Ist Naturschutz rassistisch? Über „Prostituierte Wissenschaftler und NGO-Piraten“

Eine Ansage, wie ein Roundhouse-Kick! Der kenianische Ökologe Mordecai Ogada erläutert in seiner Streitschrift „The Big Conservation Lie“ (Die große Naturschutz-Lüge), was für ihn am Umweltschutz in Afrika alles falsch läuft. Von prostituierten Wissenschaftlern bis zu Piraten-NGO. Ogada gewährt uns tiefste Einblicke in ein korrumpiertes System.
Problemkind Afrika
Elefantensterben, Nashornausrottung und Gorillatode. In der westlichen Welt macht Afrika immer wieder Schlagzeilen als Problemkind der Welt. In welchen Bereichen auch immer. Selbstverwaltung scheint dort nicht zu funktionieren – das ist zumindest die eurozentristische Sichtweise auf den schwarzen Kontinent.
Warum es dort so katastrophal zugeht? Weil der Westen immer schon seine Macht dort hat spielen lassen und nahezu jedes afrikanische Land von westlichen Firmen und Unternehmen ausgeschlachtet wird. Und das seit über hundert Jahren, wird bei der Afrikaschelte nie erwähnt.
Die Apartheid im Naturschutz: Weiße Strukturen und Romantik
Denselben Tenor schlägt der Westen auch beim Thema Tierschutz an. Laut Dr. Mordecai Ogada verhält sich der Westen auch hierbei extrem rassistisch. Inwiefern? „Naturschutz in Afrika folgt bis heute den Regeln der Kolonialzeit: Haltet schwarze Menschen fern von der Natur, damit weiße Menschen sie genießen können.“, so der Biologe in einem Interview mit GEO. Und dieses Fernhalten der Einheimischen findet auf allen nur denkbaren Ebenen statt.
So entscheiden schlussendlich „Menschen, die weniger qualifiziert sind und oft weiß. Darauf ist das ganze System ausgerichtet, zumindest in Kenia.“, so Ogada weiter und er bringt auch ein Beispiel: „Als der Kongress der Vereinigten Staaten über Wilderei an Elefanten in Kenia beriet, hat er Iain Douglas-Hamilton eingeladen. Er ist Brite. Gab es keinen Kenianer, der etwas über Elefanten in Kenia wusste?“
Eine Kritik, die man sich durchaus gefallen lassen muss. Denn Tatsache ist, dass alle bekannten und als Held:innen gefeierten Naturschützer:innen weiß sind. Genauso die Expertinnen und Experten. Es scheint gerade so, als gehe den Afrikanerinnen und Afrikanern ihre Natur und die Tiere am Ar*** vorbei. Dieses Bild wird zumindest so vermittelt.
Naturschutzorganisationen geben, Ogada zufolge, Unmengen von Millionen dafür aus, eine rassistische Naturschutz-Romantik zu entwerfen. „Die Geschichte von weißen Heilsbringern, die die Tierwelt in Afrika retten – und zwar vor den Afrikanern.“ Eine veraltete Erzählung aus dem 19. Jahrhundert.
„Und niemand hat sich bis jetzt eine andere einfallen lassen.“ Wenn wir kurz in uns gehen und überlegen, dann kommen wir nicht umhin, da nicht auch einen wahren Kern aufzuspüren. Denn ganz ehrlich: Woran denken wir, wenn wir an Naturschützer:innen oder Umweltaktivist:innen denken? Vermutlich zum Großteil an weiße Menschen, die sich in Afrika engagieren.
Double-Standard des afrikanischen Naturschutzsystem
Doch nicht nur das. Denn dieser Double-Standard geht weiter. Ein Beispiel gefällig? 2018 wurde die kenianische Regierung von weißen Tourismus-Investoren um die Erlaubnis gebeten, für exquisite Restaurants Tiere schießen zu dürfen. Und das, obwohl die Jagd dort seit 1977 verboten ist.
Skurriler Höhepunkt dieser Anfrage: Eine Arbeitsgruppe des Ministers ist absurderweise zum Schluss gekommen, dass man das erlauben sollte. Ein extremer Double-Standard, wenn man bedenkt, dass schwarze Dorfbewohner erschossen werden, wenn sie einen Nationalpark alleine schon betreten, erklärt Ogada. Zugleich wird es jedoch für politisch tragfähig gehalten, einer finanziell illustren Runde weißer Touristen Impala-Steak zu servieren.
Und auch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Denn laut Ogada ist die vielleicht erfolgreichste Lüge des Naturschutzes in Afrika die, „dass sich internationale Terroristen mit Elfenbeinhandel finanzieren.“ Eine Behauptung, für die es laut dem kenianischen Biologen keinerlei Beweise gibt. Doch Naturschützer:innen haben die Regierung der USA genau davon überzeugt.
