Bereits des Öfteren bekam die Regierung Konzepte vorgelegt, wie die Clublandschaft – aber auch der gesamte Kultursektor – trotz Pandemie wiederbelebt werden könnten. Stets ohne Wirkung. Das lag nicht minder daran, dass vor allem gesundheitliche Bedenken nicht zerstreut werden konnten und wissenschaftlich vollumfänglich gestützte Entwürfe fehlten.
Das Wiener Startup testFRWD stellt sich mit seinem Konzept den Herausforderungen der Zeit – alles auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse. Wir haben uns mit Hennes Weiss – einem Fixstern der Wiener Clublandschaft und Mitbegründer des Startups – über die Vision, die wissenschaftlichen Grundlagen und das wertvolle Potential unterhalten, neue Wege zu beschreiten, statt nur Symptome zu bekämpfen. Speziell auf die Pläne für Wien und seine Partyszene haben wir bei dem Interview ein besonderes Augenmerk gelegt.
Drei Welten prallen aufeinander. Aber nicht irgendwelche Welten, sondern genau jene, die es braucht, wenn es um Clubs, um Pandemie und um das Durch- und Umsetzen von Ideen geht. Ein Dreiergespann aus dem Virologen Prof. Dr. Med. Chistoph Steininger von der Med-Uni Wien, dem Entrepeneur Veit-Ander Aichbichler und dem bereits genannten Hennes Weiss nimmt sich der längst überfälligen Sache an und lässt wieder Hoffnung aufkeimen.
Lieber Hennes, danke für deine Zeit. Clubs in Wien wirken schon so fern und man hat das Gefühl, dass sich so bald nichts daran ändern könnte. Du musstest dich selbst schon direkt nach der Neueröffnung eures Lokals Praterstrasse mit der Realität dieser Pandemie konfrontiert sehen und auseinandersetzen. Jetzt kommt ihr mit einem für die Club- und Kulturlandschaft denkbar leicht umsetzbaren und doch ausgeklügelten, wissenschaftlich fundierten Testkonzept. Warum hat das so lange gedauert?
Die Arbeit hinter den Kulissen findet schon lange statt, doch müssen wir gerade in solchen Zeiten viele Fragezeichen klären, bevor es wirklich zur Anwendung kommen kann. Zudem wussten Politik und Wissenschaft zu Beginn der Pandemie noch nicht genug über alle notwendigen Eventualitäten Bescheid – seien es nun Inkubationszeiten, Ansteckungsrisiko und ausreichende Prävention -, um auch verantwortungsvoll handeln zu können.
Hennes Weiss, ehemals Pratersauna, Praterstrasse, Lighthouse Festival
Mittlerweile ist es aber möglich, auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und mit Hilfe von Erfahrung ein sicheres Konzept vorzulegen, das einerseits die Wirtschaft in vielen Bereichen wieder ins Rollen bringt, andererseits gesundheitlichen Ansprüchen vollends gerecht wird. Alleine der Wunsch nach einem Event- und Kulturbetrieb sowie Abstände und Maskentragen schaffen noch lange keinen Safe Space. Da setzen wir an und versuchen alles, um diesen sicheren Bereich von allen Seiten zu schützen und somit ideale und einer Pandemie gerechte Rahmenbedingungen für den Kultur- und Eventbetrieb zu schaffen.
Im Gegensatz zu vorangegangenen Konzepten stellt eures einen gesamtheitlichen Plan, bestehend aus Testabläufen und weiters auch konkreten Umsetzungsmöglichkeiten. Somit deckt euer Startup auch die bereits diskutierten Ideen der Politik, sich sogenannter Eintrittstest für das Hochfahren verschiedenster Sektoren zu bedienen. Welche Tests kommen bei euch zur Anwendung?
Vorab gilt es erstmal festzuhalten, dass es aktuell zwei Testarten gibt, die zur Anwendung kommen. Hinlänglich bekannt ist, dass vor allem die Schnelltests keine akurate Lösung darstellen. Ungefähr jeder vierte Test zeigt in der Auswertung ein falsches Ergebnis. Somit ist es nur für Massentestungen, wie sie auch von der Regierung durchgeführt werden, nützlich, jedoch wäre dies speziell im Veranstaltungssektor verantwortungslos. Gerade erst kürzlich haben die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC sowie die FDA explizit in einer weiteren Studie von sogenannten Rapid Tests abgeraten.
