Pressefreiheit in Österreich im Sturzflug: Inserate, bezahlte Umfragen und fehlende Gesetze
Die zahlreichen Krisen unserer Zeit lassen auch die Pressefreiheit nicht unberührt. Doch, wenn es nach dem aktuellen Pressefreiheits-Index der Reporter ohne Grenzen (JSF) geht, der am 03. Mai zur Veröffentlichung kam, sind diese vor allem in Österreich nicht das Hauptproblem. Seit der Ibiza-Affäre geht es steil bergab und Österreich fällt dieses Jahr von Platz 17 auf Platz 31 – hinter die Dominikanische Republik. Wir klären auf, was der aktuelle Bericht offenlegt.
Im globalen Diskurs steht aktuell erneut der Fall Assange im Fokus – sagt man doch, dass mit ihm wohl auch endgültig eine Pressefreiheit nach gegebenen demokratischen Prinzipien fallen könne. Obwohl es kurzzeitig einen Lichtblick gab, als ein Kronzeuge ein Geständnis abgelegt hatte, steht nun wieder die Auslieferung von Assange im Raum. Assange ist ein populärer, aber keineswegs der einzige Fall.
Im Jahr 2021 stiegen die Inhaftierungen von Medienschaffenden um ganze 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ungefähr die Hälfte der insgesamt 488 Inhaftierten (Stichtag 1. Dezember 2021) entfiel auf China, Belarus und Myanmar. Weitere 65 Journalist:innen gelten als entführt. Seit der ersten Jahresbilanz von JSF war die Zahl der willkürlich Inhaftierten noch nie so hoch.
Und Österreich: Warum schneiden wir so schlecht ab?
Die Anfänge des rapiden Absturzes in Österreich liegen in der ÖVP-FPÖ-Koalition. Das Ibiza-Video galt als absoluter Höhepunkt. Unter Schwarz-Grün ging die Reise weiter. Die sogenannte „message control“ blieb aufrecht und die Regierung versuchte, die mediale Berichterstattung durch politische PR-Botschaften zu beeinflussen. Mit dem Angriff auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Gebührenfinanzierung durch die Vorgängerregierung war ein weiterer großer Schritt entgegen der Pressefreiheit getan – obwohl diese abgewiesen wurde, ist sie weiterhin nicht endgültig verworfen.
Die weiteren großen Themen sind die Medienförderung, von der vor allem Boulevardzeitungen am meisten profitierten. Und als weiterer Höhepunkt gelten die parteipolitischen Umfragen samt Provisionen für eine Ministerin, die gerade untersucht werden. 14 Plätze kosten Österreich diese Fehltritte im Pressefreiheits-Index.
Abseits der Regierung spielen vor allem die Angriffe auf Journalist:innen bei den Corona-Demos eine Rolle. Dort kam es neben verbalen Attacken auch zu körperlichen. Dies erforderte zum Teil Polizeischutz, der nicht immer im gewünschten Maße erfolgte.
Woran fehlt es in Österreich in Sachen Pressefreiheit?
Der krasse Absturz zeigt klar: Es ist einiges im Argen. Eine so simple und doch fehlende Lösung ist die gesetzliche Verankerung von „Informationsfreiheit“. Österreich ist das einzige EU-Land, das kein Gesetz zur behördlichen Offenlegung von Informationen gegenüber Journalist:innen hat. Stattdessen bewegt sich Österreich weiter in Richtung osteuropäischer Standards. Auch die politische Annäherung zeigt sich im politischen Alltag.
„Informationsfreiheit“ – in Österreich ein Fremdwort. Obwohl seit zehn Jahren darüber geredet wird, ist Österreich das einzige #EU -Land ohne ein Gesetz, das Behörden verpflichtet, Journalist:innen Auskunft zu geben. Die müssen sich das erstreiten. 4/
— ARD Südosteuropa (@ARDstudioWien) May 3, 2022
Es ist ein wichtiger Punkt, aber nur einer von vielen. Denn mit dem fortwährenden Angriff auf den ORF, aber auch durch „unfaire Strukturen“ in der Verteilung der Medienförderung schreitet Österreich weiter entlang dieses Negativtrends. Entscheiden doch Auflagenzahlen und nicht die Qualität über finanzielle Mittel, nehmen Parteien Einfluss durch finanzielle Abhängigkeit von Inseraten und zusehends stehen Journalist:innen beruflich unter Druck. JSF zeichnet jedenfalls ein umfassendes Bild, das auf www.reporter-ohne-grenzen.de weiter nachzulesen ist.
Titelbild © Screenshot / Weltkarte zur Pressefreiheit JSF
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