Geld aus dem Anti-Terror-Budget fließt nun in den Naturschutz. Doch leider nicht so, wie man glauben würde. Denn es ist Tatsache, so Ogada, „dass private Sicherheitsunternehmen nach Afrika kommen. Typen, die vorher für das amerikanische Militär im Irak oder in Afghanistan gearbeitet haben. Keiner dieser Leute ist in Polizeiarbeit ausgebildet. Alles, was sie können, ist töten. Sie kommen nach Afrika, um Menschen zu töten. Weil es zu viel Geld gibt.“
Geld für den Naturschutz kommt nicht den Tieren zugute
Somit kommt das viele Geld nicht einmal dem Tierschutz bzw. den Organisationen zugute. Laut Ogada macht das viele Geld nämlich nur einige wenige Leute sehr, sehr reich. „Diese Organisationen zahlen hohe Gehälter. Sie kaufen Waffen, Munition und Helikopter. Sie bauen eine Art Parallelregierung auf, inklusive Sicherheitsorganen. Manche NGOs in Ost- und Zentralafrika unterhalten bewaffnete Milizen, die über Grenzen hinweg operieren. Etwas, das staatliche Behörden nicht dürfen.“
Schutzgebiete – ein unglaublich primitives und gewaltsames Mittel des Naturschutzes
Auch das Geld das in den Erhalt und den Ausbau der Naturschutzgebiete fließt, sieht Ogada als sehr kritisch an, da auch damit falsch gehandelt wird. Denn „Naturschutz ist nicht nur Biologie. Er ist Soziologie, Geschichte, Politik, Anthropologie.“ Die zu schützenden Tiere leben nicht auf einer einsamen Insel – was viele der weißen Naturschützer:innen schlichtweg vergessen.
Denn diese wollen immer mehr umzäunte Schutzräume für Tiere schaffen. Was jedoch wiederum die Einheimischen und deren Zuchttier vom guten Weideland und Wasser fernhält. Woher sollen diese jetzt aber Wasser für ihre Herden bekommen? Ergebnis: Zäune werden zerschnitten. Menschen verhaftet. Und somit trägt die Wissenschaft zur Apartheid bei, da Schwarze aus ihrem eigenen Land ausgeschlossen werden.
„Wir tun so, als könnten wir zum Beispiel die Ökologie von Löwen und Zebras untersuchen, ohne die Menschen zu betrachten. Menschen sind seit Millionen von Jahren ein Teil der Landschaft in Ostafrika. Das ist eine weitere Lüge, die uns im Globalen Süden hart trifft: Unsere Anwesenheit in diesen Lebensräumen sei nicht natürlich.“
Naturschutz: Der neue Kolonialismus
Beim Naturschutz in Afrika geht es nicht mehr um Naturschutz, sondern um Geopolitik, Macht und Geld. „Naturschutz ist der neue Kolonialismus.“, behauptet Ogada.
„Früher nahm man den Afrikanern das Land mit Gewalt ab. Heute ist das nützlichste Werkzeug, um an Land zu kommen, ein Nashorn… Wenn Sie ein Nashorn haben, dann bekommen Sie sofort ein paar Tausend Hektar Land. Sie bekommen eine Genehmigung für Waffen, um es zu bewachen. Und Sie erhalten jede Menge Geld, denn Schutzprogramme für Nashörner gehören zu den am besten finanzierten der Welt.“
NGOs sind Piraten und Wissenschaftler Prostituierte
Auch vor der Anklage seiner eigenen Kolleginnen und Kollegen macht Ogada nicht halt. So sollen Wissenschaftler auf bezahlte Millionen-Studien systematisch falsche Ergebnisse liefern. Warum? Weil Naturschutz ein Geschäft ist.
Große Organisationen sind vom Geld abhängig, daher versuchen sie „eine permanente Krise herbeizureden, um ihre Arbeit zu rechtfertigen.“ Verständlich. Gäbe es weniger Probleme, bekämen diese Organisationen auch viel weniger Geld in die Hand gedrückt. Eine verquere Logik.
„Naturschutz ist das einzige Gebiet, auf dem wir Versagen belohnen. Wir verehren die, die sagen: Seit 40 Jahren kämpfe ich für diese Tierart. Wenn Sie als Ingenieurin 40 Jahre lang an einem Problem arbeiten, ohne es zu lösen, dann verlieren Sie Ihren Job. Aber Naturschützer bewundern wir für ihre Ausdauer. Dabei haben sie 40 Jahre lang nichts gemacht oder das Falsche.“
Fazit
Der durchaus auch kontroverse Biologe Dr. Mordecai Ogada zeichnet ein düsteres, aber vor allem komplexes Bild des Phänomens Natur- und Tierschutz, von dem wir immer angenommen haben, es sei von allen Widrigkeiten verschont geblieben. Doch auch hier spielt das große Geld mit. Und das den Afrikanern und Afrikanerinnen immer wieder Land weggenommen werden soll, von weißen Mächten, um daraus dann gated Nationalparks entstehen zu lassen, ist durchaus kritisch zu bewerten.
Während man im Westen selbst mit dem Tierschutz und der Bio-Diversität versagt hat, Bodenversiegelungen ausarten und die Umwelt niemanden wirklich zu interessieren scheint, soll der Schwarze Kontinent auf einmal als eine Art Stadthalter für unser weißes Versagen fungieren. Es ist wie mit dem, im Leben gescheiterten Papa, der seinem Sohn eine Karriere aufzwingen will, zu der er selbst nie in der Lage gewesen ist. Man kann sich denken, wie diese Geschichte allzu oft ausgeht. Aber klar, es ist immer leichter auf den Dreck anderer zu zeigen, als vor seiner eigenen Türe zu kehren.
Titelbild © unsplash | D.
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