Das HIV-Medikament „Lenacapavir“ des US-amerikanischen Unternehmens Gilead Sciences könnte laut einer Untersuchung nur 37 Euro pro Behandlung kosten. Gilead verlangt jedoch mehr als 37.000 Euro dafür. Doch die kritischen Stimmen häufen sich.
Gilead Sciences: Dreiste Abzocke mit HIV-Medikament
Das Medikament „Lenacapavir“ gilt als „das bisher beste Äquivalent zu einem HIV-Impfstoff“ und könnte laut neuen Forschungsergebnissen weltweit nur 40 US-Dollar pro Patient*in und Jahr kosten. Vorsicht, jetzt kommt der Hammer: Das wäre tausendmal weniger als das, was das Zeug derzeit kostet!
Denn „Lenacapavir“, das von der US-amerikanischen Pharmafirma Gilead Sciences unter dem Namen „Sunlenca“ verkauft wird, kostet derzeit unfassbare 42.250 US-Dollar. Und das nur für das erste Jahr. Die Firma wird mittlerweile von mehreren Seiten dazu aufgerufen, das Medikament weltweit zu einem niedrigeren Preis anzubieten.
Lenacapavir: 100 Prozent Schutz, Infektionen verhindern und HIV unterdrücken
Das vielversprechende HIV-Medikament könnte dabei ein wahrer „Durchbruch in der HIV-Prävention“ sein, wenn das Medikament denn auch „schnell und erschwinglich“ verfügbar gemacht werden würde. „Lenacapavir“ wird dabei alle sechs Monate als Injektion verabreicht und kann sowohl Infektionen verhindern als auch HIV bei bereits infizierten Personen unterdrücken.
In einer klinischen Studie bot das Medikament sogar 100 % Schutz für mehr als 5.000 Frauen in Südafrika und Uganda, wie Gilead selbst bekannt gab. „Lenacapavir“ ist derzeit jedoch nur für die Behandlung und nicht zur Prävention zugelassen. Kostenschwerpunkt, wie schon erwähnt, 42.250 US-Dollar.
40 US-Dollar und dennoch 30 Prozent Gewinn
Gesundheit hat natürlich ihren Preis und Medikamente sind nicht immer so leicht zu haben. Doch in einer Studie, die auf der 25. Internationalen Aids-Konferenz in München vorgestellt wurde, berechneten Experten und Expertinnen jedoch, dass der Mindestpreis für die Massenproduktion einer generischen Version a la „Lenacapavir“ bei 40 US-Dollar pro Jahr liegen könnte.
Diese Berechnungen basieren auf den Kosten der Inhaltsstoffe und der Herstellung von „Lenacapavir“ sowie einer Gewinnmarge von 30 Prozent. Vorausgesetzt natürlich nur, wenn jährlich 10 Millionen Menschen das Medikament nutzen würden. Langfristig würden Schätzungen zufolge jedoch um die 60 Millionen Menschen das Medikament präventiv einnehmen müssen, um die HIV-Raten signifikant zu senken. Bedeutet schlichtweg, dass wenn Gilead ihr HIV-Wundermittel für 40 US-Dollar anbieten würden, wären davon immer noch 30 Prozent als Gewinn zu verbuchen.
Derzeit beruht die HIV-Prävention auf täglichen Pillen und Barriere-Schutzmaßnahmen wie Kondomen. Die Verabreichung von „Lenacapavir“ in Injektionsform, würde alle sechs Monate erfolgen. Darüber hinaus würde man kein HIV bekommen, so das Argument.
Lenacapavir: Noch zu früh für Massenproduktion
Aktivist*innen fordern Gilead Sciences daher auf, eine „generische Lizenzierung“ über den von der UNO unterstützten Medicines Patent Pool für alle Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen (LMICs) zuzulassen. Diese Länder machen nämlich 95 % der weltweiten HIV-Infektionen aus. Dieser Ansatz ist ein Mechanismus, der seit Jahrzehnten auf dem HIV-Behandlungsmarkt besteht, wobei wohlhabendere Länder höhere Preise zahlen als ärmere.
Gilead wiederum erklärt, dass es noch „zu früh“ ist, um den Preis von „Lenacapavir“ für die Prävention festzulegen, da noch klinische Studiendaten und mögliche regulatorische Anträge abgewartet werden müssen. Man verspricht jedoch eine „Strategie, um weltweit einen breiten und nachhaltigen Zugang zu ermöglichen“.
Helsinki-Deklaration
Aktivist*innen kritisieren jedoch weiterhin, dass in Vergangenheit Länder von diesen Strategien immer wieder ausgeschlossen wurden, in denen die HIV-Epidemie am schnellsten wuchs. Daher fordert man, dass alle lower middle income countries (LMICs) Zugang zu kostengünstigen generischen Versionen des Medikaments haben sollten.
Die Kritik bekommt dabei Unterstützung von der sogenannten Helsinki-Deklaration zur medizinischen Ethik. Diese besagt, dass Studien nur in Bevölkerungen durchgeführt werden sollten, die von den Ergebnissen profitieren.
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Gilead Sciences: HIV-Medikament gefördert durch öffentliche Gelder
Weiterer brisanter Punkt: Laut Ekō hat Gilead Sciences in den USA sogar öffentliche Gelder für die Erforschung und Entwicklung eines HIV-Präventionsmittels namens „Truvada“ erhalten. Nun verdient Gilead wiederum Millionen mit dem Verkauf von „Truvada“ – aber weder Washington, seine Steuerzahler*innen, noch die Menschen, denen das Mittel helfen würde, sind am gesundheitlichen wie finanziellen Gewinn dieser Errungenschaft beteiligt.
Ein gängiges Problem, mit dem die Pharma-Firmen Milliarden verdienen. Das Horten von Profiten und lebensrettendem Wissen durch große und wohlhabende Unternehmen muss daher ein Ende haben, so Ekō, eine Gemeinschaft von Menschen aus der ganzen Welt, die sich dafür einsetzen, die immer größer werdende Macht von Konzernen einzudämmen.
Gilead Sciences Abzocke mit HIV-Medikament: ein Fazit
Die Entwicklung und vor allem der flächendeckende Vertrieb des Covid19-Impfstoffs haben gezeigt, dass Unternehmen auch jenseits eines wahnhaften Profitgedankens operieren können. Oftmals leider nur bei ausreichendem öffentlichem Druck.
Jedes Jahr kommen über eine Million HIV-infizierte Menschen dazu. Wobei weltweit jährlich über 600.000 Menschen an AIDS-bedingten Erkrankungen sterben. „Lenacapavir“ könnte, wie selten ein Medikament zuvor, diese Zahlen auf beeindruckende Weise verringern und das Leben von Millionen von Menschen nachhaltig verändern. Vorausgesetzt natürlich, das Pharma-Unternehmen stimmt zu und erklärt sich bereit, auf einen Milliardengewinn zu verzichten. Man darf gespannt sein, wie sich diese Pattsituation auflösen lassen wird, zwischen Profitgier und ethischer Hilfe.
Bilder © Shutterstock
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