Die nigerianische Werbebehörde hat angeordnet, dass ab dem 1. Oktober 2022 nur noch einheimische Models und Voice-Over Schauspieler*innen in nationalen Kampagnen verwendet werden dürfen. Diese Verordnung bezieht sich auf TV-, Radio- und Printwerbung. Eine Art staatlich-souveräner Cancel Culture oder längst überfällige Selbstermächtigung?
Werberevolution in Nigeria zur Förderung heimischer Talente
In Nigeria ist es schon lange gang und gäbe, dass der Großteil der Werbung (TV-, Radio und Print) von weißen britischen Models bevölkert wird. Auch die Voice-over Stimmen in den Filmen und Serien stammen dort zum Großteil von weißen, britischen Schauspieler*innen.
Dies wird sich ab 1. Oktober 2022 jedoch radikal ändern. Berichten zufolge plant Nigeria, die Verwendung ausländischer Models und Sprecher*innen für seine Werbespots einzustellen. Dieser Schritt steht im Einklang mit der Politik der Bundesregierung des Landes, einheimische Talente zu entwickeln und das Wirtschaftswachstum in Nigeria zu fördern.
#Nigeria bans #whitemodels in commercials & ads. What do you think 🤔 about that? I think you just do it like they do instead of making it policy to avoid the unnecessary backlash. Previously they gave the majority of the ads to Whites = counterproductive https://t.co/4vtL2I91n5
— @BlackCointelpro (@blackcointelpro) August 30, 2022
Laut Steve Babaeko, Präsident der Association of Advertising Agencies of Nigeria, gab es „eine Art Renaissance in Nigeria“ und ein „neuer Sinn für Stolz entsteht“ unter jungen Menschen. Vielen ist diese vermeintliche weiße Vorherrschaft nämlich ein Dorn im Auge. Diese operiert vor allem als eine direkte Aushöhlung der Black Pride. Aufgrund der medialen Übersättigung von weißer Haut in TV und Co empfinden sich die Menschen, die diesem Bild nicht entsprechen, nämlich nicht mehr als normal, schön, begehrenswert.
Entspricht die natürliche schwarze Hautfarbe aufgrund der Missrepräsentation in den Medien plötzlich nicht mehr den eigenen Idealen, entscheiden sich viele Menschen für das sogenannte Skin-Bleaching. Das Skin-Bleaching ist ein umstrittenes Verfahren der Hautaufhellung. Insbesondere in Afrika und Asien gilt helle Haut ja als erstrebenswertes Schönheitsideal.
Steve Babaeko sieht die Verbannung fremder Models eher als eine Art Rückkehr zum Regionalen. „Die Leute werden dir sagen: ‚Wir sind etwa 200 Millionen. Wollt ihr mir wirklich sagen, dass ihr (die Werbeschaltenden, Anm. d. Redaktion) für diesen Werbespot keine indigenen Models finden konntet?“. Alle Anzeigen, Werbe- und Marketingkommunikationsmaterialien dürfen ab 1. Oktober somit nur noch nigerianische Models und Sprecher*innen verwenden. Wie es dabei mit einem weißen Model mit einer nigerianischen Staatsbürgerschaft aussieht, ist noch nicht geklärt.
Eine Revolution im Blickpunkt
Während viele diese Entscheidung begrüßen. Zum Beispiel als „eine willkommene Entwicklung, welche die lokale Industrie begünstigt, insbesondere in einer Zeit, in der Nigeria dringend ausreichende Plattformen für seine junge Bevölkerung benötigt“, wie Segun Arnize, der Präsident der Association of Voice-Over Artistes Nigeria, in einer Erklärung über das Verbot verlautbart. Oder als Sieg gegen das Weißsein als trügerisches Schönheitsideal. Meinen Kritiker*innen, dass es sich bei dieser Maßnahme um einen umgekehrten Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit handelt.
Es wurden auch einige Medien dafür kritisiert, dass sie um die Ankündigung herum eine falsche Erzählung erstellt haben. Denn viele sprechen nur vom Verbot weißer Models in einem schwarzafrikanischen Land. Weiße Models kämen in der Werbung überhaupt nicht vor, behauptet zum Beispiel die nigerianische Menschenrechtsaktivistin Ndi Kato, der zufolge es in dieser Regelung nicht primär um die Verbannung von weißen Models geht. Ihrer Meinung nach geht es vor allem um die Verbannung von Models aus anderen afrikanischen Ländern, denn viele der Models in den Werbungen stammen nämlich aus Südafrika.
These people celebrating are definitely diasporans and non Nigerian people because those of us that live in Nigeria can't remember when last we saw white people in our adverts.
What Nigeria is banning is other Africans because a lot of South African models are used in our ads. https://t.co/ZCx6zeT2LW— Ndi Kato (@YarKafanchan) August 27, 2022
Fazit
Zwischen Stolz und Rassismus, White Fragility und Black Pride, gibt es immer wieder Graubereiche, die schwer einzuordnen sind. Auch das canceln ist eine Praxis, die oft mit Vorsicht zu genießen ist. Einerseits ist die Stärkung der eigenen Wirtschaft und vor allem das Entgegenwirken toxischer Schönheitsideale eine gute Sache. Dies mit einer Form von Fremdenhass zu bekämpfen, bleibt jedoch fraglich. Wobei es wiederum eine gute Sache ist, den internationalen Konzernen ihre Vormachtstellung bezüglich Werbung abzugraben. Die Entscheidung der nigerianischen Werbebehörde ist jedoch eine Regelung, an der sich auch noch zukünftig die Geister scheiden werden.
Titelbild Credits © Shutterstock / Sinnbild
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