Österreichs depressive Jugend: jede*r dritte hat suizidale Gedanken

Psychische Herausforderungen treten oft ab dem 14. Lebensjahr auf, mit Ängsten und Depressionen als häufigsten Problemen. Trotz hoher Smartphone-Nutzung fehlt vielen Jugendlichen jedoch der Zugang zu Online-Hilfsangeboten. Initiativen wie „Mental Health Days“ an Schulen sollen das ändern, das Bewusstsein für psychische Gesundheit fördern und den Dialog über Emotionen erleichtern. Österreichs depressive Jugend im Fokus.
Österreichs depressive Jugend: Jede*r dritte denkt an Suizid
Eine Umfrage, die die Antworten von über 8.000 Kindern und Jugendlichen mit einem Durchschnittsalter von 14 Jahren auswertete, offenbarte besorgniserregende Trends. Während 74 Prozent Zufriedenheit mit ihrem Leben äußerten, gaben 67 Prozent zu, in den letzten zwei Wochen Gefühle von Traurigkeit, Niedergeschlagenheit oder Hoffnungslosigkeit erlebt zu haben.
Alarmierend war jedoch vor allem, dass 27 Prozent angaben, in diesem Zeitraum Gedanken an Selbstverletzung oder Suizid gehabt zu haben. Das ist besorgniserregend. Fast 60 Prozent berichteten über Konzentrationsschwierigkeiten.
Psychische Herausforderungen treten um das 14. Lebensjahr auf
Paul Plener, ein Mitautor von der Medizinischen Universität Wien, wies auf den Beginn von psychischen Problemen hin, insbesondere um das 14. Lebensjahr herum, basierend auf Meta-Analysen. Angststörungen sind dabei besonders häufig. „In diesem Altersspektrum geht es aber auch viel um Depressionen, Essstörungen und Suizidgedanken. Auch die Selbstverletzung nimmt zu“, erklärt Plener gegenüber dem Standard.
Bis zum 18. Lebensjahr manifestieren sich die Hälfte aller psychischen Erkrankungen, wobei Ängste und depressive Störungen am häufigsten auftreten. Trotz konstanter Ebenen, gelegentlicher Suizidgedanken vor und nach der Pandemie hat die tägliche Beschäftigung mit suizidalen Gedanken laut einem Kinder- und Jugendpsychiater deutlich zugenommen.
Nutzung von Smartphones durch Jugendliche
Im Durchschnitt verbringen Schülerinnen und Schüler täglich 213 Minuten mit ihren Handys, wobei 90 Minuten für soziale Medien, 89 Minuten für Streaming-Inhalte, 64 Minuten für Spiele und 62 Minuten für Messaging-Apps aufgewendet werden. Traditionelle Aktivitäten wie Fernsehen (40 Minuten) und Lesen (36 Minuten) haben abgenommen. Bemerkenswert ist, dass Jugendliche täglich neun Minuten mit künstlicher Intelligenz verbringen.
Das Erstaunliche daran ist jedoch, dass trotz dieser langen Zeit vor den Bildschirmen, mehr als die Hälfte (54 Prozent) der befragten Schüler*innen angab, noch nie Online-Ressourcen zur Suizidprävention gesehen zu haben, so Tobias Dienlin, einer der Autoren der Studie vom Institut für Publizistik der Universität Wien.
Unterstützung suchen
Für diejenigen, die mit seelischen Herausforderungen oder Krisen zu kämpfen haben, stehen verschiedene Unterstützungsressourcen zur Verfügung. Zudem werden Bemühungen unternommen, das Bewusstsein für seelische Gesundheit zu fördern und offene Gespräche über Emotionen zu erleichtern, beflügelt durch Initiativen wie „Mental Health Days“ an Schulen, die bereits über 35.000 Schülerinnen und Schüler sowie Lehrlinge erreicht haben.
Österreichs depressive Jugend: der Hintergrund
Die Initiative „Mental Health Days“ wurde von Golli Marboe, einem Journalisten und Autor, ins Leben gerufen, nachdem er vor fünf Jahren seinen Sohn durch Suizid verloren hatte. „Seit damals stellen wir uns immer wieder die Fragen, was haben wir übersehen, was hätten wir besser machen können, warum haben wir nicht erkannt, dass er nicht nur schlecht drauf war, sondern eine schwere Krankheit hatte“, sagte Marboe.
„Wir wussten zu wenig über die Fragen des psychischen Wohlbefindens.“, so dieser weiter und betont damit die Notwendigkeit erhöhter Dialoge über Emotionen. Mit bereits durchgeführten 681 Modulen strebt Marboe die Einführung eines jährlichen „Tags der psychischen Gesundheit“ an österreichischen Schulen an, ähnlich den traditionellen Sportveranstaltungen, um seelische Gespräche weiter zu entstigmatisieren.
Das ist wichtig, denn wenn psychische Erkrankungen früh erkannt werden, kann man vieles in den Griff bekommen, bevor das Problem chronisch wird und tragisch endet. Umso wichtiger ist es, diese Chance auf Onlineaufklärung zu nutzen und Jugendliche an Schulen mit diesem Thema zu erreichen.
Bilder © Shutterstock
DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN
Der ganz normale Esoterik-Wahnsinn: Ist Österreich noch zu retten?
Die Corona-Pandemie hat mit ihren unzähligen Lockdowns die Sichtungen vermeintlich paranormaler Phänomene noch einmal in die Höhe getrieben. Doch in […]
Nachhaltige Kleidung in Österreich: 5 Tipps für einen nachhaltigen Kleidungskonsum
Nachhaltige Kleidung in Österreich. Im Zeitalter von „Fast Fashion“ und den damit einhergehenden Umweltbelastungen suchen viele Menschen nach Alternativen. Secondhand […]
Hacktivistin Nella: Wenn "die Falschen" auf Twitter gesperrt werden
Die Internetaktivistin Ornella Al-Lamie aka Nella setzt sich für jene ein, die sich oft selbst nicht helfen können. Sie geht […]
7 psychologische Begriffe in der Alltagssprache, die Krankheiten verharmlosen
Die inflationäre Verwendung von Worten und Begriffen aus der Psychologie und Therapie mag unter anderem auch zur Entstigmatisierung beitragen. Doch […]
Gedankenhelm - gehen Musk, Zuckerberg und Johnson zu weit?
Keine Sorge! Beim Discounter gibt es keine Mikrochips, die man sich selbst ins Gehirn installieren kann. Das heißt, noch nicht! […]
Reden wir mal Tacheles - warum der Weltfrauentag bitter notwendig ist
Heute ist es wieder mal soweit – internationaler Weltfrauentag. Schon wieder. Ist der wirklich nötig? Schließlich leben wir im 21. Jahrhundert, Frauen sind emanzipiert und gleichberechtigt – naja, fast – und wählen dürfen sie auch schon. Und das bisschen Unterschied im Gehalt, was macht das schon? Ich bin überzeugt, dass nicht wenige Menschen so darüber denken. Und das ist einfach falsch. Ja, wir leben im 21. Jahrhundert, aber von einer gerechten Welt in Bezug auf Frauenthemen sind wir noch weit entfernt. Ein paar Beispiele gefällig? Bitte sehr: