Leben inmitten der Natur, umgeben von tollen Menschen und Yogasessions. Die Anastasia-Bewegung kommt als moderne Aussteigerbewegung daher, mit durchwegs lachenden und zufriedenen Menschen. Völlig harmonisch im Einklang mit der Natur und den Mitmenschen zu leben ist natürlich ein nobler Ansatz. Doch der Schein trügt! Rassismus, Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit und rechtes Gedankengut sind nur einige der Punkte, die der Öko-Sekte vorgeworfen werden. Was ist da genau los?
Anastasia-Bewegung: Basiert auf einer Buchreihe
Dabei beginnt alles eigentlich recht harmlos, möchte man meinen. Die Anastasia-Bewegung basiert nämlich auf einer, mittlerweile elfteiligen Buchreihe des russischen Autors Wladimir Megre. Die Titelfigur Anastasia ist eine allein in der sibirischen Taiga lebende Frau, die jedoch eine Vertreterin der alten Kultur ist. Der sogenannten „Wedrussen“. Diese Menschen sind hoch entwickelt, leben jedoch abseits der Technokratie, ganz abgesondert inmitten der Natur.
Der Ich-Erzähler trifft auf diese Anastasia, die sein Leben grundlegend verändert. Eine Grundidee der Buchreihe ist, dass jede Familie auf ihrem eigenen Landsitz (etwa einen Hektar groß) harmonisch inmitten der Natur leben und von dieser Natur auch versorgt werden sollte.
Vom Hippie zum Schwurbler
So weit, so gut. Ein großer Teil der von Wladimir Megre erfundenen Geschichte schließt aber auch Abhandlungen über Religion, Wirtschaft, Politik und Geschichte mit ein. Und spätestens an diesem Punkt wird es problematisch, denn Merge driftet teils recht stark in Verschwörungstheorien ab. Verfolgt aber auch geschichtsrevisionistische Konzepte. Weiters sind seine Bücher auch stark antisemitisch und frauenfeindlich.
Der erste Teil der Reihe erschien dabei erst im Jahre 1996 und verkaufte sich, trotz literarisch zweifelhafter Qualität, millionenfach. Bereits 2005 gründeten sich in Russland die ersten Siedlungen, in Anlehnung an die Werke Megres. Die Anastasia-Bewegung war geboren.
Zwischen 10.000 und 50.000 Menschen leben in Russland heute als Anastasia-Aussteiger*innen, wie der Profil berichtet. Diese Schätzungen gehen dabei recht weit auseinander. Der Grund dafür liegt darin, dass es eben keine zentrale Organisation gibt. Die Anastasia-Siedlungen entstehen oft selbstorganisiert.
Rechtes Gedankengut
Die Anastasia-Bewegung galt lange Zeit als eine grün-gefärbte Öko-Gruppierung. Doch das änderte sich schlagartig im Jahre 2017. Recherchen deutscher Medien brachten nämlich so einige unerfreuliche Tatsachen ans Licht. Der „Bayerische Rundfunk“ zum Beispiel deckte auf, dass bei einem „Anastasia Festival“ auch Frank Ludwig referierte.
Derselbe Frank Ludwig, der online auch unter „Urahnenerbe Germania“ auftritt und mit Rassentheorien und Nazi-Symbolik spielt. Laut eigenen Aussagen bestehe sein eigener Auftrag darin: „das arische Wissen in den Stämmen wieder zu erwecken“. Frank Ludwig hält deutschlandweit Vorträge, in denen er etwa über die „Gesetze der Reinheit des Blutes“ spricht und erklärt, warum die Menschenrassen unter sich bleiben sollten. Mischlinge hätten nämlich unter anderem das Problem, nicht zu wissen, zu welchen Ahnen sie Kontakt halten sollten. Dies sind nur einige Beispiele von Ludwigs fragwürdigen Theorien.
Ludwig hat darüber hinaus auch selbst eine Art „Anastasia-Buch“ geschrieben. Eine Art Guide für all jene, die eben nach dem literarischen Vorbild Landsitze errichten möchten. Trauriges Fazit über die Literatur Megres: Seine Ideen sind leider mit rechtem Gedankengut äußerst kompatibel.
Die Anastasia Bewegung: eine toxische Beziehung
Doch nicht nur rechtes Gedankengut durchzieht die Anastasia-Bewegung. Auch psychologische Manipulation steht an der Tagesordnung, wie eine Betroffene berichtet. Eine Frau, die kurz Teil der Öko-Sekte gewesen ist, vergleicht diese sogar mit einer toxischen Beziehung.
„Erst wirst du mit Aufmerksamkeit überschüttet, also wie love bombing und dann, wenn du etwas hinterfragen willst, spricht man dir gleich ganz deine Realitätssicht ab, das wäre dann gaslighting„, erläutert das Opfer Swetlana gegenüber der Kleinen Zeitung. In einem Podcast schildert sie die Erfahrungen, die sie mit der Bewegung gemacht hat. Frauenfeindlichkeit und Antisemitismus setzen ihr dort so sehr zu, dass sie die Bewegung wieder verlassen hat.
Österreich: Hotspot für die Anastasia Bewegung?
Doch nicht nur Swetlana, auch der „Dokumentationsfonds von religiös motiviertem Extremismus“ hat der vermeintlichen „Öko-Sekte“ mittlerweile einen Bericht gewidmet und die Anastasia-Bewegung wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Der Vorwurf: Die Anhänger*innen der Bewegung seien antisemitisch, antifeministisch und antidemokratisch. Zu Zeiten der Coronapandemie hat die „Anastasia-Bewegung“ einen regelrechten Boom erfahren und fungierte als Fangbecken für eine besorgniserregende Anzahl an Schwurblern.
Wie schon erwähnt, ist eine genaue Zahl an Mitgliedern nicht eruiert worden, da sich die Anhänger*innen eben nicht als gemeinsame Gruppe organisieren. Es soll sich dabei jedoch um ein paar Hundert Menschen in Österreich handeln. Was das Land Österreich anziehend für die „Anastasia-Anhänger“ macht? Das ist vor allem die Möglichkeit, seine Kinder zu Hause unterrichten zu können und sie früh vom staatlichen System fernzuhalten. In dem Gegenentwurf zur modernen Welt, den der Autor Megre in seinen Anastasia-Büchern entwickelt, gelten auch die öffentlichen Schulen als großes Problem, da den Kindern dort das eigenständige Denken abtrainiert wird.
Die Anastasia-Bewegung: braune Esoterik
Die Anhänger*innen der Anastasia-Bewegung sprechen von „Menschlichkeit“, „Natur“ und der „Harmonie des Universums“. Doch hinter diesen Modebegriffen der Nachhaltigkeit verstecken sich rassistische, antisemitische und frauenfeindliche Ideologien. Viele Vertretende der „Öko-Sekte“ halten sich selbst zwar für unpolitisch, bejubeln jedoch Holocaustleugner und besuchen reihenweise Seminare von Rechtsextremen und verbreiten Nazi-Ideologie.
Bei der Anastasia-Bewegung handelt es sich um einen öko-esoterischen Kult, der Menschen verspricht, sie könnten übersinnliche Fähigkeiten wie Hellsicht und Telepathie erlangen, wenn sie nur als Selbstversorgende in die Natur ziehen. Weiterer Schwerpunkt der Bewegung ist die sogenannte Telegonie, im Grunde eine Radikalisierung der Rassenlehre des Nationalsozialismus.
Sektenbeauftragte und Expert*innen warnen nicht zu Unrecht, dass die Anastasia-Bewegung eine ideale „Rutschbahn in den Rechtsextremismus“ sei. Was auch das Opfer Svetlana in ihrer Darstellung der Kleinen Zeitung gegenüber bestätigt. Neugierige Menschen, die lediglich im Einklang mit der Natur leben wollen, werden über die Ökoschiene der Sekte hinweg, mit Ideen der Rassenlehre und brauner Esoterik indoktriniert. Die Anastasia-Bewegung ist ein weiterer Beweis dafür, wie sich rechtsextremes Gedankengut gesellschaftlich immer mehr verbreitet und auch in Bereiche vordringt, bei denen man nie und nimmer damit gerechnet hätte.
Titelbild © Shutterstock
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