Wir wollen aber nicht nur die Pandemie bekämpfen, sondern auch gleichzeitig die Wirtschaft wiederbeleben, was mit den Schnelltests nicht möglich ist. Deshalb bedienen wir uns des „Goldstandard“ PCR-Tests, weil diese auch bei geringer Viruslast anschlagen. Dies gelingt aufgrund der höheren Accuracy/Sensitivität. Die PCR Tests haben den Nachteil, dass eine Auswertung gemeinhin länger dauert. Demgegenüber aber besteht der große Vorteil darin, dass nach akkurater PCR-Testung sogenannte „Safe Space“ Veranstaltungen – jeder der die Location betritt, ist natürlich getestet – Veranstaltungen nicht zu einem Superspreader-Event werden.
Aber die Ansteckungsgefahr besteht ja auch noch zwischen Test und Veranstaltung. Was gibt uns also Sicherheit, damit wir niemand anderen anstecken oder angesteckt werden?
Hierbei spielt die Inkubationszeit eine wichtige Rolle. Anhand der Studien (Anm. d. Red.: Annals of Internal Medicine Journals) ergibt sich eine durchschnittliche Inkubationszeit von 5,1 Tagen. Das bedeutet, dass jene Leute, die sich bereits eine Sekunde nach der Testung anstecken, erst ab durchschnittlich 5,1 Tagen ansteckend sind. Daraus resultieren auch die berühmten 72 Stunden, auf die sich Regierungen berufen, wenn es beispielsweise ums Reisen geht. Dieses „Non-Infectious Open Window“ machen wir uns zu Nutze.
Credits: testFRWD
Natürlich ergibt sich hier der Nachteil, dass du für diese hohe Wahrscheinlichkeit eines richtigen Testergebnisses – genauer 99 Prozent – auch ein Labor brauchst. Normalerweise dauert die Bearbeitung zu lange, um wirklich für eine größere Zahl an Tests und in Hinblick auf Veranstaltungen effektiv genug zu sein. Jedoch schaffen wir es weitaus schneller als gewöhnlich. Die schaffen wir, indem wir durch unseren Partner ein Netzwerk an Laboren bündeln und die Kapazitäten beim jeweiligen Labor vorreservieren – sprich es gibt keine Wartezeiten, wenn die Probe ankommt. Somit bekommst du das Ergebnis zwischen 8 bis maximal 24 Stunden auf die App.
Wie sieht das dann in der Praxis aus?
Das Testpaket kann entweder zugeschickt oder in ausgewählten Geschäften gekauft werden. Die Kontrolle erfolgt durch eine Identifikation mittels Ausweises und der Test selbst dauert circa 3 Minuten. Anschließend gibt man den Test ab oder lässt diesen Abholen. (Anm. d. Red.: im Video ist der einfache Ablauf nachzusehen)
Alles läuft über die App – quasi die Eintrittsermächtigung zu dem jeweiligen Event. Innerhalb der 72 Stunden zeigt diese grün an, sofort eine Sekunde danach bereits rot. Somit gewährleisten wir maximale Sicherheit. Denn trotz einer Inkubationszeit von 5,1 Tage steigt die Wahrscheinlichkeit der Ansteckungsgefahr ab 72 Stunden. Deshalb ziehen auch wir hier die Grenze.
Jetzt liegt der Plan sozusagen auf dem Tisch: Wo beginnt die Umsetzung? Und: Gibt es auch schon konkrete Pläne für Wien?
Ja, die gibt es. Die Umsetzung soll mit einem Pilotprojekt beginnen. Unter der Festival-Dachmarke „REVIVE Vienna“ (Projekttitel) entsteht ein umfangreiches, eigentlich auf eine Woche komprimiertes Programm. Dieses bedient alle Zielgruppen der Event- und Kulturbranche. Anfangs soll dies als Pilot über ein Wochenende getestet werden und könnte bei Proof-of-Concept theoretisch z.b. ab Ampel Gelb sogar dauerhaft bis Pandemie-Ende vollzogen werden. Von Clubs, Konzerten, Tanzbars und Kinos, über Kunstmessen, Vernissagen und Pop-Ups, bis hin zu Theater, Bühnen, Opern, klassische Konzerten und Museen wollen wir unter diesem Festival verschiedenste Bereiche der Kunst und Kultur bündeln.
Einerseits belebt das natürlich die Stadt und die Wirtschaft. Andererseits entsteht auch so eine Referenz für das weitere Vorgehen innerhalb der Pandemie bis hin zum schrittweisen Hochfahren von Städte-Tourisms. Denn wie Experten und auch Regierungen stets proklamieren, stellt das Testen gegenüber der noch geringen Impfbereitschaft wohl das effektivste Mittel dar, um Wirtschaft und Kulturbetrieb wieder hochfahren zu können. Mit unseren eventbezogenen PCR-Tests ist zudem die in diesem Fall leicht umsetzbare und notwenige Sicherheit für Gesundheit gewährleistet, ohne dabei weiter die Wirtschaft und vor allem die Kulturszene finanziell ausbluten zu lassen.
