. I’m just sex positive.” Was bedeutet Sex-Positive für dich?
Ferdinand Hübl: Ich bin so erzogen worden, dass Sexualität kein Tabuthema sein sollte. Dass man machen kann, was man will. Und dass es eigentlich im schlimmsten Fall keinen schlimmsten Fall gibt, weil im „worst case“ entsteht Leben. Im Vergleich dazu werden wir konfrontiert mit einer Welt voller Hass, Zerstörung und Leid, in der der Tod oft das Worst-Case-Szenario ist. Wenn ich diese zwei Pole gegenüberstelle, dann hat Sexualität für mich einen sehr positiven Charakter. Was mir an der Sex-Positive Bewegung gefällt, ist der Grundsatz zu machen was man will, worauf man sich einigt, aber nichts ist ein Zwang. Dass man Menschen einen Freiraum gibt, aber gleichzeitig niemanden zwingt, etwas bestimmtes zu tun.
Was hat Corona mit der Sexualität der Menschen gemacht?
Ferdinand Hübl: Die Anbahnung ist sicherlich schwieriger geworden. Es ist schwieriger geworden, Menschen kennenzulernen. Das hat sich, denke ich, auch auf die Sexualität ausgewirkt. Was ich aber als problematisch empfinde, ist, dass der LGBTIQ*-Szene, die sich unter anderem viel in Clubs abspielt, der Raum genommen wurde. Die Clubkultur ist für viele Menschen ein wichtiger Ort der Entfaltung, der unersetzbar ist. Und der wurde ihnen genommen.
Was haben Sex Positivity und Techno gemeinsam?
Ferdinand Hübl: Beides steht dafür, dass Menschen so sein und leben können, wie sie wollen. Dass Menschen unterschiedlicher Herkunft, Religion oder Sexualität aufeinandertreffen und einen gemeinsamen Ort finden, an dem sie sie selbst sein können.
Warum ist die Sex-Positive Bewegung für die Gesellschaft wichtig?
Ferdinand Hübl: Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass man alte Muster in Frage stellt. Und dass man Menschen eine Menschlichkeit gibt, nämlich, dass sie zu ihrem Körper stehen. Dass Nacktheit kein Problem ist. Dass Sexualität kein Problem ist. Ich glaube, dass es viele Probleme auf unserer Erde gibt, aber Sexualität ist keines davon.
Glaubst du, dass Sex in unserer Gesellschaft jemals kein Tabuthema mehr sein wird?
Ferdinand Hübl: Nein, das glaube ich nicht. Aber ich glaube, dass es das Potenzial hat, ein immer kleineres Tabuthema zu werden. Aber es ist noch ein weiter Weg dahin. Es fängt bei den Medien an, geht bei der Gesellschaft weiter bis zu den Religionen. Jeder Schritt zur Offenheit ist, glaube ich, ein guter.
So wie im Song Relax (feat. Aunty) sprichst du ja in vielen deiner Songs gesellschaftskritische Themen an. Warum?
Ferdinand Hübl: Für mich hat Kunst die Aufgabe, auch zu kritisieren, weil man Menschen sehr direkt und emotional in seine Fänge ziehen kann. Wenn man das nicht mit erhobenen Zeigefinger macht, sondern charmant wichtige Dinge aufzeigt, dann glaube ich, kann Kunst sehr vieles erreichen. Mir persönlich gefällt Musik nicht, wenn sie belanglos oder nichts aussagend ist. Das ist nicht so meine Welt. Elektronische Musik wird oft so dargestellt, als ob es nur ums Tanzen geht. Das möchte ich brechen und versuche, elektronische Tanzmusik mit emotional bewegenden Themen zu kombinieren.
Was viele Songs deines neuen Albums gemeinsam haben, ist der Gebrauch von Vocals, was bei Techno ja nicht unbedingt Usus ist. Welche Bedeutung haben Vocals für dich?
Ferdinand Hübl: In der elektronischen Musik geht’s ja oft ums anders sein. Ich habe da für mich festgestellt, man kann auch anders sein, in dem man Dinge kombiniert. Ich habe einen gewissen Songwriting Approach, der in der elektronischen Musik nicht Gang und gebe ist. Daher versuche ich halt bisschen was Neues zu machen, und das ist für mich persönlich der Einsatz von Vocals. Mit Vocals kann ich Menschen auf die direkteste Art erreichen und Geschichten erzählen.
Seit über einem Jahr leben wir nun schon mit Corona. Du warst sichtlich fleißig und hast an deinem neuen Album gearbeitet. Wie war die Corona-Zeit sonst für dich?
Ferdinand Hübl: Ich bin gefangen zwischen der Euphorie, dass es bald weitergeht und der Angst, dass sich alles so verändert hat, dass man nicht mehr Teil davon ist. Ich habe Angst, dass wenn alles wieder los geht, die MusikerInnen, die schon etwas etablierter waren, nicht mehr gebucht werden, weil einfach das Geld fehlt. Oder weil die Connections innerhalb der Branche nicht mehr so eng sind, wie sie einmal waren. Generell sind einem als Musiker seit Corona die Hände gebunden. Außer releasen kann man nichts machen. Und selbst das Releasen hat seit Corona an Wert verloren. Weil es eben aktuell nicht die Clubkultur gibt. Die Orte, in denen aus Songs erst Hits werden und in denen sie weiter gedeihen.
Wann war dein letzter Gig?
Ferdinand Hübl: 2020, Mitte Februar glaube ich. Da hatte ich drei Gigs an einem Wochenende. In der Grellen Forelle war glaube ich mein allerletzter.
Hoffen wir, dass sich die Corona-Situation weiterhin positiv entwickelt und du bald wieder auflegen darfst. Was kann man ansonsten in Zukunft von dir erwarten?
Ferdinand Hübl: Ich arbeite aktuell an meinem dritten Album. So viel kann ich schon verraten: Techno wird auf viel Songwriting und viele Vocals treffen. Und, es wird nicht belanglos, hoffentlich.
Titelbild Credits: Lisa Brandl
DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN
Musik Review: Kid Pex - von "Nazis" und politischem Aktivismus
Mit dem Lied „Nazis“ und einer deutlichen Botschaft fügt Kid Pex seinem musikalischen Manifest ein weiteres Kapitel hinzu. Was von […]
Rapper Bausa mit historischem Konzert in der Burg Taggenbrunn
Historisches Konzert in historischer Location – Rapper Bausa spielt legendäres Konzert in der Burg Taggenbrunn.
WAP: Warum fühlen sich Männer bedroht, wenn Frauen über ihre Vagina rappen?
Vor etwa einem Monat veröffentlichten die beiden US-Rapperinnen Cardi B und Megan Thee Stallion ihren gemeinsamen Song „WAP“. „WAP“ steht […]
Gay Bars in Wien: entdecke die Szene in Wien
Wien verfügt über eine lebendige LGBTQ+ Szene. Entspannte Drinks oder ausgelassene Partys. Die Gay Bars in Wien bieten für jeden das Richtige.
Hip-Hop aus Heidelberg wird UNESCO-Weltkulturerbe
Hip-Hop Kultur aus Heidelberg wird nun auf die Liste des immateriellen Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen, nachdem Hip-Hop-Akteur*innen und Musikexpert*innen aus […]
Die besten Bars der Welt: 10 Orte, an denen Cocktails zu Kunst werden
Cocktailkunst auf höchster Stufe. Wir haben die besten Bars der Welt für dich gefunden. Von Seoul bis Mexico City. Cheers!