Elon Musk ist im Moment nicht nur die reichste Person auf unserem Planeten, sondern wahrscheinlich auch eine der umstrittensten. Spätestens seit der Twitter-Übernahme wird die öffentliche Debatte um Elon Musk und vor allem seine Fails noch emotionaler geführt als sonst. Die einen sehen in ihm den Erlöser, die anderen den Untergang für Twitter. Viele Entscheidungen des Tesla- und SpaceX-Chefs wurden öffentlich kritisiert. Eine weitere Folge seiner ersten Entscheidungen als Chef war die Massenflucht von Twitter zu Mastodon, so wie der Absturz der Aktie. Zusätzlich verliert Twitter laufend Werbepartner. Dennoch ist kein Ende der Twitter-Fails in Sicht, täglich liefert der Chef persönlich neue skurrile Perlen. Um negative Publicity scheint sich Musk aber nicht besonders viele Sorgen zu machen. Kein Wunder, er kann es sich ja im wahrsten Sinn des Wortes leisten.
So schlingert der neue Twitter-Chef wie ein Tesla-Autopilot außer Kontrolle von einem Twitter-Fail zum nächsten. Einiges davon scheint für die Marke desaströs zu sein und dürfte wohl einen längerfristigen Imageschaden mit sich bringen. Fans von Elon Musk sehen hingegen hinter seine Entscheidungen einen genialen Plan, den Normalsterbliche einfach geistig noch nicht richtig erfassen können. Die Zukunft wird wohl weisen, was aus Twitter wird. Wir haben hier für euch ein paar der amüsantesten und skurrilsten Twitter-Fails von Elon Musk seit der Übernahme zusammengetragen.
„The bird is freed“ – Vorlage von Musk geklaut
the bird is freed
— Elon Musk (@elonmusk) October 28, 2022
Am 28.10.2022 postete Elon Musk auf Twitter seinen jetzt schon berühmten Spruch über den nun angeblich befreiten Vogel, also das Twitter–Logo. Damit greift er ein weiteres Mal ein Narrativ auf, welches von der amerikanischen Rechten stets treu gesponnen wurde. Und zwar die angeblich fehlende Redefreiheit auf Twitter. Was man dabei unter „Rede- und Meinungsfreiheit“ genau versteht, ist ebenso gut dokumentiert. Und zwar die direkte Aufforderung zu Hassrede und Gewalt.
Wie zum Beispiel beim Fall des ehemaligen US-Präsidenten und Steuersünders Donald Trump. Dessen hasserfüllte Agitation hatte 2021 zur Erstürmung des US-Kapitols geführt und in weitere Folge zum Tod von fünf Menschen.
Nun, durch die Twitter-Übernahme von Elon Musk, einem der Profiteure der trumpschen „Keine-Steuern-für-Reiche“-Politik, soll also die „Freiheit“ einkehren, alles ohne Konsequenzen sagen zu dürfen. Selbst wenn das Gesagte eine Aufforderung zur Straftat darstellt? Dafür wärmte Elon Musk einen alten Schmäh aus einer Karikatur auf, die er selbst 5 Monate zuvor von einem anderen Account gestohlen hatte:
— Elon Musk (@elonmusk) May 28, 2022
Twitter User*innen hatten bereits damals drauf aufmerksam gemacht, dass der neue Twitter-Chef den Urheber der Karikatur einfach heraus gestrichen hatte.
You wouldn’t have stolen that, right? pic.twitter.com/JQsgZMx5My
— Carpe Diem (@__CarpeDiem__3) May 30, 2022
Der Account RebelPepper, hatte die Karikatur bereits am 22.4.2022 gepostet.
— 变态辣椒RebelPepper (@remonwangxt) April 22, 2022
Doch nicht so mutig?