Wie darf man sich die Organisation solch eines Festivals vorstellen? Wer kann als Veranstalter mitmachen?
Im Grunde treten die Programm-Partner und Spielstätten selbst als Kuratoren auf und bestimmen über die Eintrittspreise. Sie können wieder das tun, was sie vor der Pandemie gemacht haben. Zentral gesteuert hierbei sind die Testungen unsererseits und die Kriterien sowie auch die Rahmenbedingungen. Deren Einhaltung wird von den teilnehmenden Stätten vertraglich zugesichert. Ob In- oder Outdoorspielstätte muss eine Abgrenzung bzw. Absperrung vorhanden sein oder eine lückenlose Einlasskontrolle. Mittels App können die Teilnehmer die Testergebnisse vorzeigen, wodurch auch der Kontrollvorgang erleichtert vonstattengeht. Die Daten sind alle anonymisiert und werden nach 14 Tagen gelöscht.
PCR-Tests führen aber dann auch zu relativ hohen Kosten für die BesucherInnen. Wie viel könnte dann ein Test kosten im Falle eines Festivals und kann das nicht über die Eintrittspreise geregelt werden?
Grundsätzlich ist es unsere Idee, dass die Testungen nicht alleine von den BesucherInnen getragen wird. Um das Festival auch leistbar zu positionieren, sollen beispielsweise die Stadt Wien und private Sponsoren einen Differenzbetrag übernehme. Im best-case auch Bund/Land. Denn wir dürfen nicht vergessen, wir schaffen hier einen Anreiz zu testen. Dabei helfen wir der Regierung die Pandemie zu bekämpfen. Dadurch ergibt sich ein Kostenpunkt von ungefähr 29 bis 39 Euro brutto pro BesucherIn. Das sollte für ein gesamtes Wochenende ein durchaus attraktives Angebot darstellen. Auf 3 Tage Festivaldauer berechnet sind das 10,- /Tag und man kann jede, wirklich jede Programmpartner Location vielfach besuchen, egal ob Kino, Theater oder Club.
Dem können wir nur zustimmen, weshalb wir auch alle unsere Daumen drücken, dass es bald zur Anwendung kommt. Danke für deine Zeit, lieber Hennes.
Von unserer Seite gilt es jedenfalls festzuhalten, dass die Stadt Wien neben der Lebensqualität auch hier eine internationale Vorreiterposition einnehmen könnte, sollten sie mit ebenso viel Engagement wie testFRWD dieses Projekt unterstützen. Immerhin kommt das Startup aus Wien und trägt mit diesem Kulturkonzept ein innovatives Bild der Bundeshauptstadt in die Welt hinaus. Das würde nicht nur im Tourismussektor eine positive Außenwirkung erzielen, sondern auch in Sachen Startups und Erfindungsreichtum.
Wir halten euch diesbezüglich natürlich auf dem Laufenden. Wer weiß, vielleicht wird die neue Normalität durchaus eine erträgliche und wir müssen nicht auch noch das Jahr 2021 abschreiben.
Zum Startup testFRWD
Im Juli 2020 gründeten Veit-Ander Aichbichler und Hennes Weiss das Startup. Mit Dr. Christoph Steininger von der Med-Uni Wien als wissenschaftlichen Berater und dem Partner Lead Horizon stellt das Innovations-Unternehmen das weltweit erste Do-it-yourself PCR Testkit an. Durch einen App-unterstützten digitalen Health Pass komplettiert sich das Konzept. Mit seiner Spezialisierung auf pandemische Risikoanalyse verfolgen sie das Ziel, die Tourismus, Reise- & Eventbranche so rasch wie möglich wieder hochzufahren.
Erfolge konnte testFRWD bereits mit dem Gewinn eines kanadischen Accelerator Programms zur Re-Aktivierung der Flugindustrie verzeichnen und zudem versucht das Unternehmen bereits durch die Allianz-Partnerschaft mit der weltweit agierenden Sportagentur WWP-Group Sportevents wieder möglich zu machen. Aktuell arbeitet das Startup an der Abwicklung von Regierungsaufträgen aus Spanien, Portugal und Ägypten. Die Vorberereitungen für den Marktstart in den USA und Asien stehen ebenso kurz vor dem Abschluss.
Weitere Infos: www.testFRWD.me
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