Wollte Elon Musk mit seinem „The bird is freed“-Tweet nur eine codierte Botschaft an seine Sympathisanten und Fans senden? Denn ein Tweet, den er interessanterweise bereits zuvor gepostete hatte, deutet drauf hin, dass er doch Sorgen hatte, tatsächlich Werbekunden zu verlieren. Dabei gehts um eine Botschaft an Werbetreibende einen Tag vor dem „The bird is freed“-Tweet:
Dear Twitter Advertisers pic.twitter.com/GMwHmInPAS
— Elon Musk (@elonmusk) October 27, 2022
Hier betont Elon Musk: „Allerdings kann Twitter natürlich nicht zu einer freien Höllenlandschaft werden, in der alles ohne Konsequenzen gesagt werden kann!“.
Er versucht also den Spagat, die einen mit der Möglichkeiten, ihren Hass als Meinungsfreiheit freien Lauf lassen zu können, während man den anderen zuzwinkert: „Hey, die dürfen nicht alles was sie wollen sagen!“.
Elon Musk betreibt Scheindemokratie
Bereits am selben Tag, an dem der Vogel befreit wurde, spricht Elon Musk davon, einen „diversen Moderationsrat“ einsetzten zu wollen. Davor sollen keine gesperrten Accounts reaktiviert werden. Dass das aber so nicht ganz stimmt, zeigen die Entscheidungen der darauffolgenden Tage. Der angekündigte „Rat“ spielt dabei offensichtlich keine Rolle mehr und wird auch nicht mehr erwähnt.
Twitter will be forming a content moderation council with widely diverse viewpoints.
No major content decisions or account reinstatements will happen before that council convenes.
— Elon Musk (@elonmusk) October 28, 2022
Elon Musk und sein Humor
Ligma Johnson had it coming 🍆 💦 pic.twitter.com/CgjrOV5eM2
— Elon Musk (@elonmusk) October 28, 2022
Die Kündigung von Mitarbeiter*innen und Massenentlassungen via E-Mail kommentiert der neue Chef mit einem Bild. Das muss wohl die Rückkehr des Humors sein, von der er zuvor sprach.
Comedy is now legal on Twitter
— Elon Musk (@elonmusk) October 28, 2022
Blauer Haken für Cash und die Logik eines Milliardärs
In Musk Manier kündigt der neue Twitter-Chef an, dass es blaue Haken für alle gegen Bares geben soll. Dass alles da noch nicht fertig durchdacht ist, zeigen die Tweets der darauffolgenden Stunden und Tage.
— Elon Musk (@elonmusk) November 1, 2022
Personen des öffentlichen Lebens sollen unter ihrem blauen Hacken eine weitere Markierung erhalten. Nachdem also die Kommerzialisierung der blauen Haken mit einer angeblichen Liberalisierung für die Benutzer*innen scheinargumentiert wurde, schafft man ein System, welches mache wieder extra hervorhebt? Angeblich wurde der Verkauf der blauen Haken eingeführt, damit es kein „Herren- und Bauernsystem“ mehr geben soll.
Twitter’s current lords & peasants system for who has or doesn’t have a blue checkmark is bullshit.
Power to the people! Blue for $8/month.
— Elon Musk (@elonmusk) November 1, 2022
Elon Musk das Genie scheint hier die Logik etwas zu entgleiten. Zum Schluss bleibt die Frage nach dem neuen Modus für blauen Haken ungeklärt. Offensichtlich ist die Logik, mit der die Entscheidung begründet wurde, in Wirklichkeit absolut egal. Denn Elon Musk macht was er will, wie er hier dann noch mal allen deutlich zeigt.
To all complainers, please continue complaining, but it will cost $8
— Elon Musk (@elonmusk) November 2, 2022
Mit Memes wird dann noch nachgetreten. Auf die fehlende Logik und Irreführung in der Ankündigung wird nicht eingegangen, man versucht, Kritiker*innen auf der persönlichen Ebene als „schwach“ dastehen zu lassen.
— Elon Musk (@elonmusk) November 2, 2022
Kritik kratzt am Ego von Elon Musk?
Dass die Kritik ihm aber nicht wirklich egal ist, zeigt eine bizarre Reaktion. Denn Elon Musk geht dazu über, seine Kund*innen anzugreifen. Was hier kurz zum Vorschein komm, ist in Wirklichkeit absolut bedrohlich. Denn Musk weiß genau, in welcher Position er ist. Auch wenn Twitter pleitegeht, ist er noch immer der reichste Mann der Welt. Seine Tweets haben reale Auswirkungen auf Aktienkurse.
Hier wird deutlich, wo die Bedrohung steckt, wenn zu viel Macht gebündelt wird. Musk verlangt von den Kund*innen einfach die Fresse zu halten und ihm, egal was er tut, trotzdem weiterhin Geld zu geben.
Advertisers should support:
— Elon Musk (@elonmusk) November 2, 2022
Leichte Panik kommt auf
Als die doofen Werbekunden sich nicht einschüchtern lassen, zaubert Elon Musk ein neues Feindbild hervor, um nicht selbst Verantwortung übernehmen zu müssen. Jetzt sind plötzlich nicht näher benannte „Aktivistengruppen“ verantwortlich für das immer größer werdende Chaos.
Twitter has had a massive drop in revenue, due to activist groups pressuring advertisers, even though nothing has changed with content moderation and we did everything we could to appease the activists.
Extremely messed up! They’re trying to destroy free speech in America.
— Elon Musk (@elonmusk) November 4, 2022
Elon Musk versucht, Kund*innen zurück zu Gewinnen
Da die Zahlen weiterhin eine eindeutige Sprache sprechen, bemüht sich Elon Musk darum, Kund*innen zurückzugewinnen. Plötzlich ist man doch um Moderation bemüht. Was aus dem „The bird is freed“- Mantra wurde, spart Musk an der Stelle aus.
Again, to be crystal clear, Twitter’s strong commitment to content moderation remains absolutely unchanged.
In fact, we have actually seen hateful speech at times this week decline *below* our prior norms, contrary to what you may read in the press.
— Elon Musk (@elonmusk) November 4, 2022
Keine Zurückhaltung bei der Strategie
Gleichzeitig postet Musk Codes an alle Freunde der Hassrede, verpackt in pseudo revolutionären Zitaten. Dabei wird der kämpferische politische Slogan „Power to the People“ bis zur Unkenntlichkeit pervertiert eingesetzt. Man fragt sich unweigerlich, hält Elon Musk alle für dermaßen dämlich? Glaubt er, dass Werbekund*innen nicht merken, wie er hier völlig offensichtlich versucht, auf zwei Hochzeiten zu tanzen, oder ist es ihm einfach egal?
⚡️⚡️⚡️ Power to the People ⚡️⚡️⚡️
— Elon Musk (@elonmusk) November 5, 2022
Stündliche Änderungen sorgen nur für weiteres Chaos und Unsicherheiten.
Any name change at all will cause temporary loss of verified checkmark
— Elon Musk (@elonmusk) November 6, 2022
Hoppala, die Falschen gekündigt
Nebenbei kommt Elon Musk drauf, dass er extrem wertvolle Mitarbeit*innen gekündigt hat. Nach massenweisen Personalentlassungen wird teilweise einiges rückgängig gemacht.
Wir hatten bereits in der Vergangenheit über Elon Musks fragwürdigen Umgang mit seinen Mitarbeiter*innen berichtet. Die Gleichgültigkeit, mit der die Entscheidungen zuvor gesetzt wurden, lässt aber jede*n Arbeitnehmer*in erschaudern.
Welcoming back Ligma & Johnson! pic.twitter.com/LEhXV95Njj
— Elon Musk (@elonmusk) November 15, 2022
Die neue Diversität bei Twitter
Just leaving Twitter HQ code review pic.twitter.com/pYcXRTJm14
— Elon Musk (@elonmusk) November 19, 2022
Elon Musk entfesselt Trump auf Twitter
Von einem Fail zum anderen taumelnd, greift Elon Musk zu einem Joker, den er sich vermutlich für Notzeiten aufgehoben hat. Er entfesselt Trump. Natürlich erst nach einer „Umfrage“, welche aber auch die Frage nach Fake Accounts wieder aufwirft.
Wollte Musk ursprünglich nicht den geforderten Preis von Twitter Zahlen, da auf der Plattform zu viele Bots und gefälschte Accounts unterwegs seien? Dies scheint ihm aber bei einem Thema wie Donald Trump nicht weiter zu stören. Was soll schon Schlimmes passieren?
Reinstate former President Trump
— Elon Musk (@elonmusk) November 19, 2022
Gleich danach betont Musk, dass er nicht alleine entschieden hätte, sondern alle User*innen eine gemeinsame Kollektivschuld tragen, falls später etwas schiefgeht.
The people have spoken.
Trump will be reinstated.
Vox Populi, Vox Dei. https://t.co/jmkhFuyfkv
— Elon Musk (@elonmusk) November 20, 2022
Trump möchte nicht zurückkommen, die Reaktion darauf sind „geschmackvolle“ Memes.
And lead us not into temptation … pic.twitter.com/8qNOXzwXS9
— Elon Musk (@elonmusk) November 21, 2022
Vom Schmied zum Schmiedl
Um die weitere Relevanz der Plattform aufrecht zu halten, polarisiert Elon Musk, indem er damit spielt, Donald Trumps geistige Brüder und Schwestern in einer Generalamnestie auf Twitter wieder zu entfesseln. Spätesten hier wird eins deutlich, Elon Musk hat Twitter nicht nur übernommen, nein, er herrscht darüber.
Should Twitter offer a general amnesty to suspended accounts, provided that they have not broken the law or engaged in egregious spam?
— Elon Musk (@elonmusk) November 23, 2022
Elon Musk & Katar
Jetzt scheint alles rund um die Marke Twitter schon egal zu sein. Ganz selbstverständlich wird die Weltmeisterschaft beworben, ohne mit einem Wort auf die menschenrechtliche Situation in Katar einzugehen.
Follow World Cup on Twitter for best real-time coverage! pic.twitter.com/9IfFSHbjl3
— Elon Musk (@elonmusk) November 26, 2022
Für mich oder gegen mich?
Jede*r, der Elon Musk öffentlich kritisiert oder die Zusammenarbeit mit seinen Unternehmen einstellt, kommt auf die Twitter-Schlachtbank. So gerät er mit Apple, nachdem sie drohen, Twitter aus ihrem App Store zu entfernen, aneinander.
Apple has also threatened to withhold Twitter from its App Store, but won’t tell us why
— Elon Musk (@elonmusk) November 28, 2022
Jede Freiheit hat ihre Grenzen
Nach einer antisemitischen Entgleisung inklusive Aufforderung zur Straftat muss Elon Musk nun seinen Kumpel Kayne West sperren. Mit seinem letzten antisemitischen Tweet ging der Musiker und verhaltenskreative Kayne West selbst nach der Neudefinition der Twitter-Richtlinien von Musk zu weit.
I tried my best. Despite that, he again violated our rule against incitement to violence. Account will be suspended.
— Elon Musk (@elonmusk) December 2, 2022
Dabei wird wieder einmal die Doppelmoral sichtbar. Denn Elon Musk weiß selbst ganz genau, dass er Hassrede nicht völlig freien Lauf lassen kann. Vor allem in Europa, wo die Gesetzgeber ihm bereits unverblümt kommuniziert haben, dass er sich an EU-Recht halten muss.
Nach dem Verlust von zahlreichen Nutzer*innen und Werbepartner*innen wird sich zeigen, welchen Kurs Twitter weiter einschlägt. Hat die Plattform ihre Hochphase bereits überstanden und wird sie gerade die neue Heimat für Hassrede? Wir werden uns noch eine Zeit lang gedulden müssen, bis wir erfahren, was die Freiheit des befreiten Vogels für alle nun bedeutet.
Titelbild © Shutterstock
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